Aufgeschnappt

„Früher mussten die Leute zwischen den Zeilen lesen. Heute müssen Journalisten lernen, zwischen den Zeilen zu schreiben.“

Das ist der feine Unterschied zwischen Diktaturen von Stalin über Hitler, Mao bis Ulbricht et alteri und der Mainstream-Diktatur der political-correctness-Zensur von heute. Ein Freund schickte gerade den Link zu einem Kommentar und merkte dazu an: „Müssen Springer-Journalisten jetzt nicht mehr zwischen den Zeilen schreiben?“ Offensichtlich nicht. Es handelt sich nämlich um einen Kommentar von Filipp Piatov in der Bild-Zeitung vom 5. August 2021, und die Frage des Freundes ist eine rhetorische Frage. Denn „zwischen“ den Zeilen ist in ihm kein bisschen geschrieben, sondern jede Zeile liefert Klartext, wie es journalistisch zu sein hat.

„Diese Corona-Politik ist falsch und hat mit der Realität nichts mehr zu tun“

Überschrieben ist der Kommentar mit „Diese Corona-Politik ist falsch – Die Corona-Politik der Bundesregierung hat mit der Realität nichts mehr zu tun.“ Im Text darunter ist zu lesen: „Seit anderthalb Jahren erzählt uns die Regierung, dass ihre Maßnahmen wirken und Lockerungen gefährlich sind. Beides ist falsch.“ Abschließend schreibt Filipp Piatov*) , nahezu alles, „womit uns die Regierung Angst macht“, sei von der Realität komplett widerlegt. Dass sie einfach so weitermache, schade Deutschland. Sein ganzer, aber sehr kurzer Kommentar hier.

Die meisten Aktien am Springer-Medienkonzern hält der amerikanische Finanzinvestor KKR 

Mit diesem Kommentar hebt sich die Bild-Zeitung abermals vom Mainstream deutlich ab. Ein anderes  Beispiel ist das vom 2. August (hier). Es könnte damit zu tun haben, dass sich die meisten Aktien des Springer-Medienkonzerns seit 2020 in Händen der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) befinden. KKR hält 47,6 Prozent, Friede Springer 22,5 Prozent (Stimmrechte übertragen an Matthias Döpfner), Matthias Döpfner 21,9 Prozent und Axel Sven Springer 5 Prozent.

Mal sehen, ob der Klartext-Journalismus von Bild als gutartiges Virus allmählich auf andere Blätter überspringt.
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*)  Filipp Piatov ist 1991 in Leningrad geboren. 1992 siedelten Piatovs Eltern nach Deutschland als jüdische Kontingentsflüchtlinge über. Nach dem Abitur lebte Piatov  ein Jahr in Tel Aviv. Anschließend studierte er von 2011 bis 2015 in Frankfurt Wirtschaftswissenschaften. Er schrieb Essays und Kolumnen für Die Achse des Guten (hier) und Die Welt. Außerdem war er für ein Start Up tätig.2017 wurde Piatov Redakteur im Politik-Ressort der Bild-Zeitung. 2020 wurde er dort Verantwortlicher für „Debatte und Meinung“. (Quelle: Wikipedia  hier).  „Filipp Piatov ist einer, der viel zweifelt und hinterfragt. Einer mit einer bunten Herkunft: Er ist Jude, Russe, Deutscher, Digital Native. In seinem Buch »Russland meschugge« setzt er sich mit seiner Familiengeschichte auseinander und bereist Russland mit der Transsibirischen Eisenbahn. Jetzt lebt er in Berlin und fühlt sich noch immer »zwischen den Welten.“ (Quelle: Körber-Stiftung hier).

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