Diese furchtbare Bedrohung

Es riecht wie im August 1914 – Der Ukraine-Krieg ist kein deutscher Krieg, und wir sollten alles daran setzen, dass er nicht dazu wird – Die USA wollen andere Völker für die eigenen Interessen bluten lassen – Wen schützt der Nato-Vertrag konkret?

Immer tiefer rutscht Deutschland in den Krieg gegen Russland hinein, getrieben von den USA und Großbritannien sowie der von ihnen beherrschten Nato. Die unglückselige Ukraine haben diese Kriegstreiber –  langfristig geplant –  ausersehen, ihn stellvertretend zu führen. Die Satellitenstaaten der USA werden gegen Russland zur Waffenhilfe für die Ukraine gezwungen. Deutschland darf und muss nun doch seinen Kampfpanzer „Leopard“ in diesen Krieg schicken. Bundeskanzler Scholz sonnt sich in seinem spärlichen Erfolg, dass sich die USA mit ihrem Abrams-Kampfpanzer ebenfalls vor Ort beteiligen wollen, um Scholz in der Sicherheit zu wiegen, auch sie begäben sich ins Kriegsparteirisiko. Dabei ist deren Panzer noch nicht einmal schneetauglich. Ein (russisches) Video zeigt, wie ein M1-Abrams-Panzer versucht, eine verschneite Anhöhe hochzukommen, und dabei immer wieder zurückrutscht (siehe hier und hier). Sehr komisch. Aber der Krieg ist es nicht. Was sich über die Ukraine hinaus anbahnt, ist zum Fürchten und eine schreckliche Bedrohung. Die Menschen in der Ukraine erleben die Kriegsschrecken schon jetzt und bald schon ein ganzes Jahr. Der Jurist Menno Aden erinnert daran, wonach es riecht.

Es riecht wie im August 1914

Von Prof. Dr. iur. Menno Aden*)

I. Diese gespenstische Lage riecht wie der Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Kaiser Franz Joseph von Österreich wurde vor dem 1. August 1914 von seinem Kriegsminister wie heute Deutschland bedrängt: Die Ehre Österreichs erfordere es, das Risiko eines Krieges auf sich zu nehmen. Der Kaiser fragte diesen: Haben Sie schon mal einen Krieg mitgemacht? Antwort nein. Der über 80-jährige Kaiser: Ich schon. Leider setzten sich auch die Verantwortlichen nicht immer gegen die Menge der Verantwortungslosen durch. Sind unsere Landsleute wirklich derartig verblendet, dass sie meinen, Kriege fänden nur noch im Ausland statt? Haben sie nicht gehört oder nicht gefragt, wie sich ein Krieg in Deutschland „anfühlt“? Wie es war, als Deutschland von angloamerikanischen Bombern wahllos zerstört wurde, als Russen tötend und vergewaltigend in Ostpreußen  einbrachen? Als Millionen von  zuvor ausgeplünderten Landsleuten aus Schlesien,  Pommern und Osteuropa vertrieben wurden? Oder dürfen  wir das  nicht mehr wissen und darüber nicht mehr reden?

Dies ist kein deutscher Krieg,  und wir sollten alles daran setzen, dass er nicht dazu wird

II. Die Menschen in der Ukraine tun uns sicherlich leid, und wir Deutschen helfen, wir überschlagen uns geradezu mit Hilfsbereitschaft. Selbst in der Bäckerei Gräler in Essen-Burgaltendorf, wo ich wohne, steht eine Spendenbüchse für die Ukraine. Aber dieser Krieg  ist nun einmal kein deutscher Krieg,  und wir sollten alles daran setzen, dass er nicht dazu wird.  Gibt es unter diesen naiven panzergeilen Kriegstreibern wohl irgendjemanden,  der weiter denkt und fragt, wie  und wo wir politisch stehen werden, wenn dieser Krieg einmal zu Ende gegangen sein wird.

  • Mit den Russen sind wir heillos bis aufs Blut zerstritten.  Das gibt den USA carte blanche, sich hier noch mehr  als Landesherr aufzuspielen als sie es bisher schon tun.
  •  Von der Ukraine  werden wir schwerlich ein Wort des Dankes hören.
  • Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA ist zwar schon jetzt, wird aber noch mehr und dauerhaft  zerstört  und von Misstrauen  geprägt sein. Denn dass die Amerikaner sich die Unverschämtheit leisten, die von uns gebauten Erdgasleitungen in der Ostsee einfach in die Luft zu sprengen, davon ist so gut jeder überzeugt – man weiß aber auch, dass man darüber nicht reden darf.  Wie soll da Vertrauen wachsen?

