Das Finanzinstrument für eine mehr und mehr sozialistische Politik
„Staatsschulden sind gar nicht so übel.“ Diese Feststellung1) stimmt. Allerdings nur dann, wenn politische Führung und Bürger beachten, worauf es dabei ankommt: Der Staat sollte sich nur für investive Zwecke (Beispiel Infrastruktur) verschulden, nicht aber dafür, um laufende Ausgaben für konsumtive Zwecke (Beispiel Subventionen) zu finanzieren. Sollen nämlich die Kinder- und Kindeskinder die auf sie überkommende Schulden- und Zinslast mittragen, ist das nur dann vertretbar, wenn auch sie noch von dem profitieren, was mit den Krediten ihrer Vorgänger finanziert wurde.
Ende 2010 schon über 2 Billionen Euro
Wir wissen, dass sich Staaten an diese hausväterliche Regel nicht halten. Auch der deutsche nicht. Seine Schuldenlast steigt und steigt. Zum Jahresende 2010 dürfte der offen ausgewiesene Schuldenberg von Bund, Länder und Gemeinden (explizite Staatsschulden) auf etwa 2,086 Billionen Euro gestiegen sein, hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) im Dezember prognostiziert. Zum 30. September sind es nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes 1,791 Billionen gewesen und damit 21 882 Euro je Kopf der Bevölkerung.* Etwa zwei Drittel sind Schulden des Bundes, ein Drittel Schulden der Länder. Die kommunale Verschuldung fällt insgesamt nicht ins Gewicht, auch wenn den großen Städten das Schuldenwasser bis zum Hals steht.
Statt höchstens 60 jetzt schon 83,5 Prozent des BIP
2010 machte die Schuldenlast der öffentlichen Haushalte nach IfW-Angaben 83,5 des deutschen Bruttoinlandsproduktes aus. Im Jahr davor sind es 73,4 gewesen. Für 2011 rechnet das Institut mit 84,3 und für 2012 mit 85,1 Prozent.2) Und das, obwohl die deutsche Wirtschaft, wie wir immer wieder lesen, so wundervoll wächst. Nach den EU-Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht (1992) darf der staatliche Schuldenstand 60 Prozent des BIP nicht übersteigen. Tempi passati, Vertrag gebrochen. An die weiteren 6,2 Billionen Euro* der nicht ausgewiesenen Staatsverschuldung (implizite Schulden) mag man gar nicht denken.
Der Zusammenbruch der Währung – ein Buch
Kann das denn immer so weitergehen? Ohne dass es mit Schrecklichem endet? Es kann nicht und wird nicht, meint Bernd-Thomas Ramb, Professor für Volkswirtschaftslehre in Siegen und Diplom-Mathematiker. In einem kleinen verständlich geschriebenen, leicht lesbaren Buch3) legt er dar, warum die Staatsverschuldung zum Zusammenbruch unserer Währung führt und wie man sich darauf vorbereitet. Das geschieht sehr übersichtlich in vier Kapiteln. Im ersten geht es um die Kosten und Gefahren der Staatsverschuldung, im zweiten um Alternativen des Schuldenabbaus, im dritten um private Vorsorgemaßnahmen. Das vierte enthält Überlegungen zu einem Neuanfang, nämlich nach der für Ramb unausweichlichen Währungsreform. Das Buch informiert zum Thema Verschuldung verlässlich und trotz wohltuender Kürze umfassend: über den Schuldenanstieg, die Schuldzinsen, die Rolle der Gläubiger, die Schuldenknechtschaft und ihre Folgen, die Inflation, den Staatsbankrott, die Währungsreform. Sehr nützlich sind die Hinweise zu privaten Vorsorgemaßnahmen (Grundsätze und Gefahren, Flucht in die Sachanlagen und individuelle Optimierung).
