Die Verleihung der höchstmöglichen Stufe des Bundesverdienstkreuzes an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu viel auf dem Gewissen hat, als dass sie diese Ehrung verdient
Diese Ordensverleihung an Angela Merkel sieht selbst ein Mainstream-Blatt wie die FAZ kritisch. „Ein Großkreuz für falsche Politik“, überschrieb sie ihrem Kommentar. „Bleibende Bewunderung“ zollt sie Merkel nur „für den Knochenjob von 16 Jahren im Kanzleramt“. Einleuchtender gewesen wäre, meint Kommentator Reinhard Müller, die Auszeichnung, wie bei Kohl, unmittelbar am Ende ihrer Amtszeit, nicht heute, da die Schwächen der Merkel-Politik offen zutage lägen. Auch der Umgang mit der Flüchtlingskrise, die andauere und anschwelle, sei alles andere als ein Ruhmesblatt. Merkels irritierende Beharren darauf, im Grunde alles richtig gemacht zu haben, habe Bundespräsident Steinmeier ausgerechnet jetzt geadelt. Er selbst habe seinen Orden schon sicher. Aber die Politik, an der auch er beteiligt gewesen sei, habe keinen verdient.* Unter den deutschen Bundeskanzlern haben diesen Orden nur Konrad Adenauer („Kanzler der Westbindung“) und Helmut Kohl („Kanzler der deutschen Einheit“) verliehen bekommen, alle übrigen vor Merkel keiner. Kanzlern wie Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder wurde am Ende ihrer Amtszeit nur ein niedrigerer Orden zuteil. Schlimmer geht’s immer.
Merkel hat Deutschland massiv geschadet
Doch nicht nur Merkels Politik hat diesen höchsten Orden der Bundesrepublik Deutschland nicht verdient, sondern auch Merkel persönlich nicht. Sechzehn Jahre „Knochenjob im Kanzleramt“ und sich dort so lange gehalten zu haben, sind noch kein Verdienst, das den höchsten Orden rechtfertigt. Ein Kanzler muss das Land auch vorangebracht haben, zumindest seine Lage nicht verschlechtert haben, politisch nicht, wirtschaftlich nicht, in seiner Kultur nicht. Das hat Merkel als Kanzlerin nicht getan, im Gegenteil, sie hat an dessen schleichenden Ruin mitgewirkt, sie hat Deutschland massiv geschadet – ob gar bewusst oder nur durch Aussitzen, Abwarten, entschlussloses Lavieren und um des bloßen Machterhalts willen, sei dahingestellt. Trotzdem hat Bundespräsident Steinmeier die politischen Erfolge Merkels gelobt. Auf politische Ausführungen habe Merkel in ihrer kurzen Dankesansprache verzichtet, berichtete die FAZ**. Wohlweislich, möchte man hinzufügen.
Für diesen Orden gehört an wirklicher Leistung weit mehr
Steinmeier hat aber laut FAZ auch Merkels persönliche Eigenschaften herausgestellt. Sie habe sich als Person nie selbst in den Mittelpunkt gestellt: „Jede Eitelkeit, jede Schmeichelei, jedes Getue um sie selbst waren ihr zuwider.“ Ja, den Eindruck musste man haben. Aber dafür den höchsten Orden? Die FAZ weiter: „Schon am 26. Oktober 2021, als Steinmeier Merkel ihre Entlassungsurkunde überreichte, lobte er sie in den höchsten Tönen.“ Aus heutiger Sicht lese sich seine damalige Rede wie ein Anlauf auf die Auszeichnung mit dem Großkreuz-Orden: „Was die heutige formelle Entlassung der Bundesregierung mehr als alles andere abhebt, ist das Ende einer Kanzlerschaft, die man zu den großen in der Geschichte dieser Republik zählen kann.“ Nun, zu den großen in der Geschichte ist mehr als gewagt und ein Phantasiegebilde, dazu gehört an wirklicher Leistung weit mehr.
