Für Dankbarkeitsbekundungen kein Anlass

Die von der Koalition geplanten mageren Steuererleichterungen

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP im Bund, geschlossen vor gut einem Jahr, stellt auf Insistieren der FDP ein Senken der Einkommen-Steuerlast in Aussicht, ebenso die Inangriffnahme einer strukturellen Einkommensteuer-Reform. Geworden ist daraus bisher nichts; die Union war ohnehin unwillig gewesen, und der Etatist Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister verstand es, beides mit der Begründung zu unterminieren, der Schuldenabbau habe Vorrang. Doch hat sich Schäuble auf FDP-Drängen immerhin bequemt, wenigstens eine Vereinfachung vorzuschlagen, eine in neunzehn (kleinen) Schritten. Das war im Oktober. Am 9. Dezember 2010 im Kanzleramt hat sich die Koalitionsspitze auf Maßnahmen dafür geeinigt, aufgebauscht im Kerzenschimmer der Adventszeit zum „kleinen, schönen Paket für den weihnachtlichen Gabentisch“. Teils soll es spätestens zum 1. Januar 2012 wirksam werden, teils schon jetzt im neuen Jahr, rückwirkend zum 1. Januar 2011, denn die Einigung muss noch das Bundeskabinett, den Bundestag und den Bundesrat passieren; das dauert. Mehr als ein bloßer Gutschein auf dem Gabentisch war und ist das Bündel also nicht.

So wenig ist das

Steuererleichterungen sind vorgesehen unter anderem beim Arbeitnehmerpauschbetrag, beim Kindergeld, beim Vermieten an Verwandte, Vereinfachungen bei der Steuererklärung (nur alle zwei Jahre) bei der Entfernungspauschale, bei den Kinderbetreuungskosten, bei Kapitaleinkünften, beim Besteuern von Rentnern. Wohl summieren sie sich für den Fiskus nach amtlichen Angaben auf Einnahmeneinbußen von 590 Millionen Euro, aber für den Einzelnen ist die Entlastung geradezu winzig. Mit dem leicht höheren Pauschbetrag kommen zum Beispiel sozialversicherungspflichtige Einzelpersonen oder Ehepaare mit nur einem Verdiener auf eine Ersparnis zwischen 12 und 35 Euro. Im Jahr. Damit lässt sich für sie gegen Ende des Jahres nicht mehr als ein nicht allzu üppiger Besuch auf dem nächsten Weihnachtmarkt finanzieren – wenn sie denn bis dahin das Geld wirklich in die Tasche bekommen haben. Und setzt man die 590 Millionen ins Verhältnis zum gesamten Aufkommen an Lohn- und Einkommensteuer von gut 63 Milliarden, wird deutlich wie wenig das ist, nämlich nur 0,9 Prozent. Für Dankbarkeitsbekundungen besteht also keinerlei Anlass.

Die Zusatzbelastungen sind hoch, die Entlastungen Brotsamen

Zu Recht auch wies der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel auf zusätzliche Belastungen für Arbeitnehmer hin: 200 Millionen durch eine (noch) höhere Tabaksteuer und 1 Milliarde Mehrkosten beim Flugverkehr. Hinzukämen noch 3 Milliarden Mehrkosten bei der Gesundheit (wegen der steuerähnlichen gesetzlichen Krankenversicherung), und er ereiferte sich, dies eine „Netto-Lüge“ der Koalition zu nennen. Obwohl die meisten Arbeitnehmer zwar nicht (mehr) rauchen und sicher keine regelmäßigen Fluggäste sind, ist das, was der Staat seinen Bürgern zusätzlich nimmt, insgesamt bei weitem mehr, als er ihnen als Brosamen gnädig wieder zuwirft. Nicht allerdings erwähnte Gabriel die staatlich künstlich hochgetriebenen Strompreise als Folge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und der Verbannung der stromverbilligenden Kernkraft aus Deutschland, denn daran wirkt auch die SPD kräftig mit.

Zweifel an den 4 Milliarden für Unternehmen

Eine Entlastung von Bürokratie ist für Unternehmen vorgesehen – durch weniger Nachweispflichten, papierlosen Schriftverkehr mit Behörden und durch mehr elektronische Verfahren. Das wird bei ihnen Portokosten sparen, auch ein paar Ausgaben für Papier, aber ob sie das wirklich um jährlich 4 Milliarden Euro entlastet, wie die Koalition errechnet haben will, lässt sich bezweifeln und hat wohl eher mit Sternenguckerei zu tun. Allein aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums in Deutschland fallen der Koalition rund 60 Milliarden an steuerlichen Mehreinnahmen in den Schoß. Aber angesichts der hohen und noch weiter steigenden staatlichen Gesamtverschuldung sollten sie für den Schuldenbau eingesetzt werden. Eine wirklich fundamentale Steuerentlastung samt grundlegender Steuerreform, die tatsächlich wachstumswirksam wäre, ist zwar sehr wünschbar, aber derzeit nicht durchsetzbar.

Unnachsichtig beim Eintreiben, Schlendrian beim Ausgeben

Dabei ist Steuersenkungspotential durchaus vorhanden: Würde der Staat beim Ausgeben der Steuergelder mit der gleichen unnachsichtigen Sorgfalt verfahren wie beim unnachsichtigen Eintreiben dieser Gelder, würde er Beträge in zweistelliger Milliardenhöhe Jahr für Jahr einsparen. Verschwendungen in dieser Höhe halten ihm Bundesrechnungshof, Landesrechnungshöfe und Bund der Steuerzahler – ebenfalls Jahr für Jahr – vor. Das würde bequem zumindest für Steuersenkungen reichen und für eine Entlastung von der „kalten“ Progression, der besonders die unteren und mittleren Einkommen ausgesetzt sind. Steigt nämlich das steuerpflichtige Einkommen, dann nimmt – wegen des progressiv steigenden Steuertarifs – die Steuerbelastung deutlich stärker zu, als das Einkommen gestiegen ist. Selbst wenn höhere Löhne, Gehälter, Pensionen und Renten nur die Inflationsrate ausgleichen, also die gestiegenen Preise kompensieren sollen und real kein bisschen an Einkommenszuwachs bringen, fällt die Steuerbelastung höher aus als die beabsichtigte Kompensation. Real haben wir wegen der „kalten“ Progression sogar weniger Geld in der Tasche.

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