Andere Völker für die eigenen Interessen bluten lassen

III. Die  Amerikaner  wollen uns also zwingen, das Risiko eines Krieges mit Russland einzugehen. Das kann man, wenn man deren imperialistische Ziele  bedenkt, auch gut verstehen.  Es ist immer gut,  andere Völker für die eigenen Interessen bluten zu lassen, und wenn es ein Volk auf der Erde gibt, welches das mit besonderer Geschicklichkeit getan hat, dann sind es die Briten und ihre transatlantischen Blutsbrüder. Uns Deutschen erzählt man dazu, dass die Nato uns im Falle eines russischen Angriffs helfen würde, und die USA mit ihrer Atommacht an unserer Seite in den Krieg eintreten würden.  O Sancta Simplicitas!  Können wir denn nicht einmal den Nato-Vertrag lesen?  Oder wollen wir  ihn nicht lesen – weil wir nämlich erkennen würden, wie sehr man mit uns spielt.  Ein mir bekannter Militärangehöriger gebraucht dafür ein  ordinäres Wort, dass sich auf „gerissen“  reimt.

Wen schützt der Nato-Vertrag konkret?

Sedes materiae**) ist Artikel 5 des Nato-Vertrages – und der  lautet: Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.***)

Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.

Nur die Sicherheit des Nato-Gebiets wieder herzustellen, gilt der Schutz

IV. Im Klartext also: Wenn Russland Deutschland angreift, dann gilt das als ein Angriff auf alle anderen NATO- Staaten, also auch USA.  So weit richtig. Diese müssen  uns nun Beistand leisten. Das geschieht dadurch, sie unverzüglich mit den anderen Nato-Partnern darüber beraten, welche Maßnahmen erforderlich sind –  nicht etwa, um Deutsche vor den Russen zu schützen! – sondern die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen. Artikel 5 sagt zwar in der Tat, dass dabei auch Waffengewalt in Betracht kommt,  aber  durch die Bezugnahme auf Artikel 51 der UN-Charta ist sogar völkerrechtlich gesichert, was ohnehin zu erwarten ist: Waffeneinsatz ist die letzte Option! Zur Verteidigung Deutschlands  wird Amerika ganz bestimmt keinen Krieg mit dem Risiko führen, dass russische Raketen auf das Gebiet der USA fallen.

Die Nato würde uns Deutschen bei einem russischen Angriff überhaupt nicht helfen

Ergebnis: Ich stelle fest, was anscheinend niemand sich traut, offen zu sagen: Die Nato würde uns Deutschen bei einem russischen Angriff überhaupt nicht helfen! Deutschland wäre von russischen Raketen vernichtet, ehe die Konsultationen gemäß Artikel 5 überhaupt angefangen hatten.  Und bei dieser Sach-  und Rechtslage sollen wir das Risiko eines militärischen Konfliktes mit Russland auf uns nehmen?  In der  Herrnhuter Losung für den heutigen 24. Januar 2023 sagt Jesus  mit Blick auf das Weltende: EUER HERZ ERSCHRECKE NICHT.

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* Dieser Text ist am 24. Januar entstanden und am 25. Januar in gekürzter Fassung auf der Web-Seite des Autors (hier) erschienen. Prof. Dr. iur. Menno Aden (Jahrgang 1942) hat Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn studiert (1963 bis 1967), wurde 1972 in Bonn promoviert, war in den Jahren 1971/72 Senior Research Officer am Institut für Rechtsvergleichung der Universität von Südafrika, war beruflich tätig in der Energie- und Kreditwirtschaft und von 1994 bis 1996  Präsident des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes in Schwerin, dann bis 2007 Professor an der FH für Ökonomie und Management in Essen. Verheiratet, fünf Kinder. Er hat neben seiner Lehrtätigkeit zahlreiche Schriften im Bereich Bank-, Wirtschafts- und internationales Recht verfasst, auch theologische Schriften und Bücher zu anderen Themen. Aus dem „Klappentext“ seines Buches: „Etliche berufliche Einsätze in aller Welt führten ihn immer wieder zu der Frage, wie es den Vereinigen Staaten von Amerika gelingen konnte, über viele Kriege hinweg zur imperialen Macht aufzusteigen, anderen Nationen – wie zum Beispiel Deutschland –  aber den Ruf eines „Störenfrieds der Weltordnung“ anzuhängen.“  Weiteres über Aden siehe hier.

** Sedes materiae = die maßgebliche Rechtsnorm

*** Hervorheben durch Fetten an dieser und an anderen Textstellen vom Autor AdenDie Überschrift und die Überschriften zwischen den Absätzen sind von mir eingefügt.

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