Deutschlands Defizite in seiner Politik
Gastbeitrag von Reinhard Uhle-Wettler*)
Von allen Defiziten, die man in der deutschen Politik ausmachen kann, ist wohl die mangelnde Friedenspolitik am augenfälligsten und bedeutendsten. Die europäische Mittellage bewirkt, daß Deutschland in einer kriegerischen Auseinandersetzung der USA mit Russland, die natürlich auch die Nato einbeziehen würde, unmittelbar betroffen wäre. Die dauerhafte und herausgehobene Unterstützung der Ukraine mit Waffen und Finanzmitteln gegen die russische Invasion kann im Verlaufe der in Gang gekommenen Eskalation sehr schnell in eine Kriegsbeteiligung umschlagen. Deutschland hat sich zu einem US-amerikanischen Stützpunkt mit Atomraketen und -Waffen entwickelt. Es ist selbst aber wegen des Verzichts auf ABC-Waffen wehrlos bzw. abschreckungsunfähig. Seine Armee ist durch den 2 + 4 -Vertrag zunächst auf 370 000 Mann abgerüstet worden. Diese unfreiwillige Abrüstung ist sodann durch eine mangelhafte Wehrpolitik unverantwortlich fortgesetzt worden. Es wird viele Jahre brauchen, um dies wieder auszugleichen.
Typisch für die innenpolitische Lage sind zwei wichtige Tatsachen, die nicht behandelt werden:
1.Mindestens drei ehemalige Spitzengenerale a.D. haben sich von Anfang an öffentlich mit Vorschlägen und Plänen für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen mit den Russen ausgesprochen und diese wiederholt. Sie bekommen in aller Regel nicht einmal eine Antwort, und die Presse sowie der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterwerfen sich einmütig der Schweigespirale.
2. Das Volk, dieser Dummerjan, wird in dieser überlebenswichtigen Frage weder ausreichend informiert, noch zur Mitbestimmung oder Mitentscheidung aufgerufen. Als Ausrede in Diskussionen dient das Argument, Volksbegehren und Volksentscheide seien nach der Verfassung auf Bundesebene nicht vorgesehen. Dabei sollte bedacht werden, dass das Grundgesetz im Artikel 20, Absatz 2 folgendes sagt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … ausgeübt.“ Also los, liebe Superdemokraten und Volksvertreter! Mehr Demokratie wagen und das Volk beteiligen! Sahra Wagenknecht mag mit ihrer Forderung nach Beendigung des Ukrainekrieges Euch das Fürchten lehren, wenn Ihr nicht endlich reagiert.
AfD-Friedensinitiative im Bundestag von CDU und SPD abgewiesen
Zusammenfassend ist mit Verwunderung und Unmut festzustellen, daß unsere herrschende politische Klasse gegenüber der „einzigen Weltmacht“ nicht einmal den Mut zu einer nachdrücklichen Friedensoffensive aufbringt, sondern uneingeschränkt das Lied der europäischen Vasallen mitsingt. Nicht zu vergessen allerdings der Antrag allein der AFD im Bundestag für eine Friedensinitiative. Er wurde durch zwei hasserfüllte Reden von SPD und CDU niedergeknüppelt!
Verstöße gegen demokratische Verhaltensregeln
Ein weiters schwerwiegendes Defizit ist die mangelnde Einhaltung demokratischer Verhaltensregeln gegenüber Vertretern von Meinungen, die nicht dem allgemeinen Zeitgeist entsprechen. Es haben sich sogar totalitäre Tendenzen entwickelt, welche dem Geist des Grundgesetzes widersprechen. Allen voran ist hier das Bundesamt für Verfassungsschutz zu nennen. Dieses nimmt sich ständig heraus, sein Mandat zu überschreiten und Texte sowie Äußerungen von unbescholtenen Staatsbürgern freizügig als verfassungsgefährdend auszulegen und die Ergebnisse zu veröffentlichen, ohne den Betroffenen auch nur zuvor zur Sache anzuhören. Das bewirkt sodann regelmäßig die gesellschaftliche Ächtung und Ausgrenzung, also den sozialen Tod. Das kommt einem Parallelstrafsystem (Alexander Wendt) gleich, das zwar niemanden foltert und hinrichtet, aber Menschen schädigt und erniedrigt. Gerichtliche Einsprüche gegen den geschilderten mittelalterlichen Pranger sind natürlich möglich. Ihre Erledigung dauert selbst bei Eilanträgen viel zu lange, um den eintretenden und beabsichtigten Schaden zu verhindern.
Verfassungsschutz abschaffen, reformieren sinnlos
Mathias Brodkorb, ehemaliger Minister der SPD im mecklenburgischen Landtag, hat hierzu ein bemerkenswertes Buch geschrieben. Sein Titel lautet: „Gesinnungspolizei im Rechtsstaat? – Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik.“ Der Autor hält eine Reform des Verfassungsschutzes für sinnlos und plädiert ganz klar für die Abschaffung dieses Geheimdienstes, den es ohnehin in dieser Form nur in Deutschland gibt. Das würde nach unserer Meinung das Ende der staatlich geförderten Verleumdung und Denunziation bedeuten und endlich wieder den Weg für die freie Meinungsäußerung freimachen.
