Die rechtliche Bewertung einer Juristin in Wien – Ist Kanzler Scholz noch bei Sinnen? – Und Merz? Er opponiert nicht, er macht mit der Regierung gemeinsame Sache – Von der formal obersten Diplomatin Baerbock undiplomatische Kriegsrhetorik – Von Russland kein unberechtigt geführter Krieg – Die Historie als Ausgangspunkt der völkerrechtlichen Beurteilung – Die nicht beachtete Mahnung von George W. Bush an die Ukraine von 1991 – Der Vertragsbruch der Ukraine und ihre militärischen Aggressionen als Kriegsverbrechen – Die Bedeutung einer zwingenden Norm im Völkerrecht – Die Anerkennung des Sezessionsrechts durch die UN-Resolution 2625 – Das Recht der Völker, um Beistand zu ersuchen und zu erhalten – Putins berechtigtes Kriegsziel – Die Zulässigkeit eines präventiven Angriffskrieges nach neuer Völkerrechtslehre – Warum sich Russland zu Recht bedroht fühlt – Ein Quellenfund, der die westliche Zusage an Russland von 1991 untermauert
Der Krieg um die und in der Ukraine soll nicht aufhören (dürfen). Bundeskanzler Olaf Scholz will der Ukraine nun auch ein modernes Flugabwehrsystem sowie Mehrfachraketenwerfer liefern. Ferner sagt er ein modernes Ortungsradar zu, um die Stellungen gegnerischer Artillerie zu lokalisieren. Mit diesen Waffen solle sich das Land besser gegen die russische Aggression verteidigen können.*) Dabei handelt Putin im Einklang mit dem Völkerrecht, wie eine Wiener Juristin in einem einschlägigen Beitrag ausführt (siehe weiter unten).
Liefern lassen will Scholz die Raketenwerfer bis Ende Juni in enger Abstimmung mit den USA. Diese hatten am 31. Mai zugesagt, auch selbst solche Artilleriesysteme bereitzustellen. Deren Reichweite werde so eingegrenzt, dass sich mit ihnen nicht ohne Weiteres russisches Territorium angreifen lasse. (Anmerkung: Man will nämlich auf keinen Fall von Russland formal zur Kriegspartei erklärt werden. Dabei ist man das doch längst, nur noch nicht formal.)
Ferner äußerte Scholz, Deutschland müsse sich mit seinen Waffenlieferungen „nicht verstecken“. Man werde die Ukraine so lange wie nötig unterstützen. Putin dürfe seine imperialistischen Ziele nicht erreichen. (Anmerkung: Aber die imperialistischen Ziele der USA gegenüber Russland und anderen Staaten sind natürlich gaaanz etwas anderes. Sie aber will Scholz lieber nicht wahrhaben – oder muss sie gefälligst unterdrücken.)
Ist Kanzler Scholz noch bei Sinnen? Und Merz als Oppositionsführer desgleichen?
Ist dieser Kanzler, ist Deutschland noch bei Sinnen? Und ist es etwa Friedrich Merz, Führer der parlamentarischen Opposition ebenfalls noch? Dieser hatte der Bundesregierung zu Beginn der Debatte vorgeworfen, die Bundesregierung verspreche schwere Waffen zwar, liefere sie aber nicht. Er treibt also die Regierung zu solchen Waffenlieferungen geradezu an. Er opponiert nicht, er macht mit ihr gemeinsame Sache. Mit so einer „Opposition“ ist kein Staat zu machen. Scholz immerhin hat gezögert, auch mit schweren Waffen in den ukrainisch-russischen Konflikt einzugreifen; er ist sich, wie Teile seiner Partei, der möglichen Folgen für Deutschland bewusst, ist aber zugleich ein von den USA und vom Nato-Bündnis Getriebener. Deutschland ist wie die Europäische Union ein amerikanischer Vasall. Und Vasallen folgen der Pfeife ihres Hegemons wie abgerichtete Hunde.
