Geweckt von Trumps 20-Punkte-Plan zum Gaza-Krieg – Aber Völkerrechtsexperten fordern, er müsse auch dem Völkerrecht genügen – Sie warnen: Wesentliche Teile erfüllen dessen Ansprüche nicht – AIC-Widerspruch gegen die Völkermord-Beschuldigung – Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Trump-Plans bei Uncut News
Der 20-Punkte-Friedensplan von USA-Präsident Donald Trump (hier) hat neue Hoffnung auf ein Ende des Gaza-Krieges geweckt. Er soll zwischen Israel und Hamas samt Palästina zum Frieden führen. Seine Hauptbestandteile sind: Erstens sollen beide Seiten, Israel und Hamas, den Plan annehmen, und dann soll sofort Waffenstillstand eintreten. Zweitens soll es für Gaza eine Übergangsregierung in Form eines „technokratischen, unpolitischen“ Komitees geben, das sich aus qualifizierten Palästinensern und internationalen Experten zusammensetzt – beaufsichtigt von einem neuen internationalen Übergangsgremium (Board of Peace), das von Präsident Trump geleitet wird. Drittens sollen am Ende, wenn die anderen Bestandteile des Trump-Plans umgesetzt sind, die Selbstbestimmung und Staatlichkeit Palästinas folgen. Verbal zugestimmt haben beide Seiten dem Plan, zumindest Teilen von ihm. Förmlich annehmen müssen sie ihn noch. Doch haben 26 Völkerrechtsexperten vom OHCHR-UN-Sonderverfahren-Menschenrechte*) schon gewarnt: Der Friedensplan müsse auch dem Völkerrecht genügen, aber wesentliche seiner Teile erfüllten dessen Ansprüche nicht.
Im Widerspruch zu den grundlegenden Regeln des Völkerrechts
In einer Mitteilung aus Genf vom 3. Oktober schreiben sie: „Wir begrüßen Teile des von den Vereinigten Staaten angekündigten Friedensplans zur Beendigung des Krieges in Gaza, darunter einen dauerhaften Waffenstillstand, die rasche Freilassung unrechtmäßig inhaftierter Personen, die Bereitstellung humanitärer Hilfe unter Aufsicht der Vereinten Nationen, keine Zwangsvertreibung aus Gaza, den Abzug der israelischen Streitkräfte und die Nichtannexion von Gebieten.“ Sie fügten aber hinzu: „Dies sind im Großen und Ganzen Anforderungen des Völkerrechts, die nicht von einem formellen Friedensplan abhängen sollten.“ Dann warnten sie: Wesentliche Elemente des Plans stünden dennoch zutiefst im Widerspruch zu den grundlegenden Regeln des Völkerrechts und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von 2024, das ein Ende der unrechtmäßigen Präsenz Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten fordere. Einen sofortigen Frieden um jeden Preis durchzusetzen, ungeachtet oder dreist gegen Recht und Gerechtigkeit, sei ein Rezept für weitere Ungerechtigkeit, künftige Gewalt und Instabilität. Zu den „großen Bedenken“, die die 26 Völkerrechtsexperten äußern, gehören diese:
- „Das palästinensische Selbstbestimmungsrecht, auch durch einen unabhängigen Staat, ist nicht wie völkerrechtlich vorgeschrieben garantiert und unterliegt vagen Vorbedingungen hinsichtlich der Sanierung des Gazastreifens, der Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde und eines ‚Dialogs‘ zwischen Israel und Palästina. Palästinas Zukunft wäre somit von Entscheidungen Dritter abhängig und nicht in den Händen der Palästinenser, wie es das Völkerrecht vorschreibt. Der Plan erhält zudem den gescheiterten Status quo aufrecht, der weitere Verhandlungen mit Israel erfordert, obwohl der israelische Premierminister bereits erklärt hat, Israel werde sich der Eigenstaatlichkeit „gewaltsam widersetzen“. Dies verstößt eklatant gegen die Feststellung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), dass die Erfüllung des Selbstbestimmungsrechts nicht von Verhandlungen abhängig gemacht werden kann.“
- „Die ‚vorübergehende Übergangsregierung‘ ist nicht repräsentativ für die Palästinenser und schließt sogar die Palästinensische Autonomiebehörde aus, was die Selbstbestimmung der Palästinenser weiter verletzt und ihr an Legitimität mangelt. Es gibt keine konkreten Benchmarks oder Zeitrahmen für einen Übergang zu einer repräsentativen Regierungsführung, die ausschließlich den Palästinensern zusteht und ohne ausländische Einmischung auskommt.“
- „Die Aufsicht durch ein ‚Board of Peace‘ unter Vorsitz des US-Präsidenten unterliegt weder der Autorität der Vereinten Nationen noch einer transparenten multilateralen Kontrolle, während die USA ein zutiefst parteiischer Unterstützer Israels und kein ‚ehrlicher Makler‘ sind. Dieser Vorschlag erinnert bedauerlicherweise an koloniale Praktiken und muss abgelehnt werden.“
