Peter Boehringer (AfD) kommentiert das OVG-Urteil im Klagefall der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz als juristisch, methodisch und prozessual ungenügend sowie als unfair und politisch motiviert – Aber das Urteil enthält auch eine bemerkenswerte Klarstellung
Peter Boehringer (AfD) hat das Urteil des OVG Münster in Sachen AfD vs. Verfassungsschutzamt vom 13. Mai 2024 (s. hier) noch am gleichen Tag kommentiert. Boehringer ist Mitglied des Bundestages und stellvertretender Vorsitzender der Partei. Er schreibt: „Wir sind entsetzt über das juristisch, methodisch und prozessual ungenügende, unfaire und politisch motiviert superschnell herbeigeführte Urteil. Kein unvoreingenommenes Gericht hätte über 450 wichtige Beweisanträge in nur 4,5 Stunden lesen, erörtern, beurteilen und in dieser Zeit auch noch über eine faktenfern verfasste lange ‚Begründung‘ direkt ablehnen können! Das Verfahren wurde heute faktisch ohne echte Beweiserörterung ohne jede Not und volle zwei Monate vor dem angesetzten Urteilstermin durch „kurzen Prozess“ abgewürgt. Den Verdacht der Vorfestlegung des Gerichts bei Unterdrückung einer angemessenen Verhandlung sehen wir wie schon in der Vorinstanz als belegt an.“
„Als Rechtsstaatspartei und einzige echte Opposition in den deutschen Parlamenten haben wir gegenüber den Bürgern, insbesondere unserer kontinuierlich wachsenden Wählerschaft, die Verantwortung, uns weiterhin zu wehren: Die AfD kämpft für den Erhalt der Demokratie und der rechtlichen Grundordnung in Deutschland – wo immer nötig. Wir werden auch die schriftliche Urteilsbegründung auswerten. Es ist aber schon sicher, dass nun das Bundesverwaltungsgericht die Vorinstanzen zwingen muss, endlich ihre Arbeit zu machen!“
Seinen Kommentar hat Boehringer am 13. Mai im Deutschland-Kurier veröffentlicht (hier). Im Folgenden gebe ich dessen vollständigen Text wieder. Die Zwischenüberschriften sind teils schon im Originaltext vorhanden, teils von mir eingefügt.
Wir haben ein Recht auf Recht(sfindung)
Von Peter Boehringer
Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat die Berufung gegen die Hochstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nach sehr kurzer Verhandlung abgelehnt. Vor zwei Jahren hat das Verwaltungsgericht Köln unsere Argumente und Beweisanträge nicht gewürdigt und mehr oder weniger die Argumente der Gegenseite ohne konkrete Prüfung übernommen, obwohl diese letztlich nur eine Meinungsäußerung einer weisungsgebundenen Behörde darstellen – und damit die Meinung der linksextremistischen Bundesinnenministerin Faeser. Der Begriff „extremistisch“ ist dabei mangels Legaldefinition fast beliebig willkürlich-subjektiv und amtsmissbräuchlich verwendbar.
Selbst harmloseste Zitate böswillig interpretiert
Dies geschah, obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auch in der Berufungsinstanz des OVG Münster praktisch keinerlei Vorwürfe gegen die AfD aus unserer einzig maßgeblichen Parteiprogrammatik finden konnte, was für sich bereits ein klarer Ausweis der völligen Treue der AfD zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDGO) ist! Dagegen sammelte das BfV weitgehend bedeutungslose, unseres Erachtens zumeist unproblematische oder ohne Kontext dargelegte Einzelzitate, um eine angebliche Gefährdung der demokratischen Grundordnung durch die AfD irgendwie konstruieren zu können. Die Haldenwang-Behörde arbeitete dabei nachweislich politisch instrumentalisiert, indem sie selbst harmloseste Zitate böswillig interpretierte und jede andere Auslegung systematisch ignorierte.
Pflichtwidriges Verhalten der Justiz
Leider hat das Gericht diese subjektiv-voreingenommene und rechtswidrig-politische Sichtweise durchgängig einfach unkritisch übernommen! Es hat dabei nicht nur pflichtwidrig versäumt, die inhaltliche und innerparteiliche Relevanz der Zitate aktiv zu ermitteln und die inkorrekte Arbeitsweise des Amtes zu hinterfragen, sondern ganz im Gegenteil fast alle noch so abwegigen Vorwürfe einfach als valide übernommen. Anders ist ihr Ergebnis einer „verdächtig extremistischen Gesamtschau“ nicht zu erklären.