Von der formal obersten Diplomatin Baerbock undiplomatische Kriegsrhetorik
Was Scholz nicht riskieren will, kümmert seine Außenministerin Baerbock weniger. Während Scholz sich auffällig damit zurückhält, ein konkretes Kriegsziel zu benennen, das (auch) mit der deutschen Waffenhilfe erreicht werden soll, hat Annalena Baerbock als das formale Oberhaupt der deutschen Diplomatie völlig undiplomatisch posaunt: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, sondern muss ihn strategisch verlieren.“ — „Deswegen darf die Ukraine auf keinen Fall verlieren.“ – „Das heißt: Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.“ So geschehen in der Talk-Sendung von Markus Lanz im ZDF. **) Diplomatie wäre, statt eines Kriegsziels ein Friedensziel zu formulieren. Aber anstelle von verbalen Anstößen zum Frieden war von Frau Baerbock Kriegsrhetorik zu hören. Somit wird zusätzlich offenkundig, dass auch sie im Kabinett Scholz eine Fehlbesetzung ist. Unwillkürlich denkt man zurück an Hans-Dietrich Genscher in jenem Amt, wo nun Baerbock gelandet ist und sich herumtreibt. Genscher immerhin hatte es verstanden, sich mit vielen wortreichen Wendungen von markigen, entschiedenen Sprüchen diplomatisch fernzuhalten.
Von Russland kein unberechtigt geführter Krieg
Dass Russland diesen Krieg nicht unberechtigt führt, ist in etlichen Beiträgen auf dieser Blog-Seite nachzulesen:
- Wer will Krieg? Russland oder die USA? (14. Februar 2022 hier)
- Nicht Putin suchte den Konflikt (23. Februar 2022 hier)
- Eine Empörung mit triefender Scheinheiligkeit (25.Februar 2022 hier)
- Die Schurkenrolle der USA im Ukraine-Krieg (4. März 2022 hier)
- Ein Narr genügt (13. April 2022 hier)
- Als wäre es heute geschrieben (15. März 2022 hier)
- Auf Kurs in den Selbstmord (21. Mai 2022 hier)
Der Ukraine-Krieg und das Selbstbestimmungsrecht im Völkerrecht
Jetzt bin ich auf den Beitrag einer Juristin in Österreich gestoßen, dessen Titel „Der Ukraine-Konflikt unter Berücksichtigung des Völkerrechts“ lautet.***) Sie befasst sich mit dem Vorwurf an Russland, mit dem Überfall auf den souveränen Staat Ukraine habe es eine völkerrechtswidrige Aggression begangen, und Präsident Putin persönlich habe Völkerrechtsverbrechen in Auftrag gegeben. Autorin ist Dr. iur. Eva Maria Barki in Wien.****) Sie argumentiert mit dem Selbstbestimmungsrechts der Völker sowie den Rechten von Volksgruppen und nationalen Minderheiten. Diese Rechte sowie die beiden Abkommen von Minsk und das Memorandum von Budapest (5. Dezember 1994) würden verletzt, der gegenwärtige Ukraine-Krieg sei die Folge. Sie argumentiert zugunsten von Russland und zulasten der Ukraine.