Politikwissenschaftler Klaus Schroeder: Deutschland steht nach Merkel viel schlechter da
Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder wurde im Interview*** gefragt: „Ist diese Ehrung für die frühere Bundeskanzlerin angemessen?“ Antwort Schroeder: „Das grenzt an Peinlichkeit. Ich halte es für verfehlt, sie mit diesem Verdienstorden auszuzeichnen. Was spricht denn für Angela Merkel – außer ihrer langen Kanzlerschaft von 16 langen Jahren? Deutschland steht nach Merkel viel schlechter da. Früher war die Bundesrepublik wirtschaftlich stark und konnte politisch mitmischen. Heute ist Deutschland nur noch eine Randfigur. Das haben wir Merkel zu verdanken.“ Auf die Frage, zumindest in Europa habe Deutschland aber doch einige Bedeutung, antwortet Schroeder: „Auch aus europapolitischer Sicht halte ich die Ehrung Merkels für falsch. Erinnern Sie sich an ihren Ausspruch ‚Wir schaffen das‘? In der ‚Flüchtlingskrise‘ seit 2015 hatte sie sich in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin über die Empfehlung der obersten Sicherheitsbehörden hinweggesetzt – und gut eine Million Menschen ins Land gelassen. Damit hat Merkel auch Europa entzweit, weil die meisten europäischen Staaten diese Art der Politik nicht guthießen.“
Für die einen ist Merkel ein Leuchtturm, für die anderen Opportunistin
Kritik an dieser Ordensverleihung ist selbst aus der CDU zu hören. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann im Sender RTL: Merkel habe „auch Fehler gemacht, sogar eklatante“. Dazu gehörten der Ausstieg aus der Kernkraft und Fehler in der Flüchtlingskrise, „weil wir die Grenzen nicht geschützt haben“. Ein früherer Minister wirft ihr „Nicht-Politik-Machen zum Zweck des Machterhalts“ vor“. Aber die Meinungen sind auch geteilt: „Die einen sehen in ihr bis heute einen Leuchtturm der Liberalität in Zeiten grassierenden Rechtspopulismus, die anderen eine Opportunistin des technokratischen Mainstream. Wo Bewunderer die Kunst der Kanzlerin rühmen, komplexe Krisen zu meistern und die EU trotz Euro- und Flüchtlingskrise zusammengehalten zu haben, schimpfen Gegner über einen Ausverkauf deutscher Interessen.“ (FAZ vom 18. April 2023, Seite 2 und FAS vom 16. April 2023, Seite 2).
AfD: Statt Orden Merkel vor Gericht bringen
Das Magazin Focus ist der Meinung „Merkel verdient einen Orden – aber nicht Deutschlands höchsten.“ Stephan Brandner, stellvertretender AfD-Bundessprecher wertet den Orden als völlig falsches Signal, sei es doch vor allem Angela Merkel gewesen, die für die heutige desolate Situation Deutschlands verantwortlich sei. Er verweist vor allem auf den „völlig unsinnigen Entschluss zum Atomausstieg“ und die von ihr verursachte „folgenschwere“ Flüchtlingspolitik: Angela Merkel habe unendlich viel Leid über Deutschland gebracht und daneben als Verfassungsbrecherin von sich Reden gemacht, die auch davor nicht zurück geschreckt sei, „Wahlen, deren Ausgang ihr nicht gefielen“, rückgängig zu machen. „Angela Merkel stand nicht auf dem Boden des Grundgesetzes … Sie nun mit dem höchsten Orden Deutschlands auszuzeichnen, ist ein Hohn. Es braucht endlich fähige und mutige Staatsanwaltschaften, die Angela Merkel vor Gericht bringen.“ Quelle hier: Stephan Brandner: Statt Orden besser Anklage gegen Merkel – Alternative für Deutschland (afd.de)
Noch ein Orden für Merkel: der „Sargnagel des Mittelstands“
Empört hat sich das Kuratorium „Deutscher Mittelstandspreis“ zu der Ordensverleihung an Merkel geäußert. Sie erhalte den Orden ausgerechnet in einer Zeit, in der auch mittelständische Existenzen vernichtet würden. Deshalb hat dieses Kuratorium beschlossen, ihr den „Sargnagel des Mittelstandes“ zu verleihen, „um ein Gegengewicht zur höchst peinlichen Auszeichnung mit dem höchsten deutschen Orden zu bilden“. Den „Sargnagel“ hatten in den vergangenen Jahren unter anderem Günter Rexrodt, Oskar Lafontaine und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder erhalten.
Ein Nachtrag vom 20. April aus der Aktuellen Stunde im Bundestag: Hören Sie sich hier zur Ordensverleihung die Rede von Beatrix von Storch an. Klarer, deutlicher und entschiedener kann man kaum ausdrücken, wie unverdient der Orden für Merkel ist und wie beschämend die Verleihung für den Ordensverleiher Steinmeier. Ein Volltreffer.
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* Leitkommentar der FAZ vom 18. April 2023, Seite 1.
** FAZ vom vom 18. April 2023, Seite 1: Steinmeier würdigt Merkels „Kanzlerinnenschaft“
*** Das ganze Interview hier: Merkel erhält Bundesverdienstkreuz: „Das grenzt an Peinlichkeit“ (t-online.de) Klaus Schroeder (Jahrgang 1949) ist Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Daneben leitet er den Forschungsverbund SED-Staat. Der Politikwissenschaftler ist unter anderem Experte für die Geschichte der DDR und der deutschen Teilung. 2020 erschien Schroeders Buch „Kampf der Systeme. Das geteilte und wiedervereinigte Deutschland“.