Hungary first

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und seine jüngste Rede zur Lage der Nation – Die Selbstachtung einer Nation als Schlüssel für Erfolg – „Zeigen wir, dass wir die Ungarn sind“ – Was Ungarn in zehn Jahren geleistet hat – „Wer uns über Demokratie belehren will …“ – Die Rechte der Menschen, die das Gesetz achten – Fähig, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden und zu entscheiden – „Statt Migranten wird es eigene ungarische Kinder geben“ – Die ausgelaugte Brüsseler Elite – Westler, die nicht wissen, „dass der Sozialismus die Nationen kaputtmacht“ – Orbán als ungewohnter Klimaschützer – Das Vorhaben, für jedes neugeborenen Kind zehn Bäume zu pflanzen – Orbán und die „Liberalen“ – Was für Orbán populistisch ist

Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsident, genießt das Wohlwollen der Mainstream-Medien bekanntlich nicht. Schlimmer noch. Sie lehnen ihn ab, mögen ihn nicht. Mainstream-Politiker verhalten sich ebenso. Denn was die alle an political correctness zu bieten pflegen, ist Orbáns Ding nicht. Er verstößt gegen sie mit erfrischender Klarheit und Beharrlichkeit. So auch jetzt wieder in seiner Rede zur Lage der Nation. Es ist eine Rede voller Patriotismus, eine Rede des „Hungary first“. Das Wohlergehen Ungarns hat in Orbáns Politik Vorrang vor allem anderen. Er hebt es in seiner Rede ausdrücklich hervor. Es ist eine Rede der schlichten Worte, die frei ist von der glatt gebügelten üblichen Sprache politischer Mittelmäßigkeit, frei von dem „Polit-Sprech“, das angstvoll nirgends anecken will. Es ist eine Rede, die hervorhebt, wie notwendig nationale Selbstachtung ist, wenn ein Land wie Ungarn wieder hochkommen, politisch bestehen und weiter vorankommen will.

Die Selbstachtung einer Nation als Schlüssel für Erfolg

Zur Selbstachtung sagte Orbán: „Im Laufe der Jahrzehnte, die ich in der Politik verbracht habe, konnte ich beobachten, wie jede Erfolgsgeschichte, wie die Erfolgsgeschichte jeder aufsteigenden Nation mit der Stärkung der Selbstachtung beginnt. Denken Sie an die beiden letzten westlichen Beispiele, an das Amerika von Trump und den Erfolg von Boris Johnson. Ich habe auch beobachtet, dass die persönliche Selbstachtung der Bürger der in Probleme geratenen Länder nur gemeinsam mit jener ihrer Nation zurückkehren kann. Der Schlüssel für den Aufstieg ist also die Wiederherstellung der nationalen Selbstachtung. Deshalb haben wir 2010 das Ziel gesetzt, uns selbst und natürlich auch der Welt zu beweisen, dass wir noch immer jemand sind.“

„Zeigen wir, dass wir die Ungarn sind“

Und weiter: „Wir sind nicht jenes, mit seinem Hut nervös in der Hand spielende, um Kredite des IWF und EU-Gelder bettelnde, Hilfe von anderen erwartende Volk, als das wir gerade erschienen. Das Programm war einfach: Zeigen wir, wer wir wirklich sind. Zeigen wir, dass wir die Ungarn sind. Mit einer tausendjährigen christlichen Staatlichkeit, großartigen kulturellen Leistungen, dutzenden von Nobelpreisen, 177 olympischen Goldmedaillen, einer wunderschönen Hauptstadt, fantastischen technischen und Informatikfachleuten, und dem mit genialem Wirtsinstinkt ausgestatteten ländlichen Ungarn. Wir waren der Ansicht, entweder finden wir einen Weg oder wir bauen einen. Und da die durch Brüssel und Washington markierten Wege für uns nicht gangbar waren, waren wir gezwungen, einen neuen zu bauen.“

Was Ungarn in zehn Jahren geleistet hat

Das in den zurückliegenden zehn Jahren von Ungarn Geleistete kann sich nach Orbáns Darstellung sehen lassen: „Den IWF haben wir heimgeschickt, die Kredite haben wir vorzeitig zurückgezahlt, wir haben 850 000 Arbeitsplätze geschaffen, haben das Schmarotzertum liquidiert, haben unsere Finanzen in Ordnung gebracht, haben den Arbeitenden den Respekt und die Achtung gegeben, die Familien erhielten die Anerkennung, die Großfamilien erhielten große Anerkennung, wir haben mit der Vereinigung der Nation begonnen, und wir haben die gezwungenermaßen jenseits der Grenzen lebenden ungarischen Gemeinschaften mit dem Mutterland verbunden. Und in den diese Woche veröffentlichten Brüsseler Wirtschaftsberichten kann ganz Europa lesen, dass anscheinend 2019 die ungarische Wirtschaft am schnellsten auf dem Kontinent gewachsen ist.“

