Die „Bodenreform“ war politische Verfolgung

Grundsatzurteil: Deren Opfer sind zu rehabilitieren

Opfer der sogenannten Bodenreform in der einstigen Sowjetischen Besatzungszone (Deutschland 1945 bis 1949) sind mit dieser Maßnahme Opfer massiver politischer Verfolgung gewesen. Die damit verbundenen Vertreibungen waren rechtsstaatswidrig. Daher sind diese Opfer nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) zu rehabilitieren. Das ist der entscheidende Kern des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 10. Dezember 2009, das mit seiner Begründung aber erst am 27. Januar veröffentlicht worden ist (BVerwG 3 C 25.08).

Es ging nicht einfach nur um Landumverteilung

Damit hat dieses Gericht mit seinem 3. Senat erstmals deutlich ausgesprochen und verbindlich entschieden, daß die damalige „Bodenreform“ mit dem Entzug der Ländereien und allen übrigen Vermögens nicht einfach nur der Landumverteilung diente, sondern tatsächlich mehr und auch ganz etwas anderes war. Es bestätigt nunmehr, was den tatsächlichen Hergängen schon immer entsprach und historisch längst erwiesen ist: „Die Bodenreform war eine Maßnahme der politischen Verfolgung.“ Bisher war der „Bodenreform“ nicht zuerkannt worden, dass sie (auch) der Verfolgung und der Sanktionierung der größeren und ganz großen Landeigentümer (100 Hektar und mehr) diente, weil diese von den damals herrschenden Kommunisten als „Klassenfeind der Arbeiter und Bauern“ hingestellt und verleumdet wurden sowie damit sogar einer Sippenhaft unterlagen.

Sachsen hat verloren, aber der Steuerzahler muss dafür aufkommen

Weiter heißt es in der Urteilsbegründung: „Auch wenn die Enteignungen in diesen Fällen erst bei einer bestimmten Betriebsgröße ansetzten, richteten sie sich erklärtermaßen gegen die ‚Junker und Großgrundbesitzer’, also gegen eine bestimmte Personengruppe, die nach ihrer sozialen ‚Klasse’ definiert war. Insofern war die Bodenreform politische Verfolgung. Diese Charakterisierung gilt verstärkt für die im Zusammenhang mit der Bodenreform verübten und sie kennzeichnenden Schikanen und Drangsalierungen, die wie die Bodenreform selbst von der Motivation getragen waren, die Betroffenen aus der Gesellschaft auszugrenzen. Zu diesen diskriminierenden Maßnahmen zählen auch die so genannten Kreisverweisungen.“ Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Dresden vom 30. November 2007 (VG 12 K 2123/05) als zutreffend bestätigt, das ebenso entschieden hatte. Doch war das Land Sachsen als Beklagte gegen das VG-Urteil in Revision gegangen und hat (auf Kosten der Steuerzahler) nun abermals verloren.

Nur Rehabilitierung verlangt, nicht auch Vermögensrückgabe

Die auf Rehabilitierung ihrer Familie klagende Frau hatte ausdrücklich nur die Rehabilitierung ihres Vaters und ihrer Familie verlangt, nicht auch die Rückgabe der damals enteigneten Ländereien. Wird nämlich mit der Rehabilitierung auch die Vermögensrückgabe oder, wenn nicht mehr möglich, Entschädigung verlangt, pflegt die bisherige (aber gesetzlich wie rechtlich falsche) Rechtsprechung die Rehabilitierung zu verweigern, um diese Rückgabe zu verhindern. Sie stützt sich damit noch immer auf die aus politischen und fiskalischen Gründen vorgebliche (aber längst als absichtliche Täuschung und damit als Lüge widerlegte) sowjetische Bedingung von 1989, die eine Rückgabe untersage, um die einstige Sowjetunion nicht dem Vorwurf rechtswidriger Handlung auszusetzen.

Aber an früheren Fehlentscheidungen hält das Gericht fest

An diesen Fehlentscheidungen hält das Bundesverwaltungsgerichts mit seiner nun vorliegenden Urteilsbegründung auch in diesem entschiedenen Fall immer noch fest. Ausdrücklich nämlich weist es in einem Nebensatz darauf hin, die Bodenreform habe „primär der Landbeschaffung“ gedient und falle daher „nach der Rechtsprechung des Senats nach Paragraph 1, Absatz 2 VwRehaG unter den Anwendungsvorrang des Vermögensgesetzes“. Tatsächlich jedoch ist das Vermögensgesetz in diesem wie in den vergleichbaren Fällen der damaligen politischen Verfolgung nicht einschlägig, weil es einen ganz anderen Sachverhalt regelt. Das jedoch wollen die Gerichte noch immer nicht wahrhaben. Sie verkennen und verstoßen damit gegen die Systematik der gesetzlichen Regelungen, die für die Wiedergutmachung von Unrecht in der SBZ- und der DDR-Zeit seit 1989 getroffen worden sind. Warum, habe ich seinerzeit in der FAZ dargelegt und zuletzt in der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit vom 21. April 2006: „Die falsche Anwendung richtiger Gesetze“.

