Fundsache
„Darf ich daran erinnern, dass Präsident Putin derzeit gegenüber der Ukraine genau so agiert, wie Präsident Kennedy 1962 gegenüber Kuba gehandelt hat? Russland will keine Nato-Vorposten vor seiner Haustür und mobilisiert 100 000 oder mehr Soldaten an der Grenze. Die USA wollten keine russischen Raketen vor ihrer Haustür. Und machten sämtliche Streitkräfte mobil für einen atomaren Erstschlag. Ist Putins Sorge weniger legitim als damals Kennedys? Und ist Gerhard Schröder mit seiner Identifikation des Säbelrasslers der einzige Geschichtsbewusste und Klardenkende in unserem Land?“
(Dr. Horst Baumann, in: Lübecker Nachrichten vom 20. Februar 2022, Seite 15).
Ja, er darf erinnern. Es gibt Bürger, die Ereignisse nicht vergessen und sie bei passender Gelegenheit parat haben. Dieser Bürger schrieb seinen Leserbrief, bevor Putin sein Militär am 24. Februar in die Ukraine schickte. Der russische Präsident tat es, weil die Ukraine und ihre amerikanischen Büchsenspanner seine zahlreichen Warnungen in den Wind geschlagen hatten. Kennedy 1962 besaß das Glück, dass es hinreichte und genügend Eindruck machte, mit dem großen Schlag gegen die damalige Sowjetunion unter Chruschtschow an der Spitze nur zu drohen. Die Sowjets zogen ihre Kuba-Raketen zurück. Nicht so die USA mit der Ukraine gegenüber Putin in vergleichbarer Lage. Russlands geopolitischer Gegner USA wollte die Konfrontation nicht verhindern, sondern hat sie geradezu gesucht und sucht sie weiterhin. Nur sollte und durfte das Schlachtfeld nicht in den USA liegen, sondern wieder einmal nur außerhalb – hier als Stellvertreterkrieg in der Ukraine.
Das Lübecker Lokalblatt hat den Brief veröffentlicht, obwohl es im Mainstream der Putin-Gegner und der erstaunlich glühenden Ukraine-Anhänger kräftig mitschwimmt. Der Brief wird herhalten müssen als Feigenblatt für den Fall vorgezeigt zu werden, dass die Zeitung mit Zweifeln an ihrer Ausgewogenheit konfrontiert wird, weil sie sich auf der ersten Seite unter ihrem Titel mit einem „Überparteilich, Unabhängig“ brüstet.