Ja, es kann. Aber nein, es darf nicht und sollte nicht dürfen. Allein schon dieser Gedanke ist abenteuerlich genug und hochgefährlich – Ein rätselhafter FAZ-Artikel und ein Nachsinnen über dessen Beweggrund – Daran anknüpfend ein Beitrag von Prof. Dr. iur. Menno Aden zum Verlangen nach deutscher Aufrüstung, das er zur Abschreckung für ungeeignet und im Kriegsfall für nutzlos hält
Diese Überschrift in der FAZ ließ aufmerken: „Deutschlands Weg zur Bombe – Wäre es technisch möglich, hierzulande Kernwaffen zu bauen?“ Es ist ein Artikel ihres Wissenschaftsredakteurs und diplomierten Physikers Manfred Lindinger (Jahrgang 1962) in der Ausgabe vom 30. April,*) der mit folgenden Sätzen beginnt: „Wäre Deutschland in der Lage, Kernwaffen in ausreichender Zahl zu entwickeln, um einen potentiellen Angreifer abzuschrecken? Was lange ein Tabu war, wird seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der wiederholten nuklearen Drohung Moskaus an die NATO hierzulande offen diskutiert. Auch eine EU-Atombombe wird gefordert. Politisch gäbe es da viele hohe Hürden, nicht zuletzt die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. Aber wie sieht es rein technisch betrachtet aus?“
Der Ukraine-Krieg krempelt alles um
Aus der friedlichen Nutzung der Kernkraft zum Erzeugen von elektrischem Strom ist Deutschland 2011 fatalerweise ausgestiegen, und die nun leider schon lange im politischen Mainstream mitschwimmende FAZ hat den Ausstieg ohne flammenden Protest begleitet und muss sich qui tacet consentire videtur vorhalten lassen. Nun macht sie sich vorauseilende Gedanken darüber, ob Deutschland eine Atombombe bauen könnte. Anlass ist der Krieg in der Ukraine, der in Wahrheit als Stellvertreter-Krieg der USA (auch Großbritanniens und der Nato) dort gegen Russland geführt wird, um diese geopolitisch konkurrierende Großmacht auszuschalten oder mindestens entscheidend zu schwächen. Zu den Kriegstreibern hat sich von Beginn an auch die FAZ gesellt und ihr Blatt mit kriegerischen Tönen durchtränkt. Friedliche Kernkraft-Nutzung nein, zerstörende Nutzung ja. Das verstehe, wer will. Der Ukraine-Krieg krempelt alles um, alles Ethos, alle Moral, allen Verstand.
Nachsinnen über den Beweggrund
Was mag die FAZ zu diesem Artikel veranlasst haben? Erstens: Ich weiß es nicht. Zweitens: Ich muss raten. Also: Dass Deutschland, wenn auch mit Hürden, technisch in der Lage wäre, die Bombe zu bauen, dürfte außer Zweifel stehen. Einen Zweifel auszuräumen, der offenkundig gar nicht besteht, macht keinen Sinn, kommt folglich als Motiv nicht infrage. Was dann? L’art pour l’art sicher ebenfalls nicht. Angebertum: Schaut her, was wir alles immer noch können? Natürlich nur rein technisch können – ähnlich gleichsam einer Gebrauchsanleitung: Wie baue ich eine Atombombe? Oder vielleicht als Test für die FAZ-Leser, ob diese die technische Aufklärung als vorbereitenden Einstieg in die zerstörerische Kernkraft wahrnehmen, während sie den Ausstieg aus der friedlich genutzten Kernkraft gefälligst gutheißen sollen? Mal schauen, was die Redaktion dazu an Leserbriefen veröffentlicht.
Putin vor Schreck erbleichen lassen?
Gibt die Phantasie sonst noch etwas her als mögliches Motiv der FAZ? Doch nicht etwa die Einstimmung ihres Publikums auf die nächste Verschärfung gegen Russland im Ukraine-Krieg, um es für die Durchhalteparolen empfänglich genug zu halten? Oder gar Putin vor Schreck erbleichen zu lassen, wenn er liest, dass Deutschland die Bombe bauen kann? Liefert nicht der menschliche Erfahrungsschatz die Erkenntnis „Was die Menschheit tun kann, das macht sie dann auch irgendwann“? Aber vielleicht steckt hinter dem Artikel ein völlig anderes Motiv, das sich schlichter Phantasie, also meiner, nicht, sondern nur tiefgründigen Denkern erschließt. Irgendwann werden wir es erfahren.
Deutschland kann, aber es darf nicht, sollte auch nicht dürfen
Ob Deutschland technisch in der Lage wäre, Atombomben zu bauen, ist eine rhetorische Frage. Natürlich würde es Deutschland technisch schaffen, diese Bombe aller Bomben „in ausreichender Zahl“ zu bauen – und natürlich nur zu Abschreckung möglicher Angreifer, was derzeit – natürlich – nur gegen Russland zielt. Kurzum: Deutschland kann, aber es darf nicht. Sollte auch nicht dürfen. Allein schon dieser Gedanke ist abenteuerlich genug und hochgefährlich. Daran anknüpfend hat sich der Jurist Prof. Dr. iur. Menno Aden**) weitere Gedanken gemacht. Ich gebe seine Überlegungen hier im Wortlaut wieder. Die Überschrift und Zwischenüberschriften stammen von mir.