- „Eine ‚Internationale Stabilisierungstruppe“ außerhalb der Kontrolle des palästinensischen Volkes und der Vereinten Nationen als Garant würde die israelische Besatzung durch eine US-geführte Besatzung ersetzen, was der palästinensischen Selbstbestimmung zuwiderläuft.“
- Die teilweise israelische Besatzung könnte durch einen ‚Sicherheitsperimeter‘ innerhalb der Grenzen Gazas auf unbestimmte Zeit fortbestehen, was absolut inakzeptabel ist.“
- „Die Entmilitarisierung Gazas hat kein Enddatum und könnte, falls sie dauerhaft wäre, das Land anfällig für israelische Aggressionen machen. Über die Entmilitarisierung Israels, das internationale Verbrechen gegen die Palästinenser begangen und Frieden und Sicherheit in der Region durch Aggressionen gegen andere Länder bedroht hat, wird nichts gesagt.“
- „Die Deradikalisierung wird nur dem Gazastreifen auferlegt, während antipalästinensische und antiarabische Stimmungen, Radikalisierung und öffentliche Anstiftung zum Völkermord in den letzten zwei Jahren Kennzeichen der vorherrschenden Rhetorik in Israel waren.“
- „Der Plan behandelt Gaza weitgehend isoliert vom Westjordanland einschließlich Ostjerusalem, obwohl diese Gebiete als einheitliches palästinensisches Gebiet und Staat betrachtet werden müssen.“
Weitere Befürchtungen
Ferner befürchten die 26 Experten, ein „Wirtschaftsentwicklungsplan“ und eine „Sonderwirtschaftszone“ könnten zu einer illegalen Ausbeutung von Ressourcen durch das Ausland ohne palästinensische Zustimmung führen. Israel und diejenigen, die dessen illegalen Angriffe im Gazastreifen erlitten hätten, seien nicht verpflichtet, die Palästinenser für illegale Kriegsschäden zu entschädigen. Der Plan sehe vor, zwar alle israelischen Geiseln freizulassen, jedoch nur einige der vielen willkürlich inhaftierten Palästinenser. Die der Hamas angebotenen Amnestien schienen bedingungslos zu sein, selbst wenn die zu amnestierenden Palästinensern internationale Verbrechen begangen hätten, wodurch den Opfern internationaler Verbrechen Gerechtigkeit verweigert werde.
Der Plan befasst sich nicht mit anderen grundlegenden Themen
Auch befasse sich der Plan überhaupt nicht mit der Rechenschaftspflicht für israelische internationale Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegen das palästinensische Volk. Es gebe kein Bekenntnis zu Übergangsjustiz, historischer Wahrheitsfindung oder echter Versöhnung. Auch unabhängigen Journalisten werde kein Zugang garantiert. Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit seien integraler Bestandteil eines nachhaltigen Friedens. Der Plan befasse sich nicht mit anderen grundlegenden Themen wie der Beendigung illegaler israelischer Siedlungen im Westjordanland einschließlich Ostjerusalem, Grenzen, Entschädigungen und Flüchtlingen.
Keine führende Rolle für die Vereinten Nationen vorgesehen
Außerdem bemängeln die Experten, der Plan sehe keine führende Rolle für die Vereinten Nationen, die Generalversammlung oder den UN-Sicherheitsrat vor, vor allem nicht für das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), das für die Unterstützung und den Schutz der Palästinenser von entscheidender Bedeutung sei.
Die Mitteilung der namentlich mit ihren Funktionen genannten 26 Experten im Wortlaut hier. Auf sie aufmerksam gemacht hat mich der Völkerrechtswissenschaftler Prof. Dr. iur. Alfred de Zayas.
AIC-Widerspruch gegen die Völkermord-Beschuldigung
Das Amerikanische Jüdische Komitee (American Jewish Committee, AIC) hat der Völkermord-Anklage am 16. September 2025 mit fünf Gegenäußerungen widersprochen, warum die Ereignisse in Gaza kein „Völkermord“ seien. Auch wenn jeder einzelne zivile Tod eine Tragödie sei, sollten sich diejenigen, die durch das Leid in Gaza empört seien, nicht von dieser falschen Anschuldigung täuschen lassen. Hier die fünf Gegenäußerungen im Wortlaut:
- „Völkermord“ bezieht sich auf die physische Vernichtung einer ganzen Gruppe ganz oder teilweise, die aufgrund ihrer Identität ins Visier genommen wurde. Das ist nicht Israels Ziel in Gaza.
- Findet in Gaza Völkermord statt? Nein. Israel reagiert auf einen völkermörderischen Angriff der Hamas.
- Israels Handlungen spiegeln seinen Wunsch wider, die palästinensische Zivilbevölkerung vor Schaden zu bewahren, nicht ihnen absichtlich zu schaden.
- Die Aktionen der Hamas zielen darauf ab, der palästinensischen Zivilbevölkerung Schaden zuzufügen und Israel die Schuld zu geben.
- Die „Fakten“ der Anklage wegen Völkermordes stimmen nicht zusammen.
