Raubgut

Die Benin-Bronzen und eine Parallele zu einem deutschen Raub in Deutschland – Der Besitz der Benin-Bronzen in deutschen Museen ist legal, aber nicht legitim – Rückgabe der Museumsstücke an Nigeria nur als Option und nicht als Pflicht? – Außenminister Maas: Die Rückgabe ist eine Frage der Gerechtigkeit – Die verweigerte Rückgabe deutschen Raubguts in Deutschland an Deutsche – Das Messen mit zweierlei Maß

Sie wollen moralisch sein und sind es nicht. Sie sprechen von Recht und Gerechtigkeit und handeln nicht danach. Sie verwickeln sich damit in Widersprüche, aber das stört sie nicht. Politiker sind so, und entsprechend halbseiden ist dann auch ihre Politik. Zum Beispiel bei der Rückgabe von Eigentum, das in den Besitz des deutschen Staates geraten ist, ihm rechtmäßig aber nicht gehört und nicht zusteht. Derzeit geht es gerade um Kulturgut aus dem Königreich Benin, das bis zum Jahr 1897 unabhängig war und im Südwesten des heutigen Nigerias liegt. Dieses Kulturgut sind die rund elfhundert „Benin-Bronzen“, die in deutschen Museen gelandet sind und als sehr wertvoll gelten. Sollen sie nach Afrika zurückgegeben werden? Müssen sie es?

Eine Parallele zu einem deutschen Raub in Deutschland

Der Umgang Deutschlands mit dieser Frage erinnert an die kommunistischen Enteignungen unbescholtener deutscher Fabrikanten, selbständiger Unternehmer, Landwirte, Gutseigentümer und Gewerbetreibender in der einstigen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in den Jahren 1945 bis 1948. Mit dem Untergang der DDR hat es sich seit 1990 der wiedervereinigte deutsche Staat unter der Regierung Helmut Kohl wiederrechtlich angeeignet und will dieses staatliche Raubgut den rechtmäßigen Eigentümern nicht zurückgeben, hat vieles davon hehlerisch verkauft, ohne den Erlös an die beraubten Eigentümer herauszurücken. Wie wird Deutschland mit dem Raubgut aus Benin verfahren?

Der Besitz der Benin-Bronzen in deutschen Museen ist legal, aber nicht legitim

Den Fall der Benin-Bronzen beschreibt die FAZ in ihrem Feuilleton*) so: „Das König­reich Benin, das beson­ders vom fünf­zehn­ten bis zum acht­zehn­ten Jahr­hun­dert blühte, war kein afri­ka­ni­sches Idyll, sondern wie viele erfolg­rei­che Staatsgebilde in der Geschich­te ein Räuber­staat. Jahr­hun­der­te­lang über­fiel und plün­der­te es seine Nach­barn, verdien­te am Skla­ven­han­del mit den Portu­gie­sen und opfer­te Gefan­ge­ne in barba­ri­schen Ritua­len. Die etwa fünf­tau­send Benin-Bron­zen – zumeist Reli­efs und Skulp­tu­ren aus einer Messing-Legie­rung –, die 1897 im Rahmen einer briti­schen Straf­ak­ti­on für ein von beni­ni­schen Trup­pen began­ge­nes Massa­ker in Benin-City erbeu­tet und anschlie­ßend in London verstei­gert wurden, sind dennoch Raub­gut. Etwa elfhun­dert von ihnen kamen nach Deutsch­land. Berlin hat 440 Stücke, Hamburg 190, Köln 92, Stutt­gart 64, Leip­zig und Dres­den haben zusam­men 242, der Rest ist auf fast zwan­zig weite­re Städte verteilt. Ihr Besitz ist legal, aber nicht legi­tim. Seit fünf­zig Jahren versucht die nige­ria­ni­sche Regie­rung, einzel­ne Stücke zurück­zu­er­hal­ten, vor zwei Jahren stell­te sie einen Antrag auf Gesamt­res­ti­tu­ti­on.“

Rückgabe der Museumsstücke an Nigeria nur als Option und nicht als Pflicht?

