Jetzt zu Friedensgesprächen bereit?

Ukraine-Außenminister Kuleba will Verhandlungen unter UN-Ägide – Aber weiterhin stellt die Ukraine für Russland Vorbedingungen – Das schürt Zweifel, wie ernsthaft der ukrainische Verhandlungswille wirklich gemeint ist – Der Frieden als Verhandlungserfolg muss ernsthaft gewollt sein, nicht nur von der Ukraine und Russland allein – Putin bekräftigt seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen abermals – Wenn tonangebend weiterhin der Ungeist der Rechthaberei und der militärischen Stärke sind

Nun also zeigt sich die Ukraine zu Friedensgesprächen bereit? Will sie das jetzt wirklich? Oder ist das nur eine Finte? Tatsache wenigstens ist ein Zeitungsbericht, den ich heute Morgen in meiner Regionalzeitung las.*) Die Überschrift lautete: „Ukraine will einen Friedensgipfel.“ Bis Ende Februar wolle sie über das Ende des Krieges beraten. Bisher hatte sie sich echten Verhandlungen, die nur Sinn machen, wenn im Ergebnis auch die Ukraine zu Kompromissen bereit ist, stets verweigert und Vorbedingungen gestellt, die zu erfüllen, von Russland nicht ernsthaft erwartet werden konnte. Der Anstoß zu solchen Gesprächen soll vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba gekommen sein.

Außenminister Kuleba für Verhandlungen unter UN-Ägide

Konkreter berichtet ein Artikel des Info-Portals EuroNews (hier): „Der ukrainische Außenminister hat die Vereinten Nationen aufgefordert, Friedensgespräche zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zu organisieren. In einem Interview mit Associated Press sagte Dmytro Kuleba, seine Regierung sei dafür, dass Generalsekretär António Guterres die Gespräche im UN-Hauptquartier in New York ausrichte.“  Wie sich Kuleba die Friedensverhandlungen vorstellt, beschrieb er so: „Wir zielen auf Ende Februar ab, wenn der Krieg in sein zweites Jahr eintritt oder voraussichtlich in sein zweites Jahr eintreten wird. Wir denken, dass die Vereinten Nationen der beste Ort für die Durchführung dieses Gipfels sein könnten, denn es geht nicht darum, einem bestimmten Land einen Gefallen zu tun. Es geht wirklich darum, alle mit ins Boot zu holen.“

Aber weiterhin stellt die Ukraine für Russland Vorbedingungen

Doch auch jetzt wieder beharrt die Ukraine zu Lasten Russlands auf Vorbedingungen. Eine davon ist nach Kuleba die vollständige Rückgabe des ukrainischen Territoriums einschließlich der Krim: „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um das kommende Jahr zu einem Jahr des ukrainischen Sieges zu machen. Und dieser Sieg bedeutet die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine. Wir werden über keinen Quadrat-Zentimeter und keinen Zoll unseres Landes verhandeln. Das ist nicht verhandelbar.“ Außerdem dürfe Russland an den UN-Verhandlungen nur dann teilnehmen, wenn sich die russische Führung für die Kriegsverbrechen in der Ukraine verantworte.

Zweifel daran, wie ernsthaft der ukrainische Verhandlungswille wirklich gemeint ist

Aber was soll das?  Hat die Ukraine keine solchen Verbrechen begangen? Derartige Verlangen sind für Russland eine Zumutung, auf die es sich nie einlassen wird und die zugleich Zweifel daran schürt, wie ernsthaft der ukrainische Verhandlungswille wirklich gemeint ist. Die Ablehnung aus Russland kam folglich prompt: Russland folge niemals den Bedingungen, die andere festgelegt hätten, verlautet vom russischen Regierungssprecher Dmitri Peskow nach Darstellung der russischen Staatsagentur Ria Nowosti. Russland nicht beteiligen zu wollen, wenn es solche Vorbedingungen nicht akzeptiert, ist absurd. Waffenruhe und dauerhaften Frieden gibt es nur mit, nicht ohne Russland.

Der Frieden als Verhandlungserfolg muss ernsthaft gewollt sein, nicht nur von der Ukraine und Russland allein

Wer Vorbedingungen stellt, will ausschließen, was zwingend oder zweckmäßig zum Verhandlungsgegenstand gehört, und hat es auf das abgesehen, was einem bestandssicheren Verhandlungserfolg zuwiderläuft. Einen solchen Erfolg müssen beide Seiten ernsthaft wollen, sonst sind die Verhandlungen nur Schaugepränge. Aber nicht nur Russland und die Ukraine müssen diesen ernsthaften Willen haben, vor allem auch die USA (als die eigentlichen Kriegstreiber im Hintergrund und der Hauptlieferant von Waffen) sowie die Europäische Union, die mit ihren Waffen- und Geldlieferungen den Krieg zusätzlich verlängern hilft. Über „Die Schurkenrolle der USA im Ukraine-Krieg“ siehe hier. Und eine Generalabrechnung von Putin mit der westlichen Hegemonialpolitik gibt es in seiner Rede vom 30. September 2022 vor dem Valdai-Forum in Moskau (der Text hier, Kommentierung durch Roger Köppel in seiner Weltwoche Daily hier).

