Von den G7 befürwortet – Für Merz nur „Drecksarbeit, die Israel für uns alle macht“ – Wann ist ein Präventivschlag erlaubt? – Kein Anzeichen dafür, dass Iran einen Angriff auf Israel tatsächlich vorbereitet hat – Atomprogramm von Iran nie als Angriffswaffe, sondern als Lebensversicherung gedacht – Der diplomatische Prozess für gewaltfreie Lösung war noch voll im Gang – Präventivschlag nur, wenn ein überwältigender Angriff unmittelbar bevorsteht und sich anders nicht abwenden lässt – Professor Jefrey Sachs: Netanjahus lang ersehnter Krieg – Produktion und Einsatz von Atomwaffen durch Fatwa in Iran seit 2003 verboten – Steve Bannon: USA müssen aus dem endlosen Kreislauf von Kriegen, Interventionen, Aufrüstung endlich ausbrechen – Eine Resolution im Kongress soll Trump an militärischer Gewalt gegen Iran hindern
Mit dem Großangriff Israels auf Iran seit dem 13. Juni ist ein weiterer heißer Krieg losgetreten worden. Dieser Präventivschlag findet Befürworter, stößt aber auch auf entschiedene Ablehnung. Israel den Rücken gestärkt haben auf ihrem jüngsten Gipfeltreffen in Kanada die G7-Staaten mit einer gemeinsamen Erklärung. Bundeskanzler Friedrich Merz hat gegenüber Israels Vorgehen sogar Dankbarkeit bekundet und zynisch-salopp gesagt: Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle. Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut gehabt hat, das zu machen.“ Der amerikanische Präsident Donald Trump fühlt sich gezwungen, sich ebenfalls auf Israels Seite zu schlagen, nachdem er kurz zuvor noch erfolglos versucht hatte, den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu von dem gefährlichen Schritt abzuhalten, und danach zu verstehen gab, die USA wollten sich aus diesem Krieg heraushalten, was aber vermutlich nicht gelingen wird.
Wann ist ein Präventivschlag erlaubt?
Die G7 haben Israels Recht auf Selbstverteidigung betont. Iran dürfe niemals in den Besitz einer Atomwaffe gelangen. Auch sie also machen sich die Haltung zu eigen, dass Israels Angriff ein rechtmäßiger Präventivkrieg sei.*) Dass sich dies anders darstellt, erläutert der Jurist und FAZ-Redakteur Alexander Haneke in seinem Beitrag „Wann ist ein Präventivschlag erlaubt?“ (FAZ vom 14. Juni 2025, Seite 8). Er kommt zu dem Schluss: in diesem Fall nicht. Zwar gebe es für Israels Regierung gute Gründe, davon auszugehen, dass das iranische Atomprogramm vor allem gegen Israel gerichtet sei, und wäre Iran kurz vor der Schwelle, seine Waffen gegen Israel einzusetzen, würde das einen Präventivschlag rechtfertigen. Allerdings bestehe eine wesentliche Einschränkung:
Kein Anzeichen dafür, dass Iran einen Angriff auf Israel tatsächlich vorbereitet hat
„Zwar hat Iran sein Atomprogramm in den vergangenen Jahren unter Verstoß gegen internationale Verpflichtungen massiv vorangetrieben. Das Land steht auch nach Erkenntnissen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA kurz vor der Schwelle, an der es genügend Uran auf ein atomwaffenfähiges Niveau angereichert hat. Jedoch deutet nichts darauf hin, dass Iran (trotz aller Rhetorik) einen Angriff auf Israel tatsächlich vorbereitet hat. Im Gegenteil sah es zuletzt so aus, als sei Iran durch die Rückschläge in Libanon und Syrien sowie durch den kurzen direkten Schlagabtausch mit Israel derzeit so geschwächt, dass es jede weitere direkte Konfrontation mit Israel vermeiden will.“
Atomprogramm von Iran nie als Angriffswaffe, sondern als Lebensversicherung gedacht
Für die Herstellung einsatzfähiger Atomwaffen bedürfe es zudem noch einer Reihe weiterer Schritte. Und selbst für den Fall, dass Iran diese Schritte gehen würde, gebe es keine Anzeichen dafür, dass es die Waffen für einen offensiven Erstschlag gegen Israel einsetzen würde. Denn Israel verfüge selbst über Atomwaffen, wenngleich dies nie offiziell bestätigt worden sei. Die meisten Beobachter gingen davon aus, dass das Atomprogramm für das iranische Regime nie als Angriffswaffe, sondern als Lebensversicherung gedacht gewesen sei. Insofern scheine ein „unmittelbar bevorstehender Angriff“, der einen Präventivschlag völkerrechtlich rechtfertigen würde, in diesem Fall wenig plausibel.