Nicht Russland verletzt das Völkerrecht, sondern die Ukraine mit westlicher Hilfe
Die Anschuldigungen entbehrten jeder faktischen und rechtlichen Grundlage. Sie seien als Teil des Krieges gegen Russland zu sehen, um Russland als Rivalen auszuschalten und ihr eigenes Machtmonopol zu bewahren. Das hätten sie bereits 1991 konzipiert und in der „National Security Strategy 2002“ begründet. Der geopolitisches Stratege Zbigniew Brzezinski habe die Ukraine als wichtigen Raum auf dem Eurasischen Schachbrett und als politischen Dreh- und Angelpunkt bezeichnet. Der Krieg in der Ukraine sei daher ein Krieg der USA gegen Russland. Rechtsverletzungen, besonders auch Verletzungen des Völkerrechts seien nicht Russland vorzuwerfen, sondern den ukrainischen Machthabern. „Nicht Russland verletzt das Völkerrecht, sondern im Gegenteil die Machthaber in Kiew, unterstützt vom Westen, insbesondere auch mit finanziellen Mitteln und Waffen, sowie befeuert von den westlichen Medien.“
Die Historie als Ausgangspunkt der völkerrechtlichen Beurteilung
Ausgangspunkt dieser zusammenfassenden Beurteilung ist die Historie: Die Ukraine sei kein homogener, historisch gewachsener Nationalstaat, seine Gebiete hätten im Laufe der Geschichte mehrfach anderen Staaten angehört. Die Umgangssprache in der Ukraine sei für mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht ukrainisch. Wie die Ukraine aus Gebietsteilen und Bevölkerungsteilen mit verschiedenen historischen, kulturellen und nationalen Identitäten bestehe, sei eine föderale Staatsform erforderlich, oder es seien die Rechte der verschiedenen Volksgruppen und Nationalitäten zu berücksichtigen.
Die nicht beachtete Mahnung von George W. Bush an die Ukraine von 1991
Frau Barki erinnert an die Rede des amerikanischen Präsidenten George H. W. Bush (Bush sen.) am 1. August 1991 im ukrainischen Parlament. Die Sowjetunion zerfiel damals, und es ging um die Unabhängigkeit der Ukraine, die bis dahin eine sowjetische Republik gewesen war. Bush habe, so Barki, die Abgeordneten ermahnt, nicht für die Unabhängigkeit, sondern für den Verbleib bei Russland zu stimmen, weil sonst ein „selbstmörderische Kampf der Nationalitäten“ stattfinden werde. Barki: „Er sollte Recht behalten.“ Allerdings hat Präsident George W. Bush (Bush jun.) von 2001 an mit der Nato-Russland-Grundakte vom Mai 1997 gebrochen und damit die mit Russland vereinbarte Sicherheitskooperation in Europa beendet. Ausführlich darüber berichtet die Wochenzeitung Junge Freiheit in ihrer Ausgabe vom 27. Mai 2022, Seite 19, unter der Überschrift „Frühe Weichenstellung“.
2014 auf dem Maidan, der Putsch und die beiden Volksabstimmungen
Es folgten die allseits bekannten Ereignisse, die Barki so zusammenfasst: Ausgangspunkt und Ursache der derzeitigen Krise waren die blutigen Ereignisse auf dem Maidan 2014. Sie endeten mit einem Putsch, und eingesetzt wurde einee westlich orientierte und vom Westen unterstützte Regierung. .Als Reaktion darauf und aus Furcht vor einer ähnlicher Aggression wurden sowohl im Donbass – in der Oblast Lugansk und in der Oblast Donezk – aber auch auf der Krim Volksabstimmungen über eine staatliche Eigenständigkeit abgehalten. In beiden Gebieten stimmten 90 Prozent für die Eigenständigkeit (Wahlbeteiligung in Lugansk über 80 Prozent und in Donezk 75 Prozent).
Die Regierung in Kiew beantwortet das Abstimmungsergebnis mit Waffengewalt
Barki: „Die Antwort der (nicht legitimen) Regierung in Kiew waren die Entsendung von Militär und amerikanischen Söldner-Truppen, schwerste Artillerie, Raketenangriffe, Bombenangriffe, Phosphorbomben, Streubomben, Zerstörung von Häusern, Schulen, Spitälern, Infrastruktur, Abschaltung von Strom, Verweigerung von Hilfsgütern, mit dem Ergebnis von über 5000 Toten – mehrheitlich Zivilisten, Millionen Flüchtlingen und mit dem Ergebnis eines unbeschreiblichen sozialen Notstandes.“
Die beiden Abkommen von Minsk, die die ukrainische Regierung nicht einhält
Folge: Das Abkommen von Minsk I im September 2014. Vereinbart wurden ein Waffenstillstand sowie Schritte, einen Friedensplan für den Donbass umzusetzen, wobei die beiden Republiken de facto anerkannt wurden. Die Ukraine brach das Abkommen, die Kämpfe gingen weiter.