Die Bürger besteuern oder anpumpen
Der Staat hat, um das für seine Aufgaben benötigte Geld zu bekommen, immer zwei Möglichkeiten. Die eine: Er knöpft seinen Bürger Steuern und andere Abgaben ab. Die andere: Er pumpt sie an, indem er ihnen (oder sonstigen Geldgebern) Staatsanleihen andreht, pardon: verkauft. Käufer für seine Anleihen findet er aber nur, wenn er das gepumpte Geld verzinst und die Käufer überzeugt sind, das verliehene Geld zurückzubekommen. Weil sie daran glauben und wenn sie gekauft haben, nennt man sie die Gläubiger – nicht die Gläubigen, das sind die in der Kirche, obwohl auch zur Verlässlichkeit, Güte und Allwissenheit des Staates ein fester Glaube gehört.
Mit Schulden geht’s am einfachsten
Zwar ist das Eintreiben von Steuern und Abgaben für den Staat billiger, zumal dann, wenn er zum Eintreiben die Unternehmen verpflichtet, also zu Bütteldiensten zwingt (wie bei der Lohnsteuer und den Sozialabgaben der Fall). Aber mehr als 50 Prozent der Einkünfte sollte er den Bürgern auf keinen Fall abknöpfen, vernünftigerweise sogar deutlich weniger. Auch die Schafschur soll bekanntlich dort enden, wo die nackte Haut beginnt. Wähler wollen eigentlich gar nicht geschoren werden, sondern lieber etwas bekommen. Das aber geht am einfachsten mit Schulden. Das Finanzieren von Politik mit Schulden ist gleichsam eine Schafschur, die für die Geschorenen unmerklich ist. Die Tilgung wird in die Zukunft und auf ihre Kinder samt Kindeskinder verlagert, der steigende Zinsendienst ihnen über höhere allgemeine Steuern selbst aufgehalst. So wiegen sich die unmerklich Geschorenen in dem Glauben, sie hätten für das scheinbar unentgeltlich Erhaltene keinen Preis zu bezahlen.
Als Sicherheit bietet der Staat nur seine Steuerzahler
Schuldenmachen ist für Politiker eine feine Sache. Sicherheiten wie ein privater Kreditnehmer brauchen sie nicht zu stellen; als Sicherheit für die Gläubiger müssen die Steuerzahler dienen. Wenn Politiker den Staat überschuldet haben, haften sie nicht. Weder bei íhnen noch beim Staat kreuzt der Gerichtsvollzieher auf. Ist der Staat wegen Überschuldung zahlungsunfähig, haben die Gläubiger das Nachsehen. Das sind, wenn sie Staatsanleihen gekauft haben, auch die eigenen Bürger. Die Bürger sind beim Staatsbankrott ohnehin die Leidtragenden. Sie verlieren manche Sozialleistungen, müssen auch auf andere Staatsleistungen verzichten, müssen den Staat vielleicht mit Vermögensabgaben und höheren Steuerzahlungen heraushauen oder gramerfüllt erleiden, dass ihr Geld nichts mehr wert ist.
Die Geldschöpfung aus dem Nichts
Sich verschulden, heißt, einen Kredit aufnehmen. Sobald ein Kredit vergeben wird, der nicht aus Spargeldern stammt, steigt die Geldmenge. Damit wird Geld gleichsam aus dem Nichts geschaffen, in beliebiger Menge. Steigt die Geldmenge stärker als die Gütermenge und damit stärker als das Wirtschaftswachstum, droht von der aufgeblähten Geldmenge Gefahr, Inflationsgefahr. Das Güterangebot ist relativ knapp, die Geldmenge vergleichsweise nicht. Wird das zu viele Geld nachfragewirksam, werden also mit ihm Güter nachgefragt, kommt es tendenziell zu Preissteigerungen.
Die geöffneten Geldschleusen
Mit den überdimensionalen Kreditpaketen von Regierungen und Zentralbanken, auch der Europäischen, um Banken vor der Zahlungsunfähigkeit als Folge von Überschuldung (Finanzkrise genannt) zu retten, wurden die Geldschleusen geöffnet. Noch sind diese Geldmengen überwiegend auf den Finanzmärkten unterwegs, nicht auf den Konsumgütermärkten. Noch findet der Preisanstieg auf ihnen statt – wie am Boom der Aktienkurse zu sehen ist.
