Bizarres um Corona

Wie das 2G-Beil ungeimpfte Abgeordnete trifft – Die verschärfte Anordnung des Berliner Senats kurz vor der Kanzlerwahl –  Eine gescheiterte Verfassungsbeschwerde samt beantragter Eilanordnung

Zu den Corona-Skurrilitäten gehört auch dieser Fall: Der Berliner Senat hatte seine Corona-Verordnung geändert und für Hotelübernachtungen in Berlin anstelle der 3G-Regelung 2G vorgeschrieben. Das war wenige Tage vor der Bundestagssitzung geschehen, in der Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler gewählt werden sollte. Es gibt aber Bundestagsabgeordnete (MdB), die zu Sitzungen des Bundestages von weiter her anreisen und nicht nach einer Sitzung am gleichen Tag nach Hause zurückfahren können, sondern im Hotel übernachten müssen. Elf davon betroffene Abgeordnete hatten, weil nach eigenen Angaben ungeimpft, gegen die auch für MdB geltende 2G-Anordnung am 3. Dezember Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Statt auf dem Instanzenweg ans Verfassungsgericht direkt

Kanzler-Wahltag war der 8. Dezember. Wegen der Eilbedürftigkeit beschritten die elf nicht den an sich vorgesehenen Instanzenweg, weil „hier nicht mehr zumutbar und daher verwehrt“. Warum sie nicht erst das Verwaltungsgericht und, falls notwendig, danach das Oberverwaltungsgericht bemühten, haben sie ausführlich begründet und sind zu dem Schluss gekommen,  sonst „aus Zeitgründen im Ergebnis rechtsschutzlos“ zu bleiben. Dies müssten sie „nach ihrem  Wählerauftrag vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung des Art. 38 GG für die zutreffende Abbildung der Stimmergebnisse im Bundestag nicht hinnehmen“. Daher wandten sie sich gleich an das Bundesverfassungsgericht direkt,  erhoben Verfassungsbeschwerde und begehrten zugleich eine einstweilige Anordnung, die betreffende Vorschrift bis zur Entscheidung der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.

Heimat fern, daher Hotel-Übernachtung nötig, aber wegen 2G (weil ungeimpft) verboten

Der bschwerdeführende Abgeordnete war bis zu seinem Ruhestand Richter am Oberlandesgericht und ist erstmals in den Bundestag gewählt worden. Die anderen zehn MdB hatten ihn ermächtigt, die Beschwerde auch in ihrem Namen zu vertreten. In der Beschwerdeschrift schreiben sie, sie möchten an dieser Plenarsitzung und Kanzlerwahl teilnehmen. Außerdem seien sie zur Teilnahme auch verpflichtet, denn sowohl ein unentschuldigtes als auch ein entschuldigtes Fernbleiben an Plenarsitzungen führe unweigerlich zu Sanktionen in Form von Bußgeldern. Für diese Teilnahme seien sie jedoch auf eine Übernachtungsmöglichkeit vor Ort angewiesen, was sie des Näheren begründeten. Das gelte ebenso für die am Freitag (10.12.)  nachfolgende wichtige Fraktionssitzung, weil dort die Mitgliedschaft der MdB in den Ausschüssen festgelegt werde.

Rechtsschutz begehrt wegen „unverhältnismäßigen Eingriffs“ in das Mandat

Den Ausschluss von diesen beiden Sitzungen durch die 2G-Anordnung sehen die elf Abgeordneten „als einen unverhältnismäßigen Eingriff des Verordnungsgebers in ihr grundrechtlich geschütztes Mandat an“. Daher begehrten sie vom Bundesverfassungsgericht Rechtsschutz. Dem Berliner Senat werfen sie vor, er habe „die Problematik der Antragsteller nicht gesehen“ und eine für Abgeordnete mögliche Ausnahmeregelung nicht vorgesehen. Die jedoch könne er im Anschluss an dieses Verfahren jederzeit nachholen. Den ganzen Wortlaut der Beschwerdeschrift finden Sie hier.

Kühle Ablehnung durch das Bundesverfassungsgericht

Am 7. Dezember lag die kühle Antwort des Bundesverfassungsgerichts vor. Es hat die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, sie sei unzulässig. Sie genüge den Anforderungen an die Begründung nicht. Die Abgeordneten hätten sich zunächst an die zuständigen Fachgerichte wenden müssen und nicht hinreichend vorgetragen, warum sie Rechtsschutz vor den beiden Verwaltungsgerichten nicht rechtzeitig hätten erlangen können. Auch hätten sie nicht hinreichend begründet, warum ihre Mandatsausübung im Reichstag verletzt sei und sie einen schweren und unabwendbaren Nachteil hätten. Sie hätten zum Teil auch nicht angegeben, wo sich ihr Wohnsitz befinde und welcher Zeitaufwand erforderlich sein würde, um bei einer Anreise von dort an den Bundestagssitzungen teilnehmen zu können. Zwar dürfe niemand daran gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten auszuüben. Hier aber – und dann folgt eine arg gedrechselte Formulierung – gehe es um „eine Regelung, die in eine andere Richtung zielt und nur unvermeidlicherweise die tatsächliche Folge oder Wirkung einer Beeinträchtigung der Freiheit der Mandatsübernahme und -ausübung hat“.

Warum statt in Berlin mit seinen 2G nicht im nahen Potsdam mit 3G nächtigen?

Außerdem verweist das Gericht auf das an Berlin angrenzende, benachbarte Brandenburg. Dort gebe es für Geschäfts- und Dienstreisende eine Ausnahme von der 2G-Regel. Dabei mag das Gericht besonders an Potsdam mit seinen vielen Hotels gedacht haben. Im geschraubten Richter-Deutsch klingt das so: „Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern keine Möglichkeiten zur Verfügung standen, den geltend gemachten Nachteil auf zumutbare Weise abzuwenden.“  Oder in klarem Deutsch: Die elf Abgeordneten hätten doch in Potsdam übernachten können. (Beschluss vom 6. Dezember 2021, Aktenzeichen 2 BvR 2164/21, Wortlaut hier).

Honi soit qui mal y pense

Alle elf sind Abgeordnete der AfD. Honi soit qui mal y pense. Der Beschwerdeführer ist Gereon Bollmann, ehemals Richter am Oberlandesgericht Schleswig.  Folgende seiner Fraktionskollegen haben die Verfassungsbeschwerde mitgetragen: Carolin Bachmann, Dr. Christina Baum, Marc Bernhard, René Bochmann, Thomas Dietz, Johannes Huber, Jörn König, Jürgen Pohl, Stephan Protschka, Prof. Dr. Harald Weyel. Zehn von ihnen haben an der Kanzlerwahlsitzung teilgenommen, einer fehlte entschuldigt: der Abgeordnete Jürgen Pohl (siehe hier). Das Bizarre oder Skurrile an dem Fall ist aber nicht das Urteil, sondern diese Folgen der Corona-Panikmache.

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