Putin bekräftigt seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen abermals

Gerade hat Putin seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen wiederholt. Gegenüber dem staatlichen Fernsehsender Rossiya 1 sagte er: „Wir sind bereit, mit allen Beteiligten über akzeptable Lösungen zu verhandeln, aber es liegt an ihnen. Nicht wir verweigern Verhandlungen, sondern sie.“ (hier).

Wenn tonangebend weiterhin der Ungeist der Rechthaberei und der militärischen Stärke ist

Im September 2022 brachte die FAZ einen Leserbrief**), der dafür eintritt, endlich zu verhandeln: „Warum beschäftigt man sich derzeit fast nur noch mit Gasproblemen und Waffenlieferungen an die Ukraine statt mit alternativen Friedensinitiativen? … Leider wurden von westlicher Seite NATO-Ausweitungen, aber keine weiterführenden Versöhnungsaktionen unternommen, das hat zu Enttäuschungen und Verhärtungen auf russischer Seite geführt. Jetzt haben sich auch die westlichen Länder wie Putin in ein militärisches Abenteuer verrannt. Da braucht es statt Telefonaten echte Vermittler, die die Interessen beider Seiten berücksichtigen. Jedenfalls könnte mit einem Angebot von Sanktionsaufhebungen ein Stopp beim Zerstören und Töten gesetzt und könnten Spielräume für Verhandlungen über strittige Punkte ermöglicht werden, sodass auch die gefürchteten Energie- wie Hungerprobleme schlagartig beendet werden könnten. Eine neutrale Ukraine ist jedenfalls auch sinnvoller als eine weitgehend zerstörte. Wenn weiter der Ungeist der Rechthaberei und der militärischen Stärke den Ton angeben, wird das Töten und Zerstören zunehmen.“

In Deutschland 55 Prozent für einen sofortigen Friedensschluss

Deutsche mit dieser Ansicht gibt es viele. Nach bisherigen Umfragen sind sie eine zumindest knappe Mehrheit. Laut einer jüngsten Umfrage (YouGov im Auftrag der dpa hier) votieren  55 Prozent der Befragten in Deutschland für einen sofortigen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine. Unter den AfD-Wählern stimmen 80 Prozent dafür. Am geringsten ist mit 46 Prozent die Zustimmung bei Wählern der Grünen. Anhänger der SPD sind zu 52 Prozent für Verhandlungen, Anhänger der FDP zu 53 Prozent. An einen tatsächlichen baldigen Friedensschluss glauben die meisten Befragten allerdings nicht. 57 Prozent sind überzeugt, dass der Krieg mindestens bis Ende 2023 dauert. Nur 27 Prozent erwarten, dass er im Lauf des neuen Jahres endet. 19 Prozent haben keine Angaben gemacht.

Waffenlieferungen an die Ukraine gilt der EKD-Vorsitzenden als „christliche Pflicht der Nächstenliebe“

Ziemlich antichristliche Töne kommen aus amtlichem Kirchenmund. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Annette Kurschus, verstieg sich zu der Äußerung, Waffenlieferungen seien eine „christliche Pflicht der Nächstenliebe“, denn man dürfe nicht zusehen, wie unschuldige und wehrlose Menschen mitten in Europa getötet würden (hier und hier). Also Waffen liefern zum Töten, weil andere getötet werden? Mit dem fünften biblischen Gebot geht diese Theologin und Pfarrerin so um: „Du sollst nicht töten“ heißt auch: Du darfst die Totschläger nicht gewähren lassen. Deshalb kann ich sagen: Ich halte die Unterstützung mit Waffen zur Verteidigung als ultima ratio für geboten.“ (hier). Zugleich räumte sie allerdings ein: „Trotzdem bin und bleibe ich davon überzeugt, dass keine Waffe den Frieden bringen wird. Jede Waffe, die Leben verteidigt, tötet auch Leben. Auf dieses Dilemma habe ich von Anfang an hingewiesen.“ (ebenda). Wenigstens damit dürfte sie auf Zustimmung stoßen.

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*)  Lübecker Nachrichten vom 28. Dezember 2022, Seite 4. In der Druckausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom gleichen Tag war darüber noch nichts zu lesen.

) votieren 55 Prozent der Befragten in Deutschland für einen sofortigen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine. Unter den AfD-Wählern stimmen 80 Prozent dafür. Am geringsten ist mit 46 Prozent die Zustimmung bei Wählern der Grünen. Anhänger der SPD sind zu 52 Prozent für Verhandlungen, Anhänger der FDP zu 53 Prozent. An einen tatsächlichen baldigen Friedensschluss glauben die meisten Befragten allerdings nicht. 57 Prozent sind überzeugt, dass der Krieg mindestens bis Ende 2023 dauert. Nur 27 Prozent erwarten, dass er im Lauf des neuen Jahres endet. 19 Prozent haben keine Angaben gemacht.**) FAZ vom 23. September 2022, Seite 18.

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