Mitleid mit dem Richter

Dessen Urteil gegen Höcke aus etwas anderer Sicht

Das Verfahren um das Bekenntnis „Alles für Deutschland“ hat Wellen geschlagen, politische, mediale, juristische. Es erntete enthemmte Bravo-Rufe, entsetzte, warnende Ablehnung und kabarettistische bis sarkastische Belustigung. Jeder darf sich mit solchem Ausruf für Deutschland einsetzen, nur einer darf es nicht: Björn Höcke von der AfD. Höcke darf es nicht, weil er sich rhetorisch wirksam für eine konservative Politik einsetzt, also politisch als „rechts“ einsortiert wird, und weil seine politischen Gegner im linken, im  linksextremen, im grünen und im sozialistisch tickenden Milieu Deutschlands es mit ihren verbalen und medialen Attacken geschafft haben, dass ihn der deutsche Verfassungsschutz seit 2020 förmlich „beobachtet“ und ihn als „rechtsextremistisch“ einstuft, was hierzulande als weit schrecklicher gilt, als linksextremistisch zu sein. Was Höcke von diesem Milieu zur Last gelegt wird, hat Wikipedia – in diesem Fall als Milieu-Sprachrohr – überaus fleißig  zusammengetragen (hier).

Bekanntlich ist Höcke, der für die AfD seit 2013 deren Sprecher in  Thüringen ist und seit 2014 auch der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag vorsitzt, vom Landgericht in Halle zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt worden, weil er bei einem Wahlkampfauftritt im Mai 2021 in Merseburg seine Rede mit den Worten beendet hatte „Alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“. Das Verfahren ist eine Groteske und wohl nur in Deutschland möglich. Eine Krönung des Absurden ist, dass jener Ausruf oder Aufruf schon älteren Ursprungs ist (siehe auf dieser Blog-Seite den Beitrag „Eine juristische Posse um eine einstige SPD-Parole“ hier), damals allerdings nicht mit der Belastung „rechten“ Gedankenguts, sondern „nur“ mit „linkem“. Hierzu hat mir

Professor Dr. iur. Menno Aden

am 22. Mai folgenden Kommentar*) geschickt:

Der Staatsanwalt konnte nicht anders

„Man kann zu Höckes Ansichten verschiedener Meinung sein – das kann aber nicht Gegenstand des Strafrechts sein, sondern Gegenstand von allgemeinen, freien Wahlen. Aber: Der Staatsanwalt konnte nicht anders, als anzuklagen, denn der ist abhängig vom Generalstaatsanwalt, und dieser von seinem Minister – und die sind in Thüringen offenbar alle tiefrot.  Das kann man also zur Not noch verstehen.

Der Richter tut einem doch leid

Aber der Richter? Der tut einem doch leid! Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch, der zwei juristische Staatsexamen bestanden hat ein derartig blödsinniges Urteil fällen kann. Aber man stelle sich vor, er hätte H.  freigesprochen (was seiner Pflicht und seinem Amtseid entsprochen hätte) oder zu einer nur symbolischen Strafe von 10 Euro verurteilt.

Auch der Richter konnte nicht anders

Zunächst hätte man ihm die Fensterscheiben eingeschlagen, und seine Familie hätte sich nicht mehr auf die Straße getraut – und vor allem – seine Karriere wäre zu Ende gewesen!    Das kennen wir in unserem Alter doch aus der 1968er Zeit! Der Richter konnte also gar nicht anders als verurteilen – er müsste schon ein Muster an Mut oder Selbstverleugnung sein.

Eigentlich recht geschickt, die Geldstrafe

Daher ist die Geldstrafe eigentlich recht geschickt, juristisch fast genial.  Das Geld kann H.  Doch leicht durch Spenden aufbringen (ich stifte gerne etwas). Diese Strafe tut H. also überhaupt nicht weh – und macht ihn dennoch zum Symbol einer Sache, für die er standhaft eintritt. Etwas Besseres als diese Strafe konnte H. eigentlich gar nicht treffen.

Spannend wird die Revision mit den weiteren Instanzen

Nun ist Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt worden. Da wird es wirklich spannend werden. Wenn dieser auch verurteilt, dann können wir eigentlich unseren Rechtsstaat, der bereits ziemlich wackelt, adieu sagen.  Danach geht die Sache höchstwahrscheinlich zum BVerfG und dann zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – also wird der AfD noch auf Jahre hin ein kostenloses Podium gegeben. Wenn man sich diesen Verlauf im Einzelnen vorstellt und sich die Möglichkeiten ausmalt, welche Höcke und die AfD aus diesem „Rechtsfall“ schöpfen können, müssten man fast den Verdacht haben, der Richter sei ein Anhänger dieser  schrecklichen alternativen Partei.

Ich habe ein Buch über den Staatssekretär im NS-Reichsjustizministerium Franz Schlegelberger geschrieben. Es ist eigentlich entsetzlich, wie sich die Dinge wiederholen!“

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*) Die Zwischenüberschriften sind von mir eingefügt.

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