Ein abgelehnter Beweisantrag als Beispiel
Beispielhaft genannt sei etwa ein Beweisantrag der AfD zum politischen Agieren des BfV – belegbar alleine schon durch ein wörtliches, einschlägiges Zitat seines früheren Präsidenten Maaßen zum von ihm erlebten ungebührlichen parteipolitischen Druck hin zu einer Verfassungsschutz-Klassifizierung der AfD. Dennoch wollte das Gericht das klare Testat dieses Zeugen weder für die Urteilsfindung akzeptieren noch auch nur eine Befragung Maaßens zulassen!
Warnungen zur Migration als Verschwörungserzählungen diffamiert
Oder statistisch sichere und richtige Aussagen und Warnungen zur Einwanderung: Solche wurden vom Verfassungsschutz als „Verschwörungserzählungen“ und „Staatsdelegitimierung“ diffamiert, obwohl sie von der Innenministerin selbst vorgelegt wurden. Auch hier wird die AfD also für korrekte Tatsachenbehauptungen unterhalb jeder Grenze zur Strafbarkeit zum FDGO-Feind erklärt!
Unterschiedlich angewandte Maßstäbe
Hinzu kommen unterschiedlich angewandte Maßstäbe: Die SPD-Politikerin Chebli etwa durfte „Passdeutsche“ von anderen Deutschen abgrenzen, CSU-Generalsekretär Dobrindt durfte den Islam „egal in welcher Form“ als „nicht zu Deutschland“ gehörend pauschal verdammen, CDU-Mann Vaatz darf Deutschland als „Diktatur“ bezeichnen und eine Sprecherin der Grünen Jugend durfte [gegen Weiße] rassistisch hetzen. Doch nur die AfD wird nun wegen im deutschen Recht gar nicht existierenden „Wortverbrechen“ als „extremistisch“ klassifiziert!
Erschreckend dünne Ausführungen des Gerichts
Auch die Ausführungen des Gerichts zur wichtigen Frage der Zulässigkeit einer historischen Debatte zum Volksbegriff sind geradezu erschreckend dünn, zumal die AfD niemals irgendwelche Rechtsfolgen für deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund an diese Debatte knüpfte! Generell provoziert die vom Gericht vielfach wiederholte Phrase „auf diese Aspekte kommt es nicht entscheidungserheblich an“ geradezu die Gegenfrage, auf welche materiellen Vorwürfe das Gericht sein Urteil überhaupt noch stützt!
… also lehnen wir die Berufungsklage mal ab
Wie schon die Vorinstanz kam man am Ende zu einem fast arbeitsverweigernden Ergebnis: „Hm, für eine Einstufung als gesichert rechtsextremistisch reicht der große Haufen an Belanglosigkeiten, den der Verfassungsschutz zur AfD hingelegt hat, vermutlich nicht aus – aber für einen Verdachtsfall genügt es wohl in einer Gesamtschau schon irgendwie – also lehnen wir die Berufungsklage mal ab“.
Befangenheitsanträge abgelehnt
Es passt ins Bild, dass die Richter mehrere Anträge der AfD zu ihrer Befangenheit gleich selbst entschieden – wie bei allen etwa 470 Anträgen begründungsfrei oder mit pauschalen und extrem dünnen Begründungen.
Keine echte Beweiswürdigung, Vorfestlegung des Gerichts
Wir sind entsetzt über das juristisch, methodisch und prozessual ungenügende, unfaire und politisch motiviert superschnell herbeigeführte Urteil. Kein unvoreingenommenes Gericht hätte über 450 wichtige Beweisanträge in nur 4,5 Stunden lesen, erörtern, beurteilen und in dieser Zeit auch noch über eine faktenfern verfasste lange „Begründung“ direkt ablehnen können! Das Verfahren wurde heute faktisch ohne echte Beweiserörterung ohne jede Not und volle zwei Monate vor dem angesetzten Urteilstermin durch „kurzen Prozess“ abgewürgt. Den Verdacht der Vorfestlegung des Gerichts bei Unterdrückung einer angemessenen Verhandlung sehen wir wie schon in der Vorinstanz als belegt an.