Abkommen von Minsk II vom 12. Februar 2015: Vereinbart wurde, Minsk I umzusetzen. Das Ziel, den Konflikt besonders dadurch zu bereinigen, die Verfassung der Ukraine zu reformieren, eine auf Donezk und Lugansk bezogene Dezentralisierung herbeizuführen, ein Gesetz über den besonderen Status von Donezk und Lugansk zu erlassen und regionale Wahlen in diesen beiden Gebieten der lokalen Selbstverwaltung abzuhalten. Barki: „Der ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk hat bereits einen Tag später zu erkennen gegeben, dass auch Minsk II nicht eingehalten und die Ansprüche auf Donezk und Lugansk nicht aufgegeben werden.“
Der Vertragsbruch der Ukraine und ihre militärischen Aggressionen als Kriegsverbrechen
Barki: „Das Abkommen von Minsk ist ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag, welcher durch Verabschiedung der Resolution 2202 des UN Sicherheitsrates bekräftigt und damit völkerrechtlich für alle Staaten verbindlich ist. Die Regierung in Kiew hat die Vereinbarungen von Minsk nicht eingehalten, nicht nur den Waffenstilstand gebrochen, sondern insbesondere die Verfassungsreform und die Schaffung eines autonomen Status für Lugansk und Donezk nicht durchgeführt. Damit liegt nicht nur ein Vertragsbruch vor, sondern sind die militärischen Aggressionshandlungen gegen den Donbass in Verletzung dieses Vertrages zweifellos als Kriegsverbrechen zu werten. Verletzt wurde insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Völker als fundamentalste Grundnorm des Völkerrechts.“
Die Bedeutung einer zwingenden Norm im Völkerrecht
Das Selbstbestimmungsrecht sei zwingendes Recht (ius cogens). Das sei einhellige Meinung. Von dieser Norm dürfe in keinem Fall abgewichen werden, auch nicht durch Vertrag. Verträge, die im Widerspruch zu einer zwingenden Norm stünden, seien nichtig (Artikel 53 der Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK). Kein völkerrechtlicher Vertrag, aber auch keine innerstaatliche Verfassung könne das Selbstbestimmungsrecht verbieten. Die Bedeutung einer zwingenden Norm im Völkerrecht lasse sich daran ermessen, dass sie sogar eine rückwirkende Wirkung entfalte. Im Völkerrecht gebe es neben der Verletzung grundlegender Menschenrechte nur drei Normen, die zwingendes Recht seien: das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Gewaltverbot und das Verbot des Völkermordes. Die Verletzung der territorialen Integrität bzw. der staatlichen Souveränität gehöre nicht dazu.
Die Schenkung der Krim von Chruschtschow ist nach UN-Recht erloschen
Für die Krim bedeute dies, dass die Schenkung der Krim an die Ukraine durch Chruschtschow 1954, die zweifellos das Selbstbestimmungsrecht verletzt habe, mit Inkrafttreten von Artikel 1 der UN-Menschenrechtspakte erloschen sei und die Zugehörigkeit zur Ukraine auch aus diesem Grund nicht aufrechterhalten werden dürfe. Putin habe daher Recht gehabt, wenn er sich auch auf die Wiederherstellung der Gerechtigkeit berufen habe.
Die Anerkennung des Sezessionsrechts durch die UN-Resolution 2625
Ferner verweist Frau Barki auf die UN-Resolution 2625 (XXV) Friendly Relations Declaration vom 24. Oktober 1970 hin. Sie sei neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der „zweifellos bedeutendste Beschluss der UN-Generalversammlung“. Wenngleich keine formelle Rechtsverbindlichkeit bestehe, so beinhalte die Deklaration – wie sich aus den Schlussbemerkungen ergebe – die Wiedergabe des geltenden Völkergewohnheitsrechtes. In ihr werde das Sezessionsrecht ausdrücklich anerkannt – entweder durch Gründung eines eigenen souveränen Staates, oder durch die freie Assoziation mit einem anderen Staat oder durch die Eingliederung in einen anderen Staat.