„Wer uns über Demokratie belehren will …“

Diese zehn Jahre hätten die Ungarn und ihre Regierung „im wahrsten Sinne des Wortes gemeinsam durchgemacht“. Mit acht Nationalen Konsultationen habe man gemeinsam über die wichtigsten Dinge entschieden: „Wir haben gemeinsam über die Verfassung, die Senkung der Nebenkosten, die sozialen Fragen, die Bankensteuer, die Unterstützung der Familien und auch die Zurückweisung des Soros-Plans entschieden. Wer uns über Demokratie belehren will, der soll zuerst etwas auch nur annähernd Ähnliches vorweisen wie unsere Nationale Konsultation.“

Die Rechte der Menschen, die das Gesetz achten

George Soros habe dreimal versucht, Ungarn zu plündern, und versuche es noch immer. Jetzt werde eine weitere solche Konsultation vorbereitet: In Europa sei die Situation entstanden, dass für die Entscheidungsträger die Rechte der gewalttätigen Kriminellen wichtiger geworden seien als die Rechte der Menschen, die das Gesetz achteten. Sie machten die Wahrheit, die Lebensinstinkte der ehrlichen Leute zum Gespött und verteidigten an Stelle der Opfer die Täter. Diese gefährliche Erscheinung habe auch Ungarn erreicht.

Fähig, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden und zu entscheiden

Seit zehn Jahren, so Orbán weiter, laufe die Debatte darüber, wie Ungarns Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell bewertet werden solle: „Man nennt es illiberal, postliberal, christlich-demokratisch, man bezeichnet es als eine Demokratur, ein autoritäres und hybrides System, und nur der Himmel weiß als was alles noch. Es ist auch gar kein Wunder, dass sie ihre liebe Not haben, denn so eine Schöpfung wie unser Staatssystem gibt es nirgendwo anders in Europa. Vielleicht nur in Polen. Sie wollen nicht akzeptieren, dass wir in dieser Region der Welt auch ohne liberales Räsonieren in der Lage sind, unsere Freiheit aus den einfachen christlichen Gesetzen abzuleiten. Wir haben die Fähigkeit erhalten, zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden und zu entscheiden.“

„Statt Migranten wird es eigene ungarische Kinder geben“

Mit der Brüsseler und der Washingtoner Denkweise könne man nicht verstehen, dass es im östlichen Grenzbereich der EU einen heruntergekommenen und auf die Knie gezwungenen Staat gebe, der nur etwa 2 Prozent der gesamten Europäischen Union ausmache, aber trotzdem sage: „Etwas wird es mit Sicherheit nicht geben: Restriktionen. An deren Stelle wird es einen eigenen ungarischen Weg geben, statt Krediten Produktion, statt Stütze Arbeit, statt Trickserei Unternehmertum, statt globalistischer Geschäftemacherei patriotische Wirtschaft, statt Katzbuckeln nationale Selbstachtung und Engagement, und statt Migranten wird es eigene ungarische Kinder geben.“

Die ausgelaugte Brüsseler Elite

Über das Verhältnis zur Europäischen Union sagte Orbán: „Wir haben auch gelernt, dass sich Europa nicht in Brüssel befindet. Europa sind wir, und wir müssen nicht der ausgelaugten Brüsseler Elite entsprechen, die schon langsam von sich selbst enttäuscht ist. Früher hatten wir geglaubt, Europa sei unsere Zukunft, heute wissen wir schon, dass wir die Zukunft Europas sind.“

Westler, die nicht wissen, „dass der Sozialismus die Nationen kaputtmacht“

In seiner Rede sprach Orbán wohl nahezu alles an, was die Ungarn bewegt und was politisch für sie (und die Regierung) von Belang ist, darunter natürlich die wirtschaftlichen Erfolge (Wachstum, Zahlungsbilanz-Überschuss, disziplinierte Haushaltspolitik, Beschäftigungszunahme, Lohnsteigerungen, Steuersenkung, Exportrekord), das Stärken der nationalen Armee, der Aktionsplan zum Schutz der Familien, aber auch der demographisch Schwund („Der Ungar ist auch weiterhin eine bedrohte Art“), die drohende Stagnation in der Euro-Zone, die Bewahrung der Renten, die Großmächte China und USA sowie die Sorge über die sozialistischen Erscheinungen in der EU: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Westler nichts aus unserer Geschichte gelernt haben, und nicht wissen, dass der Sozialismus die Nationen kaputtmacht.“