Die unglaublich niedrigen Kreditzinsen
Das Fatale: Die von Zentralbanken bestimmten und damit manipulierten Zinsen für Kredite sind inzwischen unglaublich niedrig. Sie stellen den Banken Kreditgeld sogar nahezu unentgeltlich zur Verfügung, an der Spitze die amerikanische Fed. An sich müssten Zentralbanken bei zu starker Kreditnachfrage und damit zu großer Geldschöpfung die Leitzinsen heraufsetzen, um sonst drohende Inflationsgefahr abzuwehren. Aber die Zinsschraube bleibt gelockert, die Zinsen werden künstlich niedrig gehalten. Auch schon vor der Finanzkrise wurden sie es, angeführt von der Fed. Niedrige Zinsen sollten und sollen Investitionen sowie Käufe auf Pump erleichtern, also die Konjunktur ankurbeln.
Das besondere Staatsinteresse an der Niedrigzinspolitik
Aber nicht nur das: Schlimmerweise sind Regierungen, wenn ihre Staaten hochverschuldet sind, an Niedrigzinsen besonders stark interessiert, die amerikanische, die europäischen. Sonst würde der Zinsendienst für die Schulden ihre Haushalte noch stärker belasten und weitere Verschuldungen zu stark erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Mit der Niedrigzinspolitik wird also der ohnehin schon zu stark ausgeprägte Drang von Politikern, ihre Maßnahmen zum Wählerfang mit Schulden über Schulden zu finanzieren, noch zusätzlich gefördert, statt der Staatsverschuldung Einhalt zu gebieten. Schließlich werden die Haushalte durch die steigende Zinsenlast überfordert, und eines Tages kommt es zum Staatsbankrott.
Ein freiwilliger Verzicht auf Schuldenpolitik nicht zu erwarten
Zurück zu dem Buch von Ramb: In dessen viertem und letztem Kapitel schreibt er: „Solange das Schuldenmachen gesetzlich erlaubt ist und Politiker aufgrund kreditfinanzierter Wahlversprechen Wahlen gewinnen können, ist eine freiwillige Beendigung des Schuldenzuwachses nicht zu erwarten – auch nicht nach einem dadurch verursachten Zusammenbruch der Währung mit anschließender Währungsreform. Vielmehr ist zu befürchten, dass nach einer Weile das Schuldenmachen erneut beginnt.“ Und davon, dass die Einsicht der Wähler gereift und gefestigt ist, um dem Schuldentreiben ihrer Politiker Einhalt zu gebieten, hält Ramb ebenfalls so gut wie nichts. Es sei praktisch unmöglich, alle Bürger davon zu überzeugen, dass staatliche Schulden auf Dauer schädlich seien.
Lassen sich Politiker persönlich haftbar machen?
Ramb plädiert für ein gesetzliches Schuldenverbot (was aber zu rigoros ist, weil eine Verschuldung für investive Zwecke möglich bleiben sollte). Dafür ausreichen würde schon, wie er schreibt, eine für Politiker persönliche Schuldenhaftung einzuführen: „Müssten Politiker für die in ihrer Amtszeit von ihnen beschlossene und vollzogene Kreditaufnahme persönlich aufkommen, sobald die Steuereinnahmen diese nicht decken, gäbe es sofort keine defizitären Öffentlichen Haushalte mehr.“ Doch erläutert er nicht, wie er sich das Regelwerk für die praktische Anwendung im Einzelnen vorstellt.
Staatsverschuldung für sittenwidrig erklären?
