Was haben die Amerikaner in der Ukraine zu suchen? – Die Scheinheiligkeit der USA, die Dummheit der Europäer – Die erprobte angloamerikanische Kunst, den Gegner zum ersten Schuss zu reizen – Russland provozieren, bis es Fehler macht – Noch sind die USA deutlich stärker als China – Amerikas Chance gegen China: Mögliche US-Raketenstationen, die für China gefährlich sein würden – Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. iur. Menno Aden über Russland in der Sackgasse und die möglichen amerikanischen Schritte, dies zulasten Russland auszunutzen
Russland wurde in eine ausweglose Lage manövriert, hat aber auch selbst dazu beigetragen. Die USA haben die Gelegenheit genutzt, über Jahre an einer Falle für Russland zu bauen, die aufzustellen Russland erleichtert hat: vor allem durch die Wiederaneignung der Krim und den Aufmarsch an der ukrainischen Grenze, was aus russischer Sicht aber als Reaktion auf die Aggressivität von USA und Nato gilt. Alles sieht danach aus, Russland zu einem „Erstschlag“ zu provozieren. Die USA-Vasallenstaaten in Europa samt ihren folgsamen „Lücken-Medien“ auch in Deutschland machen bei dieser Kriegstreiberei mit, darunter wie schon so lange die FAZ. Das Magazin Der Spiegel“ hat gerade als Behauptung des amerikanischen Geheimdienstes CIA verbreitet, Russland werde noch in dieser Woche die Ukraine angreifen (hier). Auch die Bundesregierung sei von der CIA informiert worden. Als Absicht dahinter lässt sich Verschiedenes deuten (Beispiele hier).
Die Scheinheiligkeit der USA, die Dummheit der Europäer
Der Schweizer Informationsdienst Uncut News hat am 4. Februar Sarah Wagenknechts „Video der Woche“ vom 3. Februar „über die Scheinheiligkeit der USA, die Dummheit der Europäer und das mangelnde Rückgrat der deutschen Regierung in der Russland-Politik“ weitergeleitet. Im Vorspann zu ihrem Video über die Hintergründe des Ukraine-Konflikts schreibt Wagenknecht (Die Linke): „Die Eskalation des Ukraine-Konflikts ist brandgefährlich. Die Folgen eines Krieges mitten in Europa, an dem die Atommacht Russland direkt und die NATO mindestens indirekt beteiligt wären, kann man sich kaum ausmalen. Sie betreffen und bedrohen uns alle. Aber wer ist für die entstandene Situation verantwortlich? Der russische Präsident, der angeblich skrupellos auf Krieg setzt? Oder nicht doch die Vereinigten Staaten und die NATO, die russische Sicherheitsinteressen seit Jahren konsequent ignorieren und auf Ausdehnung der eigenen Einflusssphäre, Konfrontation und Aufrüstung setzen? Und wer ist eigentlich der lachende Dritte, wenn die EU weitere Sanktionen gegen Russland beschließt und die Gaspipeline Nordstream II beerdigt wird?“ Die sehr informative Darstellung Wagenknechts hier.
Viele Kundige beschäftigt der Konflikt ebenfalls. Er hat sie geradezu alarmiert. Zu Ihnen gehört auch Prof. Dr. iur. Menno Aden, der sich in Beiträgen und Büchern immer wieder auch zu politischen Themen äußert. In einem seiner Bücher kennzeichnet ihn der Verlag unter anderem so: : „Etliche berufliche Einsätze in aller Welt führten ihn immer wieder zu der Frage, wie es den Vereinigen Staaten von Amerika gelingen konnte, über viele Kriege hinweg zur imperialen Macht aufzusteigen, anderen Nationen – wie zum Beispiel Deutschland – aber den Ruf eines „Störenfrieds der Weltordnung“ anzuhängen.“ Adens gestern verfassten Kommentar zur gegenwärtigen Lage stelle ich hier als Gastbeitrag zur Diskussion. Die Zwischenüberschriften sind von mir eingefügt.
Russland in der Sackgasse – Amerikas Chance gegen China
Gastbeitrag von Prof. Dr. iur. Menno Aden1)
In diesen Tagen erleben wir, was wir in Europa seit den Augusttagen 1939 nicht mehr erlebt haben. Ein Regionalkonflikt, welcher die Amerikaner eigentlich überhaupt nichts angeht, wird zum Kriegsgrund für einen großen Krieg aufgeblasen.