Bundesverfassungsgericht 1994: Jeder soll frei sagen können, was er denkt
Schon das Bundesverfassungsgericht sagt in seinem bekannten Bodo-Walendy-Urteil vom 11. Januar 1994: „Jeder soll frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann. Zugleich ist es der Sinn von Meinungsäußerungen, geistige Wirkung auf die Umgebung ausgehen zu lassen, meinungsbildend und überzeugend zu wirken. Werturteile sind danach geschützt, ohne daß es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational ist (…).“
Vorschläge gegen das demographische Defizit ignoriert
Ein weiteres schwerwiegendes Defizit ist die seit langen Jahrzehnten vernachlässigte Bevölkerungspolitik für das deutsche Volk. Schon Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts hat der kluge Professor Kurt Biedenkopf in seinem bemerkenswerten Buch: „Zeitsignale“ der notwendigen Bevölkerungspolitik ein besonderes Kapitel gewidmet. Bei der Schilderung der Folgen des demographischen Defizits stützt er sich unter anderen auf die Forschungen des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft. Dessen Erkenntnisse haben Professor Meinhard Miegel und Stefanie Wahl in dem Buch: „Das Ende des Individualismus“ veröffentlicht. Biedenkopf schreibt unter anderem dazu: Vorschläge und Vorlagen, die wir durch unser Institut für Wirtschaft und Gesellschaft – IWG Bonn – in den zurückliegenden Jahren vorgelegt haben, wurden ignoriert. Ihre Diskussion wurde verweigert. Ausarbeitungen für die Parteiführung blieben ohne Resonanz“. Eine immerhin 1992 eingesetzte Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“ brauchte 10 (!) Jahre für einen Bericht an den Deutschen Bundestag. Er ist so umfangreich, daß er wohl nur von damit befassten Spezialisten bzw. Sonderbeauftragten gelesen worden ist. Eingängiger und allgemein verständlicher sind die wissenschaftlichen Bücher und Artikel des Bevölkerungswissenschaftlers Professor Herwig Birg. Dieser bestätigt und erweitert Biedenkopfs Feststellungen.
„Die Herrschaft der Minderwertigen“
Man muss sich nicht wundern, daß Thilo Sarrazin auf diesen Grundlagen sein sensationelles Buch „Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ veröffentlicht hat. „Wenig hilfreich“ war so ziemlich alles, was man darauf als Antwort aus dem Kanzleramt über die Presse zu hören bekam. Da fällt einem fast widerwillig das 1930 herausgegebene Buch: „Die Herrschaft der Minderwertigen“ von Edgar Julius Jung ein. Dieser hat sich darin ausgiebig und statistisch schon damals in einem besonderen Kapitel mit Bevölkerungspolitik beschäftigt und den Erfolg etwaiger Politik von dem Überlebenswillen der Deutschen abhängig gemacht. Leider wurde dieser kluge Berater und Redenschreiber des ehemaligen Kanzlers Franz von Papen wegen seiner konservativen Gegnerschaft durch die Nationalsozialisten im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches ermordet.
Weitere Aufzählungen von Defiziten deutscher Politik versagen wir uns an dieser Stelle, um dem Leser keine tragische Misere zuzumuten. Die Karten liegen auf dem Tisch. Das Notwendige ist gesagt und geschrieben. Künftige Kanzlerkandidaten werden wir daran messen. (Stand Oktober 2024)
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*) Reinhard Uhle-Wettler (Jahrgang 1932) ist Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr. Er war Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e. V. (SWG) in Hamburg 1995 bis 2008. Näheres über diese Gesellschaft finden Sie hier. Näheres über ihn selbst hier (Wikipedia) und hier (SWG). Auf dieser meiner Web-Seite finden sich auch frühere Gastbeiträge von ihm, darunter
- „Der letzte Akt“ (hier) vom 11. März 2017
- „Der programmierte Deutsche“ (hier) vom 8. Juli 2018
- „Aus Leidenschaft für die Freiheit“ (hier) vom 22. Juli 2020,
- „Weltpolitische Verwerfungen“ (hier) vom 12. Dezember 2021,
- „Aufbruch – Es ist an der Zeit, dass sich das Volk einmischt“ vom 25. November 2023 (hier).
Vom Autor stammt auch das Buch Die Überwindung der Canossa-Republik. Ein Appell an Verantwortungsbewußte. Hohenrain-Verlag, Tübingen 1996. Eine dritte und erweiterte Auflage ist im Jahr 2000 erschienen (224 Seiten. ISBN 3891800576). Von 2015 datiert das Buch Vasallen. Das Unbehagen in der Republik. (Verlag: Hohenrain, Tübingen. Broschürt. 111 Seiten. ISBN 10: 3891801491ISBN 13: 9783891801499). Ferner ist Uhle-Wettler Herausgeber des Buches Wagnis Wahrheit. Historiker in Handschellen? Festschrift für David Irving. Arndt-Verlag, Kiel 1998. ISBN 3-88741-199-4.
Die Zwischenüberschriften in diesem seinem aktuellen Beitrag sind vor mir eingefügt.