Wie Australien seine Soldaten ehrt, die im ersten Weltkrieg den Tod fanden – An einem Tag, an dem in Deutschland die Karnevalssaison beginnt – Und wie Australien einen deutschen Seeoffizier und einstigen Feind würdigt
Das Leben ist ein Geschenk, das wir leider zurückgeben müssen. Dazu hat Heiner Geißler treffend einmal gesagt: „Von hundert Menschen sterben hundert. Der Tod ist total demokratisch. Er packt den Josef Ackermann genauso wie den Arbeiter von der Müllabfuhr.“ Aber wen der Tod gepackt hat, der kann immerhin hoffen, dass die Seinen seiner gedenken. Jetzt haben wir wieder Totensonntag. Da wird aller Toten gedacht. Er ist das evangelische Äquivalent zum katholischen Allerseelen – stets am letzten Sonntag vor dem ersten Advent. Auch Ewigkeitssonntag wird er genannt. Einen besonderen Tag gibt es zum Gedenken an die im Krieg getöteten Soldaten, den Volkstrauertag, erstmals begangen am 28. Februar 1926 für die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkrieges. In der Zeit heute gilt der Volkstrauertag den toten Soldaten beider Weltkriege. Anders als der kirchliche Totensonntag ist er gesetzlich festgelegt. Einen solchen Kriegstotengedenktag gibt es zum Beispiel auch in Australien. Dort aber ist die Teilnahme und Anteilnahme von der deutschen deutlich verschieden. Ein Deutscher, Frank Abels, hat sie vor Ort erlebt. Hier seine Schilderung:
Am 11.11. um 11 Uhr – und alle stehen still
„Nichtsahnend kauften wir am vergangenen Dienstag in der Shoppingmall ein, als plötzlich ein lautes Hornsignal erklang, und alle Leute jede Bewegung einstellten und in Habachtstellung verharrten. Alle Leute? Nein, doch nicht alle. Die Eheleute Abels packten weiter unverdrossen Waren in den Einkaufswagen, bis wir die bösen Blicke der Umstehenden bemerkten und dann auch flugs in Grundstellung gingen. So angewurzelt stehend begannen wir zu überlegen, was das denn nun wieder zu bedeuten hat. Es war heute der 11.11. und etwa 11 Uhr. Sollte auch hier „down under“ der Karneval eröffnet werden? Nein, der Anteil an Katholiken in Australien ist dafür wohl zu klein, dachten wir. Außerdem war es in keiner Weise eine Humba-Humba-Tätärä-Musik, die nach dem Hornsignal erklang, ganz im Gegenteil. Eine sehr langsame, getragene, ja schwermütige Melodie, irgendwie ähnlich dem „Ich hatte einen Kameraden“. Und das war es dann auch.
Über 64 000 Soldaten hat Australien 1914 bis 1918 in Europa verloren
Das Lied heißt „The last Post“ und wird jedes Jahr am 11.November um 11 Uhr gespielt, um der Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Würde zu gedenken, denn am 11. November 11 Uhr 1918 endete für die australischen Truppen in Europa der Krieg, nachdem über 64 000 Australier gefallen waren (noch 17 Tote am letzten Tag). Dieser Krieg ist nun einhundert Jahre her, dennoch wird jedes Jahr der
Gefallenen mit großer Anteilnahme gedacht. Die Zeitung The West Australian hatte ab der ersten Titelseite einen sechzehnseitigen Bericht über die damaligen Kriegsereignisse, heldenhafte Soldaten und kriegsbedingte Familienschicksale – nach einhundert Jahren!