Das Recht der Völker, um Beistand zu ersuchen und zu erhalten
Die Deklaration enthalte nicht nur das Recht der Völker, über ihren politischen Status frei zu entscheiden, sondern auch das Recht, im Falle eines Widerstandes beim Bemühen, des Selbstbestimmungsrecht auszuüben, um Unterstützung zu ersuchen und zu erhalten. Auch deshalb habe die Krim das Recht zur Sezession gehabt und das Recht, die Russische Föderation um Hilfe zu ersuchen, und die Russische Föderation habe sogar die Pflicht gehabt, diese Hilfe zu leisten.
Das kollektive Recht der Völker auf Selbstbestimmung
Zwar werde die Rechtswidrigkeit der Sezession der Krim mit den Helsinki-Schlussakten 1975 und dem darin enthaltenen Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen (III.) und der Territorialen Integrität der Staaten (IV.) begründet. Dies ergebe sich aus dem Souveränitätsprinzip in Punkt I. und beziehe sich auf die Teilnehmerstaaten, die gegenseitig ihre auf Souveränität beruhenden Rechte zu achten haben, bezieht sich demnach nicht auf die Völker. Vollkommen übersehen und ignoriert werde aber, dass auch die Helsinki-Schlussakte in Punkt VIII. das kollektive Recht der Völker auf Selbstbestimmung und darüber hinaus auf Gleichberechtigung der Völker enthielten. Artikel 1 der Menschenrechtspakte werde sogar erweitert und verstärkt, indem betont werde, dass die Völker dieses Recht ausüben könnten, wann und wie sie es wünschten.
Putins berechtigtes Kriegsziel
Aus alldem ergibt sich für Frau Barki, dass das von Putin formulierte erste und wichtigste Kriegsziel, nämlich der Schutz der russischen Bevölkerung, berechtigt ist und durch weiter andauernde militärische Angriffe gegen den Donbass bekräftigt wird. Als in der Folge weiteres Kriegsziel über den Donbass hinaus habe Putin die „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ der Ukraine angegeben und zu diesem Zwecke auch Aktionen außerhalb des Donbass unternehmen lassen.
Die Zulässigkeit eines präventiven Angriffskrieges nach neuer Völkerrechtslehre
Zur Frage, ob diese kriegerischen Aktionen gerechtfertigt sind, verweist Frau Barki auf die neueste Lehre im Völkerrecht zu Angriffskriegen. Obwohl militärische Aktionen ausschließlich unter dem Mandat der Vereinten Nationen zulässig seien, so werde in den letzten Jahren die Zulässigkeit eines Krieges zum Zweck der Friedensicherung und im Zusammenhang mit humanitären Interventionen diskutiert. Nach dieser neuen Lehre sei auch ein präventiver Angriffskrieg zulässig, wenn wesentliche Interessen und die Sicherheit gefährdet erschienen. Zur Abwehr allfälliger und drohender Angriffe sei auch ein militärischer Präventionsschlag gerechtfertigt.
