Sie muss Staatenbund bleiben, darf nicht Vielvölker-Bundesstaat werden – Auch schon jetzt als Staatenbund ein verschachteltes, nicht-transparentes Machtgeflecht – Alle Vielvölker-Staaten sind an inneren Gegensätzen und Spannungen zerbrochen – Das Eintreten für die EU als Staatenbund nicht als Europa-Feindlichkeit missdeuten – Patriotismus in Deutschland verdrängt, in anderen EU-Staaten sehr lebendig – Im EU-Zentralstaat kommt es unumkehrbar zu noch weniger Demokratie – Die EU als Staatenbund reformieren und mit neuem Namen erhalten
Ein Gastbeitrag von Gerd Schultze-Rhonhof*) zur Bundestagswahl 2021 (4)
Junge Wähler haben auch darüber zu entscheiden, in welcher EU sie und ihre Kinder in Zukunft leben wollen. Sie entscheiden damit, ob Deutschland seine Eigenstaatlichkeit behält und Mitglied im föderalen Staatenbund EU bleibt oder ob sie in einem Vielvölkerstaat EU unter zentraler Leitung aus dem fremden Brüssel leben werden, wie es die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung derzeit in relativer Stille vorbereiten.
Nach meiner Auffassung bilden der Nationalstaat und die Demokratie eine vernünftige Symbiose. Im Nationalstaat sind Bürger gleicher Sprache und gleicher geschichtlicher Erfahrungen verbunden, die sich in demokratischen Prozessen in ihrer Muttersprache auseinandersetzen und verständigen können. Im Gegenmodell, dem Vielvölkerstaat, entfällt der weitgehend demokratische Prozess in gleicher Sprache und mit gleichem historischem und kulturellem Hintergrund, aus dem sich viele politische Entscheidungen begründen.
Auch schon jetzt als Staatenbund ein verschachteltes, nicht-transparentes Machtgeflecht
Die EU ist ein segensreicher und notwendiger Staatenbund, aber nur pro forma demokratisch. Sie arbeitet ohne gewählte Regierung und ohne ein Parlament, das den Zahlenproporz ihrer Wähler widerspiegelt. Bei EU-Wahlen stehen uns keine EU-politischen Fragen und Programme zur Wahl, sondern nur die Auswahl deutscher Parteipolitiker auf Plakaten mit sinnentleerten Werbefloskeln. Statt einer durchschaubaren Demokratie ist die EU ein verschachteltes, nichttransparentes Machtgeflecht geworden. Es ist nicht anzunehmen, dass eine zu einem Staat vereinigte EU, die sie nach Absicht aller Altparteien werden soll, demokratischer und bürgernäher wird. In einem Staat EU wird die weitere, oben aufgesetzte Hoheitsgewalt noch gebiets- und bevölkerungsferner regieren, als die in jeder Hinsicht näheren Regierungen der Nationalstaaten. Und ob die in der Corona-Krise gezeigte Schwerfälligkeit der EU-Administration in einem EU-Staat abnimmt oder weiter zunimmt, ist noch nicht erwiesen.
Das Eintreten für die EU als Staatenbund nicht als Europa-Feindlichkeit missdeuten
Eine EU-Staatsregierung wird zusätzliche Steuern erheben (wie inzwischen schon beschlossen), die Schuldenlast der wirtschaftsschwachen Mitgliedsländer auf die Schultern der wirtschaftsstarken gleichmäßig verteilen, die Kompetenzen ihrer Mitgliedsländer begrenzen, neu geschaffene Behörden eröffnen, uns mit weiteren Regeln überziehen und den Bundestag noch mehr entmachten. Aus der bisherigen Föderation von Nationalstaaten wird ein seinen Mitgliedsvölkern noch fremder Zentralstaat werden. Man sollte das bisherige Eintreten der AfD für den Erhalt der EU als föderalen Staatenbund auch aus dieser Sicht betrachten und nicht als Europafeindlichkeit missdeuten.
Patriotismus in Deutschland verdrängt, in anderen EU-Staaten sehr lebendig
Unter Menschen derselben Sprache und derselben Heimat bildet sich zudem ein stärkeres Solidaritäts- und Identitätsgefühl als unter einer Vielzahl sich in vieler Hinsicht fremder Völker. Dass hiervon in Deutschland derzeit kaum etwas zu spüren ist, liegt am seit Jahren bewusst verdrängten Patriotismus hierzulande. Im Gegensatz dazu ist das Nationalbewusstsein in allen anderen Staaten der EU noch sehr lebendig.
Alle Vielvölker-Staaten sind an inneren Gegensätzen und Spannungen zerbrochen
Der einzige Vielvölkerstaat, der demokratisch funktioniert, ist die Eidgenossenschaft der Schweiz. Alle Vielvölkerstaaten, die wir aus dem vergangenen Jahrhundert kennen, sind an inneren Gegensätzen und Spannungen zerbrochen, wenn auch oft erst unter äußerer Gewalt. Das waren das Habsburger- und das Osmanische Reich, die Sowjetunion, Polen (mit 33 Prozent Angehörigen nichtpolnischer Völker), die Tschechoslowakei (mit 50 Prozent Nichttschechen), Jugoslawien (mit 64 Prozent Nichtserben), der Irak, der Libanon und Libyen. Selbst in Belgien mit seinen drei Nationen gibt es bis heute keinen inneren Frieden.