Die Kriegsvorbereitungen der Amerikaner, die militante Sprache amerikanischer Medien, die Schaumanöver amerikanischer Flugzeugträger im Mittelmeer und vieles andere mehr sind so eindeutig, das nur bewusstes Wegsehen uns hindert, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Die Kriegstreiber im Pentagon nehmen einen Krieg in Europa wegen der Ukraine billigend in Kauf. Jetzt sieht die USA die vielleicht letzte Chance, ihre Weltmachtpläne zu sichern.
Wir politisch naiven Deutschen erschaudern vor dem Gedanken, dass man den Amerikanern, die doch immer so nett sind und uns gleich das Du anbieten, so etwas zutraut. Einen Krieg zur Herstellung oder Sicherung ihrer Weltmacht zu inszenieren! Das liegt ihnen– wie sie ja doch selbst sagen- ganz fern. Solche üblen Wünsche finden sich nur bei den Bösen dieser Welt, also bei Putin oder dem chinesischen Staatsführer Xi, der schon durch seinen Namen, der Westen bedeuten kann, zeigt, was er will.
Die Weltsicht eines nationalistischen Amerikaners im Pentagon
Wir sollten aber doch einmal versuchen, uns in die Weltsicht eines nationalistischen Amerikaners im Pentagon zu denken. Diese Leute bekommen vom ersten Tag ihres Lebens eingepflanzt, dass Amerika die größte Nation aller Zeiten ist, von Gott dazu berufen, sich die Erde untertan zu machen. Alle möglichen Auftritte beginnen oder enden mit einer Flaggenparade wie bei uns in der NS-Zeit und mit dem Pledge of Allegiance. Unzählige Sternenbanner vor Kirchen und Kneipen, Imbissbuden und an Motorrädern, Waffen wedelnde clansmen, schießwütige Polizisten, polternde und verbrecherische Präsidenten (z.B. Th. Roosevelt, Bush jr. u. a.) zeigen, wes Geistes Kind diese Leute sind.
Was haben die Amerikaner in der Ukraine zu suchen?
Aber Putin ist doch wirklich böse – man denke an Nawalny, den Berliner Tiergartenmord usw. Ja, das ist verbrecherisch. Aber was ist mit Assange, Snowden und Guantanamo, welches der hierzulande bejubelte Obama vor nun 15 Jahren zu schließen versprochen hatte, wo aber immer noch Menschen ohne Urteil festgehalten werden? Darüber verliert sich dann ganz die Frage: Gibt es für die USA in Lateinamerika nicht genug Diktatoren, die sie „behandeln“ könnten? Was haben die Amerikaner in der Ukraine zu suchen? Welche Interessen verfolgen sie dort?
Noch sind die USA deutlich stärker als China
Im Pentagon weiß man: Noch sind die USA deutlich stärker als China. China mit einer im wesentlichen homogenen Bevölkerung von Han-Chinesen, die dreimal so groß ist wie die der ethnisch und sozial zerrissenen USA wird schon bald der mächtigste Staat auf Erden sein, wenn wir nicht JETZT handeln. Was ist zu tun?
Folgendes Kalkül ist anzustellen:
- Die USA können China derzeit nur von dem amerikanischen Guam aus bedrohen. Von Guam bis Schanghai sind es aber über 3000 km. Auch wenn eine moderne Rakete mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit fliegt, wird es immer noch etwa 10 Minuten dauern, bis sie das chinesische Festland erreicht. Bis dahin greifen chinesische Abfangsysteme. Die Bedrohung von Guam reicht also nicht, um die Chinesen wirksam einzuschüchtern .Außerdem ist Guam eine Insel und könnte im Konflikt rasch insgesamt ausgeschaltet werden.
- Näher liegen die US-Stützpunkte in Japan, Südkorea und Taiwan. Die sind zwar gefährlicher für China. Diese Staaten sind aber nach dem amerikanischen Debakel in Kabul unsichere Kantonisten. Ihre Angst vor China ist größer als ihr Vertrauen in den Schutz der USA. Sie werden sich mittelfristig aus der amerikanischen Hegemonie lösen.