Die Zugkraft der Völkermord-Anschuldigung gegen Israel
Jedem der fünf Punkte folgen nähere Ausführungen und Begründungen. Seinem Widerspruch stellte das Amerikanische Jüdische Komitee diesen Text voran: „Während Bilder und Berichte über menschliches Leid in Gaza die Schlagzeilen und sozialen Medien beherrschen, hat die Anschuldigung, dass Israel einen Völkermord an den Palästinensern in Gaza begeht, in den Protesten und im wissenschaftlichen Diskurs an Zugkraft gewonnen, in den sozialen Medien, durch die Wut antiisraelischer Demonstranten, durch eine fadenscheinige Anschuldigung, die Südafrika beim Internationalen Gerichtshof eingereicht hat, und Berichte von sogenannten ‚UN-Experten‘ und sensationelle Berichte von NGOs. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (COI) hat Israel ebenfalls beschuldigt, Völkermord in Gaza begangen zu haben, und behauptet, dass hohe Beamte, einschließlich Premierminister Netanjahu, diese Taten orchestriert hätten, eine Charakterisierung, die Israel als skandalös bezeichnet und entschieden zurückweist.“ Der gesamte AIC-Widerspruch hier.
Ist der Trump-Plan gar nicht ernst gemeint?
Eine ganz andere Beurteilung des Trump-Plans ist im Info-Portal Uncut News aus der Schweiz zu lesen: So vieles müsse noch endgültig festgelegt werden. Und wie könne die Hamas möglicherweise irgendeine der Bedingungen akzeptieren? Die umstrittenste sei, dass sie ihre Waffen abgebe. Eine Reihe führender Analysten in der Region beginne zu vermuten, dass diejenigen, die dieses Abkommen entworfen hätten, nur allzu gut wüssten, dass die Hamas das nicht könne. Und so stelle sich die Frage, was eigentlich der wahre Zweck des Ganzen sei. Der Autor des Beitrags namens Martin Jay, ein ehemals in Beirut stationierter preisgekrönter britischer, Journalist, meint: „Die Wahrheit ist, dass der Trump-Vorschlag überhaupt nicht ernst gemeint ist und in einem viel zynischeren Licht betrachtet werden sollte für das, was er wirklich ist: ein Rauchvorhang. Manche gehen noch weiter und sagen, er sei ein Mittel, um sicherzustellen, dass ein Krieg in Gaza tatsächlich für immer andauern kann und ein palästinensischer Staat blockiert würde, sollte der Trump-Vorschlag übernommen werden.
Ist der Trump-Plan ein „vergifteter Kelch“?
Zitiert wird der Senior Fellow für Nahostpolitik am International Institute for Strategic Studies Hassan T. Alhasan. Dieser argumentiere, Trumps 20-Punkte-Plan für Gaza sei ein vergifteter Kelch: Während er scheinbar Hoffnung auf einen Waffenstillstand und eine Welle an Hilfslieferungen biete, verschaffe er Israel heimlich einen Blankoscheck, um mit Zustimmung der USA und arabischer Staaten einen ewigen Krieg in Gaza zu führen. „Der amerikanisch-israelische Plan ist eindeutig so gestaltet, dass er von der Hamas abgelehnt wird. Seine Bestimmungen sind so vage, dass Netanjahu ihn bereits als Erlaubnis für eine unbefristete israelische Militärpräsenz in Gaza auslegt, mit der Freiheit, militärische Operationen unter dem Vorwand der Bekämpfung der Hamas durchzuführen.“
„Der wahre Grund des Angebots“
Weiter liest man: Wenn Trump es ernst gemeint hätte mit dem Angebot, würden er und Netanjahu es einfach durchsetzen. Der wahre Grund des Angebots sei, dass beide die Ablehnung durch die Hamas bräuchten. Wenn diese erfolge, würden sie mit dem Völkermord fortfahren können, die Palästinenser von der Landkarte ihres eigenen Landes zu tilgen, und den jammernden EU-Führern, die sich beschweren würden, mit einem Achselzucken begegnen: „Wir haben Gaza ein großartiges Angebot gemacht, aber sie haben es abgelehnt“ – werde Trumps Standardantwort sein, während er weiterhin darauf herumreite, den Friedensnobelpreis zu bekommen. Der ganze Beitrag hier.
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*) Die Abkürzung OHCHR bedeutet Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (englisch: Office of the High Commissioner for Human Rights). Das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte wurde 1993 von der UN-Generalversammlung eingerichtet. Der Hohe Kommissar ist der wichtigste Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen (UN). Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte ist die zentrale Instanz für den Menschenrechtsschutz der Vereinten Nationen. Es hat seinen Sitz in Genf und agiert als führende fachliche Stelle, um die internationalen Menschenrechtsstandards umzusetzen, zu überwachen und zu fördern. Der gegenwärtige (und achte) Hochkommissar ist Volker Türk aus Österreich, der am 8. September 2022 die Nachfolge von Michelle Bachelet aus Chile antrat. Das OHCHR beschäftigt rund 1.300 Mitarbeiter in Genf und New York City.