Für den Erhalt der Demokratie und der rechtlichen Grundordnung in Deutschland
Als Rechtsstaatspartei und einzige echte Opposition in den deutschen Parlamenten haben wir gegenüber den Bürgern, insbesondere unserer kontinuierlich wachsenden Wählerschaft, die Verantwortung, uns weiterhin zu wehren: Die AfD kämpft für den Erhalt der Demokratie und der rechtlichen Grundordnung in Deutschland – wo immer nötig. Wir werden auch die schriftliche Urteilsbegründung auswerten. Es ist aber schon sicher, dass nun das Bundesverwaltungsgericht die Vorinstanzen zwingen muss, endlich ihre Arbeit zu machen!
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PS. In einer Mail vom 18. Mai macht Boehringer ergänzend zu seinem Urteilskommentar auf eine „in Teilen sehr gute und richtige und wichtige Analyse“ von Mathias Brodkorb (SPD) im Magazin Cicero aufmerksam und gibt aus dessen Gespräch mit dem Magazin einen Auszug wieder. Besonders dieser Auszug sei genau das, was auch er, Boehringer, am 13. Mai in Münster und in vielen Interviews fast gleichlautend gesagt habe.
Eine bemerkenswerte Klarstellung des Gerichts
Unter der Überschrift „AfD-Urteil: Politisch kann man sogar von einem Erfolg der AfD sprechen“ äußert Brodkorb:
„Die Entscheidung selbst überrascht mich überhaupt nicht. Aber die Begründung umso mehr! Das Gericht weist klar und deutlich darauf hin, dass in diesem Verfahren viel niedrigere Anforderungen gestellt werden als bei einem Parteiverbotsverfahren oder wenn es um die Einstufung der Partei als ‚erwiesen extremistisch‘ ginge. Das Gericht sagt ausdrücklich: ‚Was für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ausreicht, führt (…) nicht zwangsläufig zur Annahme einer erwiesen extremistischen Bestrebung.‘ Das ist ein deutlicher Fingerzeig des Gerichts. Und der hat Folgen. Das Gericht sagt auch, der Verfassungsschutz dürfe deshalb ‚in keiner Weise‘ auch nur den Eindruck erwecken, die AfD sei eine erwiesen extremistische Partei. Das nämlich wäre in der derzeitigen Situation verfassungswidrig. Und das hat noch weitere Konsequenzen: Nicht nur der Verfassungsschutz darf das nicht, auch keine andere Amtsperson. Nicht einmal der Bundeskanzler oder die Innenministerin. Das ist eine bemerkenswerte Klarstellung, und die wird ihren Grund haben.“ (Siehe hier).
Boehringer hat angekündigt, dass die AfD gegen das Urteil in die Revision gehen will, also beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig als die vor dem Bundesverfassungsgericht letzte Instanz. Doch hat das OVG Münster die Revision nicht zugelassen. Daher muss die AfD dort zunächst Nichtzulassungsbeschwerde erheben. Erst wenn sie mit ihr Erfolg hat, kann es zum Revisionsverfahren kommen. In ihm wird das Urteil der Vorinstanz OVG aber nur noch auf mögliche formale Fehler überprüft, nicht mehr auf Tatsachenfeststellungen.
Noch im Gericht am 13. Mai nach der Urteilsverkündung ist Boehringer von Matthias Reinhardt interviewt worden. In dem Gespräch berichtet er über Details aus dem Prozess und wertet die Verhandlung aus AfD-Sicht. Anzusehen und anzuhören hier. Zu empfehlen.
Gleich nach der Urteilsverkündung am 13. Mai haben Peter Boehringer und Roman Reusch vor den anwesenden Journalisten auch der Mainstream-Medien und auf deren Fragen eingehend ihre kommentierenden Erklärungen zu dem Urteil abgegeben. Doch in den Mainstream-Medien, den „Lücken-Medien“, sind nur die Erklärungen des Gerichts und des Verfassungsschutzes wiedergegeben, aber die der beiden AfD-Vertreter so gut wie vollständig unterschlagen worden, wie Boehringer in einer E-Mail am 20. Mai bemängelt hat. Was der Mainstream unterschlug, hat jedoch vollständig der österreichische Sender AUF1 hier wiedergegeben. Ebenfalls zu empfehlen.