Am besten die Steuer einfach abschaffen
Allerdings stellt sich die Frage, ob der Staat Erbschaftssteuer überhaupt erheben soll.
Steuerrechts-Nestor Klaus Tipke hat 1993 in seinem dreibändigen Werk „Die Steuerrechtsordnung“ dies so formuliert:
„Die Undurchführbarkeit der Einheitsbewertung des Grundbesitzes und die Kompliziertheit und Ungenauigkeit der Bewertung überhaupt sprechen .. für eine Abschaffung der Vermögenssteuer, der Grundsteuer und der Gewerbesteuer. Gesetze, die nicht annähernd gleichmäßig praktiziert werden können, sollte es nicht geben.“
Die Vermögenssteuer ist immerhin schon außer Vollzug, die Gewerbesteuer gibt es nur noch als Gewerbeertragssteuer, und die Finanzverfassung muß im zweiten Teil der Föderalismusreform ohnehin geändert werden. Da bietet es sich an, auch die Grundsteuer zu überdenken sowie die Erbschafts- und Schenkungssteuer abzuschaffen. Länder wie Schweden, Österreich, Italien und Portugal kommen ohne Erbschaftssteuer aus. Warum nicht auch Deutschland.
Solange die Erbschaftssteuer erhoben wird, kommt man um eine Bewertung nicht herum. Und die wäre problematisch wie eh und je. Die Bewertung ist doch nicht dadurch leichter geworden, daß die Verfassungsrichter bei der Bewertung die Gleichbehandlung verordnet haben. Die einfachste Lösung, eine solche Gleichbehandlung herzustellen, wäre, jene Steuern, für die es einer (Einheits)Bewertung bedarf, abzuschaffen. Fielen Grund- und Erbschaftssteuer fort, müsste auch nicht mehr bewertet werden. Das hieße, die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts für eine gleiche und damit neue Bewertung hätte sich erübrigt. Das hochkomplizierte Bewertungsgesetz könnte dann verschwinden. Gespart würde auch der für eine Neubewertung extrem hohe Aufwand. Außerdem benötigt die Finanzverwaltung für eine neue Hauptfeststellung eine langjährige Vorlaufzeit, und die abschließenden Ergebnisse lägen ebenfalls erst nach Jahren vor. Dann wären die Werte schon wieder veraltet.
Die Erbschaftssteuer ist nach ihrem vergleichsweise geringen Aufkommen, eine Bagatellsteuer; sie macht nur 0,8 Prozent der gesamten deutschen Steuereinnahmen aus. Bei der Grundsteuer sind es 2,2 Prozent. Gleichwohl wären das für Länder und Gemeinden schmerzliche Einnahmeausfälle, würde es beide Steuern nicht mehr geben. Sie würden daher zu Recht auf Kompensation bestehen. Sonst würden sie sich auch schon aus diesem Grund einer Abschaffung widersetzen. Die Grundsteuer steht den Gemeinden zu, die Erbschaftssteuer den Ländern. Kompensation kann wohl nur aus den allgemeinen Steuern kommen. So könnte man – Joachim Langs Vorschlag folgend – beide Steuern in die Einkommensteuer integrieren. Anregungen für den Erbschaftssteuer-Ersatz könnte man sich auch bei jenen Staaten holen, die auf eine Erbschaftssteuer verzichten.
Aber falls nicht der fiskalische, so wird doch der steuertheoretische wie auch ideologische Widerstand groß sein, gerade die Erbschaftsteuer abzuschaffen. So gilt sie nämlich (nach der heute vorherrschenden „Reinvermögenzugangstheorie“ – anders als nach der „Quellentheorie“) deswegen als gerechtfertigt, weil auch das Geerbte (oder Geschenkte) Einkommen sei. Es sei zwar kein Erwerbseinkommen, aber „zugewendetes“ Einkommen. Die Erbschaftssteuer sei demgemäß nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Und da nach der Leistungsfähigkeit besteuert werde, sei es ungerechtfertigt, einen Erben, der durch das Erbe einen noch nicht einmal selbst erarbeiteten Vermögenszuwachs erhalte und damit zusätzliche Leistungsfähigkeit erlange, nicht ebenfalls zu besteuern wie jemanden mit dem Einkommen, das er selbst erarbeitet habe.
Andererseits: Man kann doch frei darüber entscheiden, ob man das erarbeitete Einkommen vollständig ausgibt oder nur einen Teil konsumiert und den Rest zurücklegt – ob auf dem Bankkonto, in Form von Wertpapieren oder durch Immobilienerwerb. Wer alles Erarbeitete bis zu seinem Tod konsumiert, entzieht sich damit der Erbschaftssteuer. Wer das nicht tut, sondern Vorsorge trifft und spart, setzt das Ersparte, auf das er Einkommensteuer bereits gezahlt hat, der Steuer ein zweites Mal aus, einer Steuer, die jetzt nicht Einkommensteuer, sondern Erbschaftssteuer heißt und erhoben wird, weil das Ersparte spitzfindig als „zugewendetes“ Einkommen gilt. Dabei ist es ein in Vermögen nur umgeschichtetes Einkommen, ein Einkommen, das mit der Familie und für die Familie verdient, aber zurückgelegt geworden ist und dann Vermögen nur genannt wird. Aber trotzdem soll es im Todes- oder Schenkungsfall beim Ehegatten und Nachwuchs noch einmal besteuert werden. Ist das wirklich gerecht? Ist das wirklich sinnvoll? Im Fall der Familie jedenfalls nicht.
Ideologisch bezweckt die Erbschaftssteuer ein Stück Umverteilung. Wer was hat, zumal wenn er sehr viel hat, soll davon zumindest im Erbfall der Allgemeinheit, vertreten durch den Staat, etwas abgeben. Dieser könnte dann Bürger ohne oder mit nur geringem Vermögen in Höhe der Einnahmen aus der Erbschaftssteuer steuerlich entlasten. Aber diese Einnahmen sind dafür zu unerheblich, und sie zu erhöhen, stößt an eigentums- und verfassungsrechtliche Grenzen. Daher ist der Umverteilungseffekt gering und würde es bleiben. Außerdem gibt es eine „Reichensteuer“ doch schon. Und die ganz Reichen hauen ohnehin einfach ab.
Aber bei aller (bestreitbaren) Rechtfertigung, bleibt doch immer auch abzuwägen, ob bürokratischer Aufwand (bei Ämtern wie Bürgern) und fiskalischer Ertrag wirklich in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Das läßt sich zumindest bezweifeln. Nach Joachim Lang (siehe meinen Beitrag VI) führt die Steuer sogar zu einem fiskalischen Verlust.
Alles in allem gebietet die Vernunft: Die beste Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist, sie abzuschaffen. Oder soll auch hier wieder einmal gelten, was der dänische Physiker und Nobel-Preisträger Niels Bohr (1885 – 1962) einmal so ausgedrückt hat:
Alles ist möglich, vorausgesetzt, dass es genügend unvernünftig ist.