Mögliche US-Raketenstationen, die für China gefährlich sein würden
Wirklich gefährlich für China wäre es, wenn es von zwei oder mehr Seiten in die Zange genommen werden könnte. Chabarowsk oder Wladiwostok im massiv unterbevölkerten (noch?!) russischen Fernen Osten liegen weniger als 1000 km von Peking und den Industriezentren Chinas entfernt. Da müsste man amerikanische Raketenstationen haben! Um die zu bekommen, bietet sich folgender Weg an:
- Schritt: Es ist eine vielfach erprobte Kunst der Angloamerikaner den Gegner bis zur Weißglut und zum ersten Schuss zu reizen, um dann vor der Welt als der Angegriffene zu posieren. Ulysses S. Grant berichtet2) in seinen Personal Memoirs von dem Eroberungskrieg der USA (1845) gegen Mexiko wie folgt:
– The occupation, .. and annexation (von Texas) where from the inception a conspiracy to acquire territory for the American union..The army went beyond (der Grenze bei) apparently in order to force Mexico to initiate war.
– Die Besetzung, … und die Annexion von Texas waren von Anfang an eine Verschwörung, um Territorium für die amerikanische Union zu erwerben …Die Armee ging offenbar über die Grenze, um Mexiko zu zwingen, einen Krieg einzuleiten.
Russland reizen, bis es Fehler macht
Russland derzeit wird so gereizt, getriezt und provoziert, bis es Fehler macht, die ein amerikanisches Eingreifen plausibel machen. Und Russland hat solche Fehler bei den Krim- und Ukraine-Aktionen zweifellos gemacht.
- Schritt: Erste Alternative: Putin lässt marschieren. USA schießt zurück; Schuld sind die Russen. Es kommt zum Krieg: USA bleibt Sieger. Zweite Alternative: Im Zweifel wird kein russischer Staatsmann auf die US-amerikanischen Provokationen mit einem Militärschlag antworten. Man weiß dort, dass Russland verlieren würde.
- Schritt: In beiden Alternativen ist Russland als Weltmacht praktisch erledigt. Die Tatsache, dass Russland angesichts der erniedrigenden Provokationen wie ein geschlagener Hund den Schwanz einzieht, wird zu einem weiteren Ansehensverlust der Russen führen. Die Staaten rund um Russland geraten noch tiefer unter amerikanische Hegemonie.
- Schritt: Die USA bieten Russland zur Gesichtswahrung an, in Gegenleistung zu Raketenstationen in Chabarowsk und Wladiwostok den Besitz des heute noch russischen Fernen Osten zu garantieren. China wäre nun von mehreren Seiten effektiv bedroht, die USA blieben aber weiter durch den Pazifik geschützt.
China müsste wohl aufhören, Expansionspolitik in Asien und Afrika zu betreiben. Für Russland wäre das auch wohl die einzige realistische Möglichkeit, im Besitz Ost-Sibiriens und des Fernen Ostens zu bleiben, denn es ist nicht anzunehmen, dass die Chinesen den ungerechten Vertrag von Aigun (1858/1860) vergessen haben.
Ergebnis
Der Schlüssel zu einem Krieg liegt in Russland, das sich in eine Sackgasse verrannt hat. Reagiert es auf die amerikanischen Provokationen wie eine Großmacht, bleibt fast nur der Krieg. Den nimmt die USA offenbar gerne billigend in Kauf. Der Krieg fände ja in Europa statt, die USA bliebe unberührt. Amerika kann also die Daumenschrauben gegen Russland immer weiter ziehen – mit oder ohne Krieg winkt ein sehr erheblicher politischer Gewinn. Und wenn bei einem Krieg z.B. Deutschland drauf ginge? So what.
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[1] Prof. Dr. iur. Menno Aden (Jahrgang 1942, Abitur 1962) hat Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn studiert (1963 bis 1967), wurde 1972 in Bonn promoviert, war in den Jahren 1971/72 Senior Research Officer am Institut für Rechtsvergleichung der Universität von Südafrika, war beruflich tätig in der Energie- und Kreditwirtschaft und von 1994 bis 1996 Präsident des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes in Schwerin, dann bis 2007 Professor an der FH für Ökonomie und Management in Essen. Verheiratet, fünf Kinder. Er hat neben seiner Lehrtätigkeit zahlreiche Schriften im Bereich Bank-, Wirtschafts- und internationales Recht verfasst, auch theologische Schriften und Bücher zu anderen Themen. Weiteres über Aden siehe hier. Seine Web-Seite hier: http://www.dresaden.de/index.html
2 Ulysses S. Grant (1822-1885). Von 1846 bis 1848 kämpfte er als Leutnant in Texas und wurde für seine Tapferkeit zweimal erwähnt. Oberbefehlshaber der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg; 1869 – 1877 Präsident der USA:
Ein Kommentar zu „Wer will Krieg? Russland oder die USA?“