Eine juristische Posse um eine einstige SPD-Parole

F u n d s a c h e

„Ich würde die Wette halten, dass keiner der Richter, die Björn Höcke heute verurteilt haben – und noch weniger einer der Journalisten, die nun altklug hetzen, vor einem Jahr gewusst hatten, dass der Spruch ‚Alles für Deutschland‘ ernsthaft irgendwie Nazi-kontaminiert sein soll! Das Ganze ist eine politisch-mediale Farce kurz vor der Landtagswahl in Thüringen, wenn der Spruch noch nicht einmal in einem Standardwerk zur SA aufgeführt ist, obwohl er doch ‚eine zentrale SA-Parole‘ gewesen sein soll. Wurde damals 2006 ein Franz Beckenbauer verurteilt, als er dasselbe sagte? Oder 2018 eine Dorothee Bär (CSU)? Oder noch 2023 Spiegel-Redakteure? Oder 2002 Gerhard Schröder (SPD)? Das Ganze ist fast so absurd wie die soziale Entrechtung und Ächtung von Eva Herman, als diese 2007 bei Kerner das ‚Nazi-Wort‘ ‚Autobahn‘ sagte…“

Peter Boehringer (AfD) am 16. Mai 2024 zum Urteil des Landgerichts in Halle gegen Björn Höcke (AfD), der vor drei Jahren bei einem Wahlkampfauftritt im Mai 2021 in Merseburg seine Rede mit den Worten beendet hatte „Alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“.

Vor Gericht berichtete Höcke, wie es dazu kam, dass er seine Rede so abschloss. Er habe auf dem Weg das Wahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt gelesen, dessen Losung „Alles für unsere Heimat“ gewesen sei. Und da er Reden gern mit einem rhetorischen Gleichklang beende, habe er „Alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ angefügt. Dass „Alles für Deutschland“ auch von der SA benutzt worden sei, habe er nicht gewusst. (FAZ vom 24. April 2024, Seite 4).

Damals eine SPD-Parole – heute strafbar

Höcke hat offenkundig auch nicht gewusst, was Manfred Rouhs, Vorsitzender des Vereins Signal für Deutschland e.V., wusste und in einer E-Mail am 16. Mai zum Urteil anmerkend preisgab: „Die SPD der 1920er Jahre sah sich dem Verdacht ausgesetzt, eine Bande „vaterlandsloser Gesellen“ zu sein. Dem stellte sich nicht nur, aber auch das 1924 in Magdeburg gegründete ‚Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold‘ entgegen, die erfolgreichste sozialdemokratisch geprägte Massenorganisation der Weimarer Republik mit zeitweise bis zu drei Millionen Mitgliedern. Das SPD-‚Reichsbanner‘ trat an unter einer ganz bestimmten Losung. Wie die lautete, erläuterte nach verbandsinternen Veränderungen in einem offenen Brief an den Bundesvorstand der Organisation der SPD-Politiker Otto Hörsing, der gleichzeitig Gründer und langjähriger Bundesvorsitzender des ‚Reichsbanners‘ war: ‚Diese innerorganisatorische Maßnahme bedeutet keine Veränderung in der Zielsetzung unseres Bundes. Es bleibt bei unserer alten Parole: Nichts für uns – alles für Deutschland!

Mehr dazu erläutert Rouhs hier, darunter, dass die SA die Parole abgekupfert hat und auf ihre Dolche gravieren ließ. Das „Reichsbanner“ existiere bis heute als eingetragener Verein (hier). In ihm seien vor allem konservative Sozialdemokraten organisiert. Die Organisation habe gute Kontakte zur Bundeswehr. Eine Distanzierung des heute bestehenden Vereins von den historischen Losungen des ‚Reichsbanners‘ sei bislang nicht bekannt geworden.

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