Orbán als ungewohnter Klimaschützer

Irritierend und gewöhnungsbedürftig ist, dass auch Orbán plötzlich den Klimaschützer hervorkehrt: „Wir setzen uns das Ziel, dass bis 2050 die europäische Wirtschaft frei von Kohlendioxid sein soll.“ Der Klima- und der Naturschutz sei geradezu „unsere christliche und patriotische Pflicht“. Gerade habe die Regierung einen Aktionsplan zum Schutz des Klimas angenommen. Sie werde die Produktion von erneuerbaren Energien durch die Klein- und mittleren Unternehmen mit 32 Milliarden Forint unterstützen, die Kapazität der Sonnenkraftwerke in den kommenden zehn Jahren versechsfachen, das Elektroauto unterstützen und eine grüne Staatsanleihe einführen. „Wer so eine Staatsanleihe kauft, der unterstützt die Sache des Klimaschutzes, denn die Regierung garantiert das hieraus einfließende Geld nur für klimafreundliche Programme zu verwenden.“ Dergleichen hat man von ihm, den sonst praktische Vernunft leitet und der Klimaschutzpolitik als Ersatzreligion nicht zu erkennen vermag, bisher nicht wahrgenommen, jedenfalls nicht außerhalb Ungarns.

Ein möglicher Beweggrund

Möglicherweise ist dies ein unliebsames, aber taktisches Zugeständnis, geschuldet der klimapolitischen Opposition, um ihr Wind aus den Segeln zu nehmen und es nicht auch mit ihnen noch zu verderben.. Ein ungarn-kundiger Freund kommentiert: „Er springt jetzt auch auf das ‚Klima-Pferd‘ auf. Das hat damit zu tun, dass er von den zwar (bisher) wenig erfolgreichen Oppositionskräften mit dem Thema daheim konfrontiert wird; und er möchte offenbar das Thema nicht allein dem ungarischen Staatspräsidenten János Áder überlassen, der zwar sein Parteifreund ist, der aber weit mehr von ‚grünem Gedankengut‘ beherrscht wird als Orbán selbst. Und schließlich: Selbst ein Orbán erliegt damit offenkundig dem (medial aufgeheizten politischen) ‚Zwang‘ rundum, up to date zu sein…“

Das Vorhaben, für jedes neugeborenen Kind zehn Bäume zu pflanzen

Dagegen überhaupt nicht unvernünftig ist Orbáns wirkliche Umweltschutzpolitik. Er weiß sie sogar mit seiner Familienschutzpolitik zu verbinden, nämlich mit dem Vorhaben, für jedes neugeborene Kind zehn Bäume pflanzen zu lassen. Und reine Vernunft ist es, wenn Orbán sagt: „Ich lese, es gibt Stimmen, die verkünden, am effektivsten könnten wir die Erde auf die Weise retten, indem wir keine Kinder bekommen. Das ist purer Wahnsinn! Gut, wir retten die Erde, aber für wen retten wir sie, wenn dann wir weder Kinder noch Enkel haben?

Orbán und die „Liberalen“

Es ist Orbáns 22. Rede zur Lage der Nation gewesen. Gehalten hat er sie am Sonntagnachmittag des 16. Februar vor einem ausgewählten Publikum im Burggartenbasar von Budapest. Die Rede ist ziemlich lang, aber lesenswert. In ihr spricht er häufig von den „Liberalen“, die er als politische Gegner sieht. Er definiert nicht, was er unter diesen Begriff versteht. Vermutlich meint er die westlichen Mainstream-Politiker und das grün-linke Milieu.  Die allerdings verdienen die Einordnung als „Liberale“ gerade nicht. Sie führen die Freiheit zwar im Mund, treten sie aber mit den Füßen, wo immer diese sie stört.

Was für Orbán populistisch ist

Orbáns Gegner werden seine Rede populistisch nennen. Orbán selbst sagt dazu. „Wer uns über Demokratie belehren will, der soll zuerst etwas auch nur annähernd Ähnliches vorweisen wie unsere Nationale Konsultation. Langsam gewöhnen wir uns daran, dass wer heute in der Politik nicht so tanzt, wie es die Liberalen erwarten, dem wird gleich nachgesagt, er sei ein Populist. Das ist die neue Bezeichnung für den Klassenfeind. Aber, meine lieben Freunde, ein Populist ist der, der den Wählern Versprechungen macht, obwohl er weiß, er wird nicht in der Lage sein, diese einzuhalten. Wer Versprechungen macht, und sie einhält, ist kein Populist, sondern ein Demokrat. Und wir, Ungarn, sollten uns ruhig zu dieser Kategorie zuordnen.“

Den Wortlaut der Rede können Sie hier lesen.

Orban zur Lage der Nation am 16.2.2020 (deutsche Übersetzung)

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