Das Verlangen nach deutscher Aufrüstung
Gespenstisch und nutzlos – Andere Verteidigungsansätze entwickeln – Kämpfe unter konventionellen Bedingungen vermeiden – Infrastrukturelle Vorbereitungen treffen – In Deutschland eine neue militärische Macht aufbauen? Militärisch unsinnig, politisch unverantwortlich
Von Prof. Dr. iur. Menno Aden
„Liebe Landsleute! Die FAZ vom 30. April 2024 sinniert darüber, wie eine deutsche Atombombe zu bauen wäre. Sind wir alle verrückt geworden? Der folgende Beitrag legt dar, dass schon die allseits geforderte konventionelle Aufrüstung Deutschlands aus rein militär-strategischen Gründen Unsinn ist und den deutschen Interessen widerspricht. Ich stelle den Text wie gewohnt zur Diskussion.
Der neue Veteranentag: eine peinliche Posse
In diesen Tagen ist der im Februar 2022 begonnene Russisch-Ukrainische Krieg unter enormen Verlusten an Menschen und Material auf beiden Seiten in das 3. Kriegsjahr getreten. Für uns Deutsche hat dieser Krieg einen Gesinnungswandel erzeugt, von welchem man noch nicht weiß, wohin er sich richten wird. Unser staatliches Fernsehen spricht – wenn auch sozusagen nur mit der ganz feingespitzten Zunge – sogar Worte wie Patriotismus oder deutsche nationale Interessen aus. Die vaterländisch gesinnten Kreise bleiben zwar von der politischen Bühne verdrängt, sind aber nicht mehr ganz so verpönt, wie vor diesem Krieg. Die Einführung eines Veteranentages – wie fast alles was wir heutzutage tun nach dem Muster der USA – ist freilich eine peinliche Posse: Zum Volkstrauertag trauen wir uns nicht zu erwähnen, dass Millionen deutscher Männer für ihr und unser Vaterland gefallen sind, aber nun sollen plötzlich die Männer geehrt werden, die angeblich unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt haben. Es ist ein militärischer Geist in unsere Medien eingezogen, und der nimmt noch zu.
Sind wir denn verrückt geworden?
Wer sich freilich einen klaren Kopf bewahrt hat, kann diesen nur schütteln: Sind wir denn plötzlich alle verrückt geworden? In der FAZ vom 30. April wird erwogen, ob Deutschland eine Atombombe bauen könnte. Natürlich können wir das! Wir haben die Kernspaltung entdeckt, und wir haben die Grundlagen für alles, was zum Bau einer Atom- oder Wasserstoffbombe erforderlich ist, wissenschaftlich erarbeitet. Aber es ist doch selbstmörderisch, öffentlich darüber zu sinnieren, ob und unter welchen Voraussetzungen wir Deutschen Atombomben bauen und erproben könnten.
Aufrüstung der Bundeswehr: Gespenstisch und nutzlos
Die ganze Diskussion um die machtvolle Aufrüstung der deutschen Bundeswehr ist gespenstisch. Diese Diskussion ist vor allem äußerst dumm. Die Aufrüstung der Bundeswehr kostet ein Heidengeld, das wir gar nicht haben, und sie würde im Kriegsfall überhaupt nichts nützen und ist darum auch nicht zu Abschreckung geeignet. Es stellt sich die Frage, ob wir mit diesem ganzen Kriegsgeschrei nicht die Lieder des 20. Jahrhunderts singen, als man mit der Operation Sichelschnitt***) Frankreich in 14 Tagen erledigen konnte.
Deutschlands stark eingeschränkte Souveränität
Politisch ist festzustellen: Deutschland ist in seiner Souveränität stark eingeschränkt. Ohne oder gar gegen den NATO-Oberbefehlshaber (das ist bekanntlich immer und ausschließlich ein Amerikaner!) dürfen wir keine einzige Patrone verschießen. In einem Krieg der USA bzw. der von ihr beherrschten NATO mit Russland würden wir überhaupt keine deutschen Interessen verteidigen bzw. vertreten dürfen.
Andere Verteidigungsansätze entwickeln
- Militärisch:****) Unsere Anführer sind offenbar nicht in der Lage, den strategischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Für die meisten Europäer macht es gar keinen Sinn, konventionelle Streitkräfte aufzubauen und zu unterhalten. Hauptgrund ist die unmittelbare Nähe Russlands zu uns. Vor allem wirkt sich in einem konventionellen Krieg der Mangel an natürlichen Hindernissen auf westeuropäischem Gebiet aus, wo keine großräumigen strategischen Operationen zur Entwicklung der Heere in Betracht kommen. Das war offenbar einer der Hauptgründe für den deutschen Präventivkrieg gegen die UdSSR 1941. Wir müssten daher Verteidigungsansätze entwickeln, die an die einzigartigen historischen, kulturellen, geografischen und anderen Merkmale des möglichen Kriegstheaters angepasst sind. Vereinfacht: Der Krieg müsste am Kölner Dom vorbeigeführt werden – denn, wenn es noch deutsche Interessen gibt, dann die, dass ein Bomben-Furioso, wie von Churchill & Co in den letzten Wochen des 2. Weltkrieges zelebriert, vermieden wird.