Wann und warum Rehabilitierung verweigert wird

Diese falsche Rechtsprechung hatte zur Folge, dass politisch verfolgte und auf diese Weise unschuldig bestrafte Familien, denen dabei auch alles Vermögen entzogen worden war, nur deswegen nicht rehabilitiert werden, weil ihnen mit der Rehabilitierung auch das Vermögen zurückgegeben werden müsste oder, wenn für eine Rückgabe nicht mehr verfügbar, die dann fällige Entschädigung zu zahlen wäre. Um aber diesen Opfern die Möglichkeit einzuräumen, sich wenigstens von den falschen Anschuldigungen und Verurteilungen freisprechen (rehabilitieren) zu lassen, ist für solche Fälle später der Paragraph 1a in das VwRehaG später eingefügt worden. Auf ihn stützt sich auch das vorliegende Urteil. Eine nach ihm getroffene Entscheidung wird „moralische Rehabilitierung“ genannt – eine unsinnige Bezeichnung, denn die Rehabilitierung eines unschuldigen Menschen ist per se moralisch, zumal der Gegensatz, also „unmoralische Rehabilitierung“, üblicherweise nicht vorkommt.

Jetzt weitergehende Klagen gegen die Rückgabeverweigerung möglich

Obwohl aber das Gericht an seiner bisher falschen Gesetzesauslegung und damit falschen Rechtsprechung festhält, bricht seine jetzt so klare Entscheidung, dass die „Bodenreform“ als eine Maßnahme politischer Verfolgung zu werten ist, einen wichtigen und weiteren Stein aus der Abwehrmauer gegen Vermögensrückgabeansprüche der 1945 bis 1949 Enteigneten heraus. Denn damit fallen sie (nach der bisher falschen Rechtsprechung) nicht in den Geltungsbereich des Vermögensgesetzes sondern in den des VwRehaG. Damit eröffnet sich jetzt, wie der Anwalt Stefan von Raumer auf einer einschlägigen Tagung am 19. Februar in Waren sagte, die Möglichkeit, mit weiteren Klagen gerichtlich prüfen zu lassen, wie dieses Urteil des Gerichts mit seinen früheren Urteilen in Übereinstimmung zu bringen ist – „besonders im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes des Grundgesetzes“ nach dessen Artikel 3. Anwalt von Raumer ist es auch, der diesen Prozess für seine Mandantin gewonnen hat.

Der dem Urteil zugrunde liegende Fall

Die Klägerin hatte die Rehabilitierung ihres Vaters nach VwRehaG begehrt. Dem hatten Güter im Gebiet der einstigen SBZ/DDR gehört, die er als Land- und Forstwirt bewirtschaftet hatte. Mit der sogenannten demokratischen Bodenreform war er enteignet und mit seiner Familie des Kreises verwiesen worden. Dem zugleich verfügten Abtransport nach Rügen hatte sich der Vater mit der Familie durch Flucht entziehen können. Das VG Dresden war dem Antrag der Tochter gefolgt und hatte das Land Sachsen verpflichtet festzustellen, die Anordnung zum Abtransport und die Kreisverweisung seien gemäß Paragraph 1a VwRehaG als schwere persönliche Herabwürdigung rechtsstaatswidrig gewesen. Daher sei der Vater zu rehabilitieren.

Deportation und Kreisverweisung schweres Verfolgungsunrecht

Das Land Sachsen dagegen hat bestritten, dass der Vater herabgewürdigt worden sei, weil er sich mit der Familie durch Flucht habe entziehen können. Aber diese Begründung lässt das Bundesverwaltungsgericht ebenso wenig gelten wie das Verwaltungsgericht (VG). Bereits die bloße Anordnung von Deportation und Kreisverweisung stelle schweres Verfolgungsunrecht dar. Dass die Familie vor dem Vollzug der Anordnung geflohen sei, ändere daran nichts, denn auch dadurch sei sie aus der örtlichen Gemeinschaft ausgegrenzt und ihrer Heimat beraubt worden. Damit ist das VG-Urteil als zutreffend bestätigt, die Bodenreform als politisches Verfolgungsunrecht rechtsverbindlich festgestellt.

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