Warum sich Russland zu Recht bedroht fühlt
Frau Barki führt dazu dies aus: „Russland befindet sich zweifellos in einer Situation, in der seine Sicherheit und auch seine Integrität gefährdet sind. Russland ist von der Nato zur Gänze eingekreist, in unmittelbarer Nähe zu russischen Grenzen sind Nato-Truppen stationiert, die Raketenabwehranlagen in Rumänien und Polen stellen eine unmittelbare Bedrohung durch Atomwaffen dar, ebenso die Aufstockung der Atomwaffenarsenale in Europa und die wiederholten und ernstzunehmenden Drohungen des Westens mit Atomwaffen. Eine weitere Bedrohung wurde von Russland zu Recht in den zahlreichen in der Nähe der russischen Grenze etablierten Bio-Labors gesehen. Das Bild wird durch die immer mehr ausgeweiteten Wirtschaftssanktionen gegen Russland und den Informationskrieg mit unrichtigen Darstellungen abgerundet. Das Ziel der Entmilitarisierung der Ukraine erscheint unter diesem Gesichtspunkt als zulässig, wobei die Entnazifizierung auf jene rechtsextremen Kräfte in der Ukraine verweisen soll, welche bereits im 2. Weltkrieg Massaker an Russen und Juden mit 50.000 Toten verursacht haben und welche auch derzeit die treibenden Kräfte im Krieg gegen den Donbass sind.“
„Regelbasierte Ordnung“ anstelle des Völkerrechts als westliches Diktat
Auch im Ukraine-Krieg sieht Frau Barki ein Beispiel dafür, „dass das Völkerrecht keine Geltung mehr hat. Im Westen wird die mangelnde Beachtung und Beseitigung des bisherigen Völkerrechtes auch gar nicht bestritten. Man beruft sich nicht auf das Völkerrecht, sondern auf die ‚regelbasierte Ordnung‘, wobei diese regelbasierte Ordnung vom Westen diktiert und mit allen Mitteln versucht wird, sie durchzusetzen. Macht geht vor Recht.” (Der gesamte Barki-Beitrag hier).
Ein Quellenfund untermauert die westliche Zusage an Russland von 1991
Eine zusätzliche Bestätigung hat Russland für seine Beschwerde bekommen, die Nato-Osterweiterung verstoße gegen westliche Zusagen nach dem Mauerfall. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen und der sowjetischen Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung hatte die westliche Verhandlungsführung Russland versprochen, die Nato nicht weiter nach Osten auszudehnen. Medien und einige Politiker hatten das in jüngerer Zeit nicht mehr wahrhaben wollen und verbreitet, es gebe dafür keine schriftliche Vereinbarung, es fehlten dafür die Belege. Doch Der Spiegel (hier) und Dle Welt (hier) berichteten im Februar 2022 über einen neu aufgetauchten Vermerk aus dem britischen Nationalarchiv, der die russische Haltung stützt. So habe der deutsche Diplomat Jürgen Chrobog über ein Treffen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands im März 1991 geschrieben: „Wir haben deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen.“ Ferner habe der amerikanische Vertreter Raymond Seitz erklärt: „Wir haben gegenüber der Sowjetunion klargemacht – bei Zwei-plus-Vier- wie auch anderen Gesprächen –, dass wir keinen Vorteil aus dem Rückzug sowjetischer Truppen aus Osteuropa ziehen werden.“
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*) Scholz in der Haushaltsdebatte des Bundestages am 1. Juni (FAZ vom 2. Juni, Seite 1).
**) Am 1. Juni 2022 hier. Für Russland provozierend klingt auch, dass Baerbock die Ukraine als EU-Beitrittskandidaten sieht. Zwar hat sie den Kandidaten-Status für die Ukraine nicht ausdrücklich gefordert, aber das Ziel doch deutlich genug formuliert: „“Es reicht nicht zu sagen: Ja, ihr gehört zu Europa – sondern ihr gehört in die Europäische Union.“ (Quelle: ARD-Tagesschau vom 2. Juni 2022 hier). Immerhin sieht Russland eine Aufnahme der Ukraine in die westlichen Bündnisse Nato und EU als eine Gefahr für sich. Diese Gefahr war für seinen Angriff auf die Ukraine ein wesentliches zusätzliches Motiv. Das Beitrittsziel immer wieder zu nennen, wird Russlands kriegerisches Vorgehen wegen der Ukraine verlängern statt verkürzen helfen.
***) Es war ein Gastbeitrag von ihr in der Online-Zeitung Die Freie Welt vom 31. Mai 2022 (hier).
****) Der Beitrag datiert vom 31. Mai 2022. Frau Barki ist Rechtsanwältin und nach eigenem Bekunden (hier) auch vielfältig für die Menschenrechte aktiv. Eine längere politische und rechtliche Stellungnahme hat sie 2020 auch zum ungarischen Gesetz zur Bekämpfung des Coronavirus abgegeben (hier).