Risse in der EU schon heute sichtbar, trotzdem ist das Ziel von Politikern der Zentralstaat
Angesichts dieser nahen historischen Erfahrungen versucht die EU sich dennoch als Vielvölkerstaat zu etablieren. Die heutige EU-Kommission strebt unverhohlen an, mit immer weiteren, neuen „Vergemeinschaftungen“ einen zentral regierten Vielvölkerstaat zu schaffen. Die etablierten deutschen Parteien fördern diesen Ansatz, obwohl die Gegenbewegungen und Risse in manchen Teilen der EU schon heute sichtbar sind. Das sind der Brexit und das Ausscheren einzelner nord- und osteuropäischer Staaten aus der von Brüssel vorgegebenen Rechts-, Wirtschafts- und Einwanderungspolitik. Bundespräsident Johannes Rau (SPD) hatte schon 1992 in einer von den Medien weitgehend unterschlagenen Rede vor dieser riskanten Entwicklung der EU zum Großstaat eindringlich gewarnt.
Woraus Europa seine Kraft auch gegenüber Großmächten schöpft
Als nicht ganz unberechtigtes Argument pochen die Altparteien und die Medien darauf, dass in Zukunft nur eine starke und geeinte EU dem weltweiten Kräftespiel der Großmächte gewachsen sein wird. Doch das verkennt, dass Europa nicht aus einer Mischbevölkerung mit gleicher Sprache wie die USA besteht und dass es nicht von einer Leitnation in Diktatur beherrscht wird wie China und wie Russland, sondern dass es seine Kraft aus der Stärke seiner gewachsenen und verschiedenen Nationen schöpft. Auch der Ansatz der Europäischen Kommission, die Völker der EU verstärkt mit Einwanderern zu mischen, wird das nicht ändern. Die EU war ursprünglich als Bund souveräner Staaten für eine „immer engere Zusammenarbeit“ vorgesehen und gegründet. Sie sollte für Frieden und gedeihliche Zusammenarbeit sorgen und subsidiär helfen, gemeinsame Aufgaben zu bewältigen, wo dies die Mitgliedsstaaten nicht alleine leisten konnten. Der französische Präsident de Gaulle hatte das Projekt kooperierender Nationalstaaten treffend als „Europa der Vaterländer“ bezeichnet.
Im EU-Zentralstaat kommt es unumkehrbar zu noch weniger Demokratie, noch mehr Fremdbestimmung, noch weniger Bürgernähe und Nation, noch mehr Schulden-Umverteilung
Inzwischen vertritt nur noch die AfD diese Idee der Gründungsväter der europäischen Vereinigung. Indessen bauen die EU-Kommission und die Bundesregierung die europäische Gemeinschaft weiter konsequent zu einem Vielvölkerstaat aus, ohne vorher die Zustimmung der Mitgliedsvölker dazu einzuholen. Ein eigenes Steuer- und Haushaltsrecht, eine eigene EU-Armee und die weitere Vergemeinschaftung der Schulden der schwachen EU-Länder sind als die anvisierten nächsten Schritte dazu vorgesehen. Im neuen AfD-Vorschlag, Deutschland möge die EU verlassen, muss man den verzweifelten Versuch erkennen, den Absprung vom EU-Zug noch rechtzeitig zu schaffen, ehe er im Sackbahnhof des EU-Vielvölker- und Zentralstaats einläuft. Für uns in Deutschland gäbe es dann unumkehrbar noch weniger Demokratie, noch mehr Steuern, noch weniger Selbstbestimmung, noch mehr Fremdbestimmung, noch weniger Bürgernähe, noch mehr Schuldenumverteilung und noch weniger Nation.
Die EU als Staatenbund reformieren und mit neuem Namen erhalten
Zu dieser AfD-Idee gehört aber auch der von den Medien bisher verschwiegene Vorschlag, die EU zu reformieren und so als Staatenbund und Wirtschaftsgemeinschaft mit neuem Namen zu erhalten. Eine radikale Auflösung der EU ohne diese „Alternative für Deutschland“ wäre sonst der falsche Weg. Er brächte Deutschland eine Isolation inmitten von neidischen und argwöhnischen Nachbarn, wie sie uns schon zweimal 1914 und 1939 in Katastrophen geführt hat, von den ökonomisch negativen Folgen ganz abgesehen. Eine Reform der EU, angestoßen von einer AfD in einer großen bürgerlichen Koalition, wäre da die bessere Alternative.
____________________________________
*) Der ehemalige Generalmajor der Bundeswehr, Gerd-Schultze-Rhonhof, hat sich, seit er außer Dienst ist, immer wieder mit politischen Beiträgen zu Wort gemeldet. Mit seinen sachlich-nüchternen, klugen und kritischen Analysen hat er die politische Diskussion in Deutschland bereichert und wertvolle Aufklärarbeit geleistet und tut dies weiterhin. Sein Wirken ist beispielgebend. Mit seinem Einverständnis habe ich schon etliche seiner Analysen und Warnungen als Gastbeiträge an dieser Stelle veröffentlicht, denn aufrechte, unbestechliche Männer wie er, die sich öffentlich äußern, sind hierzulande selten geworden. Der folgende Beitrag stammt aus einer sehr langen Lagedarstellung von ihm, deren gesamter Umfang den Rahmen an dieser Stelle hier sprengen würde. Es handelt sich also um einen Ausschnitt, der aber in sich geschlossenen ist. Der Beitrag und die noch folgenden mögen die persönliche Wahlentscheidung zur Bundestagswahl am 26. September erleichtern helfen. Schultze-Rhonhoff konzentriert sich auf jene Themen, die die Altparteien im Wahlkampf vermeiden, die aber Deutschlands Zukunft entscheidend bestimmen werden. Die Überschrift und die Zwischenüberschriften in diesem Beitrag stammen von mir.