In Deutschland vergessen, in Australien geehrt: der deutsche Seeoffizier Karl von Müller
In der gleichen Woche wurde im West Australian Maritime Museum eine Ausstellung über die Seeschlacht vom 9. November 1914 zwischen dem leichten Kreuzer HMAS SYDNEY und dem kleinen Kreuzer SMS EMDEN anlässlich des hundertsten Jahrestages der Schlacht eröffnet. Eine Abteilung der Ausstellung ist dem Kapitän zur See Karl von Müller gewidmet unter dem Titel „The last Gentlemen of War“. Die Enkelin des deutschen Kapitäns, Heidi Henning, wurde auf Kosten der australischen Regierung zur Eröffnungsfeier eingeladen. Die Zeitungen titelten dazu: ‚Forgotten at home, but former foes salute a gentleman of war’. Frau Henning bedauerte in einem Interview, dass ihr Großvater, der einer der erfolgreichsten Seeoffiziere des Ersten Weltkriegs war (23 Schiffe versenkt) in ihrer Heimat vergessen ist. Vor einhundert Jahren schrieb die Londoner The Times dazu: ‚We rejoice that the cruiser EMDEN has been destroyed at last, but we salute Captain von Muller as a brave and chivalrous foe.’
Man stelle sich vor ….
Dass ein großer Teil der deutschen Gesellschaft Probleme damit hat, Soldaten des zweiten Weltkriegs zu ehren (siehe Mahnmahl in Munster), ist bekannt, aber dass ehrenhafte Helden des Ersten Weltkriegs nur noch von den ehemaligen Feinden gewürdigt werden, ist schon erstaunlich.“ Soweit die Schilderung von Frank Abels.*) Australier sind also offenkundig anders. Man stelle sich vor, am Volkstrauertag würden zumindest alle Deutschen auf ein unüberhörbares Signal hin wie angewurzelt stehen bleiben, um ihre im Krieg getöteten Soldaten zu ehren. Schwer vorstellbar. Aber Volkstrauertag war schon, nun ist Totensonntag.
Zum Sterben noch dieses Zitat: „Meine Vorfreude auf ein Leben nach dem Tod ist nicht übermäßig groß. Ich bin sehr begeistert von dem Leben vor dem Tod.“ Das stammt vom deutsch-amerikanischen Finanzinvestor Nicolas Berggruen, der in Deutschland 2010 mit dem Kauf der insolventen Warenhauskette Karstadt Aufsehen fand. Und der Maler Carl Spitzweg (1808-1885) hat selbstironisch gedichtet
„Oft denk’ ich an den Tod, den herben,
und wie am End‘ ich’s ausmach?!
Ganz sanft im Schlafe möcht‘ ich sterben
und tot sein, wenn ich aufwach!“
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*) Wer ist Frank Abels? Er ist ein erfolgreicher mittelständischer Unternehmer. Er lebt jeweils ein halbes Jahr in Australien (Perth, Rockingham am Cockburn Sound) und das andere halbe Jahr in Deutschland (Munster, Lüneburger Heide), wo der Betrieb seiner Frank Abels Consulting & Technology GmbH (FAC) steht. Wer wissen will, womit sich das Unternehmen befasst, wird hier fündig: http://www.fac-gmbh.de/fac-gmbh.php Privat schreibt Abels an Freunde, Verwandte und Bekannte regelmäßig Briefe, in denen er anschaulich das Leben in Australien und die Besonderheiten dort schildert. Ich habe mit ihm abgesprochen, dass ich die für die deutsche Allgemeinheit interessanten Teile wiedergeben darf. Die Zwischenüberschriften sind von mir eingefügt. Seine bisherigen Berichte sind hier zu finden:
https://kpkrause.de/2013/12/30/chinas-riesen-getreidefarm-in-australien/
Wie sagte doch einst General de Gaulle so treffend:
„Den Charakter einer Nation erkennt man daran, wie sie ihre Soldaten nach einem verlorenen Krieg behandelt.“
Wie wahr, jedoch: Nach der durch die einstigen Kriegsgegner, hier wohl hauptsächlich die USA, erzwungenen und leider wohl auch gelungenen „Charakterwäsche“ oder auch „Re-education“ der Deutschen (Caspar von Schrenck-Notzing) nach dem WK II muß man sich nicht wundern.
Solange die Geschichte des „zweiten dreißigjährigen Krieges“ gegen Deutschland, die die Alliierten geschrieben haben, Bestand hat, bzw. von den eigenen Politikern nicht in Abrede gestellt wird, wird sich, wenn überhaupt, nur sehr wenig ändern.