Kämpfe unter konventionellen Bedingungen vermeiden
- Keine Kriegführung, die der Gegner schon kennt und auf die er vorbereitet ist! Der Schwache kann nur erfolgreich sein kann, wenn er mit anderen Mittel kämpft als sein stärkerer Feind. Die europäischen Länder können in einem Krieg mit Russland daher nur dann auf Erfolg hoffen, wenn ihre Kriegsstrategie darauf abzielt, in Russland vielfältige chaotische Lagen zu schaffen. Das war die erfolgreiche Strategie der spanischen Guerillas gegen Napoleon 1810, während Preußen etwas naiv nach „Lehrbuch“ in Jena zur Schlacht antrat – und verlor. Wir müssen Ansätze entwickeln, die Kämpfe unter konventionellen Bedingungen um jeden Preis vermeiden und gezielt darauf ausgelegt sind, eine Asymmetrie mit den konventionellen Formationen der Russen sicherzustellen.
Infrastrukturelle Vorbereitungen treffen
III. Moderne Konflikte werden nicht auf Schlachtfeldern abseits der Zivilbevölkerung ausgetragen, sondern dort, wo die Zivilbevölkerung am meisten leidet. Durch eine entsprechende infrastrukturelle Vorbereitung dicht besiedelter Gebiete könnten die Fähigkeiten der konventionellen Aufklärungs-, Ziel- und Waffensysteme des Gegners erheblich beeinträchtigt oder sogar neutralisiert werden. Eine Vorbereitung sollte es ermöglichen, städtische Gebiete im Falle eines Konflikts in Festungen umzuwandeln, mit unterirdischen Zugangswegen zu potenziellen Zielen, vorab festgelegten Fluchtwegen, vorpositionierten Waffenlagern, getarnten Feldlazaretten, einem Plan zur schnellen Verminung wichtiger Gebiete usw. Das alles kostet nicht nur sehr viel Geld, sondern stürzt unsre deutsche Lebenswelt völlig um – und gegen Atombomben sind wir so oder so verloren.
In Deutschland eine neue militärische Macht aufbauen? Militärisch unsinnig, politisch unverantwortlich
- Ergebnis: Es ist militärisch unsinnig und daher politisch unverantwortlich, in Deutschland eine neue militärische Macht aufzubauen. Gerade wir Deutschen sind auf eine ein gut nachbarschaftliches Verhältnis mit den Russen angewiesen. Die jetzige zum Teil von fremden Interessen gesteuerte deutsche Russland- und Außenpolitik gefährdet uns und wird uns dauerhaft schaden. Heute, nach dem 79. Todestag von A. Hitler, ist daran zu erinnern, dass auch irdische Götter wie Napoleon, Hitler, Stalin oder Putin endlich sind, und dass sich nach deren Ende die Dinge oft sehr schnell anders darstellten als zuvor.
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*) FAZ vom 30. April 2024, Seite 8. Online in FAZ.Net hier.
**) Prof. Dr. iur. Menno Aden (Jahrgang 1942, Abitur 1962) hat Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn studiert (1963 bis 1967), wurde 1972 in Bonn promoviert, war in den Jahren 1971/72 Senior Research Officer am Institut für Rechtsvergleichung der Universität von Südafrika, war beruflich tätig in der Energie- und Kreditwirtschaft und von 1994 bis 1996 Präsident des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes in Schwerin, dann bis 2007 Professor an der FH für Ökonomie und Management in Essen. Verheiratet, fünf Kinder. Er hat neben seiner Lehrtätigkeit zahlreiche Schriften im Bereich Bank-, Wirtschafts- und internationales Recht verfasst, auch theologische Schriften und Bücher zu anderen Themen. Aus dem „Klappentext“ seines Buches: „Etliche berufliche Einsätze in aller Welt führten ihn immer wieder zu der Frage, wie es den Vereinigen Staaten von Amerika gelingen konnte, über viele Kriege hinweg zur imperialen Macht aufzusteigen, anderen Nationen – wie zum Beispiel Deutschland – aber den Ruf eines „Störenfrieds der Weltordnung“ anzuhängen.“ Weiteres über Aden siehe hier. Seine Web-Seite hier: http://www.dresaden.de/index.html
***) Wikipedia: Sichelschnittplan (engl. sickle cut) ist die von Winston Churchill geprägte Bezeichnung für den Angriffsplan der deutschen Wehrmacht im Frankreichfeldzug des Frühjahrs 1940. Der Plan war maßgeblich von General Erich von Manstein entworfen worden und führte zur Einkesselung der alliierten Truppen in Flandern, zur unerwartet raschen Niederlage Frankreichs und zur Entstehung der Blitzkrieg-Legende.
****) z.T. nach: Dr. Sandor Fabian „Irregular Warfare: The Future Military Strategy for Small States“.