Eine Grundlage für das Verschuldungsverbot, die eigentlich schon bestehe, sieht Ramb in der moralischen Einstufung der staatlichen Kreditverträge als sittenwidrig – und zwar für beide Seiten: den Staat als Schuldner und die Käufer seiner Anleihen als Gläubiger. Im Privatrecht sei der Rechtsgrundsatz „Verträge zu Lasten Dritter sind nichtig“ – die „Dritten“ sind die Steuerzahler – sei als selbstverständlich anerkannt. Warum dieser Rechtsgrundsatz nicht auch auf staatliche Verträge angewendet werde und warum Regierungen zum unsittlichen Handeln berechtigt sein sollen, sei nicht zu verstehen. Nun, verständlich ist das schon, nur nicht akzeptabel.
Eine Wende mit diesen Politikern? Ausgeschlossen
Ramb plädiert für einen „Neuanfang nach der kommenden Währungsreform“, der jede neue staatliche Schuldenanhäufung dauerhaft verhindere. Was dessen „Kern“ sein soll, kennzeichnet er kurz mit dem Schlagwort der „geistigen und moralischen Wende“, auch wenn dieser Begriff in der Vergangenheit in übler Weise missbraucht worden sei. Die aber sei von den alten Parteien nicht zu erwarten, „weil alle Regierungen in der Vergangenheit offen oder versteckt sozialistische Politik betrieben haben“. Nötig sei eine neue Generation von Politikern. Mit den aktuell regierenden Politikern hält Ramb eine Wende praktisch für ausgeschlossen – zu Recht, denn wenn sie eine Wende wirklich ernsthaft anpacken, werden sie unter heftiger Mithilfe der Oppositionsparteien abgewählt. Und ob in den derzeit parlamentarisch vertretenen Parteien Nachwuchskräfte vorhanden sind, die einen solchen Politikumbruch bewerkstelligen könnten, bezweifelt er ebenfalls aus zutreffenden Gründen.
Reformunwillig aus Eigeninteresse
Ramb ist also Realist genug. Im Nachtrag des Buches schreibt er: „Auf eine freiwillige Umkehr ist nicht zu hoffen. Die Reformunfähigkeit des Systems bestätigen sämtliche deutschen Regierungswechsel seit 1981.“ In der Tat wird kein Politiker der herrschenden Politischen Klasse Gesetze entwerfen lassen und beschließen, die seine mittels Schuldenpolitik bisherigen politischen Eingriffsmöglichkeiten beschneiden, dadurch seine politische Macht einschränken und gar zu seiner Abwahl führen. Dafür ist das persönliche Eigeninteresse dieser Klasse einfach zu stark und ihr Interesse am Gemeinwohl, obwohl heuchlerisch gern im Munde geführt, zu gering.
Eine neue politische Kraft muss her
Möglichkeiten zur Umkehr sieht Ramb in einer neuen politischen Kraft. Das könne nur eine freiheitlich-konservative Kraft sein: „eine unverbrauchte und echte Alternative zu den aus traditionellen oder opportunistischen Gründen sozialistisch orientierten Parteien roter, grüner, schwarzer oder brauner Couleur“. Die gelbe Couleur nennt er nicht, aber auch die, also die FDP, hat dem sozialistischen Zeitgeist längst ihre verderblichen Opfer gebracht. Freilich muss Rambs neue Kraft erst politisch stark und gewählt werden. Danach aber sieht es überhaupt nicht aus.
1) Überschrift zu einem Artikel von Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 19. Dezember 2010, der zu lesen sehr empfehlenswert ist. http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~E9409B57A082A47E1961B0DB13A0C45E4~ATpl~Ecommon~Scontent.html
2) http://www.ifw-kiel.de/medien/medieninformationen/2010/deutschland-aufschwung-verlangsamt-sich-2013-schuldenkrise-bleibt-ein-risiko
3) Bernd-Thomas-Ramb: Der Zusammenbruch unserer Währung. Warum die Staatsverschuldung dazu führt und wie man sich darauf vorbereitet. 168 Seiten. Sonderausgabe des Deutschland-Magazin, Hamburg 2010. Bezug: Die Deutschen Konservativen, 22083 Hamburg, Beethoven-Str. 60.