Was Museen einmal haben, geben sie ungern wieder her. Die Rückübereignung der Stücke muss freilich nicht auch Rückgabe bedeuten. Sie könnten in den deutschen Museen, wo sie jetzt sind, auch bleiben, nämlich als Leihgabe. In anderen Fällen von Kulturgut wurde auch schon so verfahren. Wohl deshalb soll die Rückgabe an Benin nur „als Option mitbetrachtet“ werden*). Also nicht als Pflicht? Doch Raub bleibt Raub. Rechtlich bedeutet das Rückgabe. Das FAZ-Feuilleton schreibt: „Kultur­gü­ter und Kunst­wer­ke sind kein Spiel­ma­te­ri­al der Poli­tik. Sie gehö­ren in die Hände von Museen und Kura­to­ren, um vor dem Zugriff des Kunst­mark­tes und wech­seln­der Macht­ha­ber geschützt zu sein.“

Außenminister Maas: Die Rückgabe ist eine Frage der Gerechtigkeit

Gilt das auch für die Benin-Kunstwerke, wenn sie in ein Museum in Nigeria kommen? Denn das Museum für die Benin-Bronzen will Nigeria bei sich selbst haben. Mit Nigeria verhandelt darüber das Auswärtige Amt. Von dort verlautet, eine Stif­tung zur Betreu­ung der Objek­te sei schon gegrün­det und in Benin-City ein  Muse­ums­neu­bau geplant. 2024 soll das Museum fertig sein. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) setzt sich sehr dafür ein, afrikanische Kulturgüter und speziell die Benin-Bronzen zurückzugeben: „Zu einem aufrichtigen Umgang mit der Kolonialgeschichte gehört auch die Frage der Rückgabe von Kulturgütern. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“  (Quelle u.a. hier).

Die verweigerte Rückgabe deutschen Raubguts in Deutschland an Deutsche

Eine Frage von Recht und Gerechtigkeit ist aber auch, was der bundesdeutsche Rechtsstaat seit der Wiedervereinigung an schweren Verstößen gegen das Eigentumsrecht in Deutschland begangen hat und noch immer nicht wiedergutgemacht hat. Denn die zur deutschen Einheit beschlossenen Regelungen und die dann entstandenen Gesetze sehen eine rechtsstaatliche Wiedergutmachung vor: Rückgabe der 1945 bis 1948 enteigneten Vermögenswerte an die Eigentümer, wo noch möglich, und Erlösauskehr, wenn verkauft und daher nicht mehr möglich.**) Das aber ist – mit wenigen Ausnahmen – nicht geschehen. Der deutsche Staat verweigert sie. Gegen diesen Vermögensraub wehren sich deren Opfer nach wie vor, auch vor Gericht.

Das Messen mit zweierlei Maß

Heiko Maas macht sich als Außenminister stark für die Eigentumsrückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria, zu dem Benin heute politisch gehört. Er ist zwar nicht Justizminister, aber als Außenminister Teil der Bundesregierung. Er sollte sich am Kabinettstisch für die Rückgabe des geraubten Eigentums Deutscher in Deutschland ebenso einsetzen wie für die Raubgut-Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria. Vernommen hat man von dergleichen bisher nichts. Man wird davon auch künftig nichts vernehmen. Herr Maas misst wie bisher alle Bundesregierungen seit der von Helmut Kohl samt Wolfgang Schäuble und sogar wie die einschlägigen Gerichte mit zweierlei Maß. Nigeria soll Raubgut zurückbekommen, Deutsche nicht.

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*) FAZ vom 26. März 2021, Seite 9. Weiteres zur Geschichte Benins hier.

**)  Ich habe immer wieder daran erinnert, zuletzt hier.

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