Der diplomatische Prozess für gewaltfreie Lösung war noch voll im Gang
Nach weiteren Überlegungen bleibt Haneke bei seinem Ergebnis: Eine Rechtfertigung wäre nur unter extrem engen Voraussetzungen denkbar, etwa wenn ein Militärschlag wirklich das letzte erdenkliche Mittel wäre, um Israel vor der existenziellen Gefahr zu schützen. Das scheint in der Wirklichkeit kaum der Fall gewesen zu sein. Zwar überzogen sich alle Seiten mit Drohungen, parallel aber war der diplomatische Prozess hin zu einer gewaltfreien Lösung noch in vollem Gange.“
Völkerrechtler Ambos: Israels jüngste Luftschläge nicht gerechtfertigt
Haneke verweist abschließend auf den Völkerrechtler Kai Ambos. Dieser warne mit Blick auf den israelischen Angriff vor einem Aufweichen der Maßstäbe: „Wenn wir die Schwelle für Selbstverteidigung immer weiter nach vorne verlagern, wird das Gewaltverbot – eine Fundamentalnorm des Völkerrechts – praktisch bedeutungslos. Denn es würde bedeuten, dass jeder Staat aufgrund eines bloßen Bedrohungsgefühls selbst entscheidet, wann er militärische Gewalt anwenden kann.“ Israels jüngste Luftschläge gegen Iran seien auch bei einem weiten Verständnis des Selbstverteidigungsrechts nicht gerechtfertigt.
Präventivschlag nur, wenn ein überwältigender Angriff unmittelbar bevorsteht und sich anders nicht abwenden lässt
Im Schweizer Informationsportal Uncut-News ist zu lesen: Völkerrechtler stufen Israels Präventivschlag und die Ermordung iranischer Nuklearwissenschaftler, anders als die deutsche Bundesregierung, als völkerrechtswidrig ein. „Wie aus einer Vielzahl von Stellungnahmen bekannter Völkerrechtler hervorgeht, ist ein Präventivschlag nach Art des israelischen Überfalls auf Iran allenfalls erlaubt, wenn er einen überwältigenden Angriff verhindert, der unmittelbar bevorsteht und anders nicht abgewendet werden kann. Dies war hier nicht der Fall; zudem befand sich Iran in laufenden Atomverhandlungen mit den USA. Auch die gezielte Tötung iranischer Atomwissenschaftler sei völkerrechtlich durch nichts zu rechtfertigen, konstatiert ein US-Experte.” Die Begründungen und weitere Ausführungen sind im vollständigen Beitrag hier zu lesen.
Professor Jeffrey D. Sachs: Netanjahu ist ein Pulverfass der Gewalt
Der amerikanische Professor Dr. Jeffrey D. Sachs urteilt: „Wir könnten bald erleben, wie mehrere Atommächte gegeneinander antreten und die Welt näher an den Rand der nuklearen Vernichtung ziehen. Fast 30 Jahre lang hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Nahen Osten in Krieg und Zerstörung getrieben. Der Mann ist ein Pulverfass der Gewalt. In all den Kriegen, die er geführt hat, hat Netanjahu immer vom großen geträumt: die iranische Regierung zu besiegen und zu stürzen. Sein lang ersehnter Krieg, der gerade erst begonnen hat, könnte uns alle in einem nuklearen Armageddon umbringen, wenn Netanjahu nicht gestoppt wird.“ Netanjahus Fixierung auf den Krieg gehe auf seine extremistischen Mentoren Ze’ev Jabotinsky, Yitzhak Shamir und Menachem Begin zurück. Die ältere Generation habe geglaubt, dass die Zionisten jede noch so notwendige Gewalt – Kriege, Morde, Terror – anwenden sollten, um ihr Ziel zu erreichen, jeden palästinensischen Anspruch auf ein Heimatland zu beseitigen.
Produktion und Einsatz von Atomwaffen durch Fatwa in Iran seit 2003 verboten
Israels Behauptungen seien Propaganda, kommentiert Sachs, “existenzielle Bedrohung“ gebe es stets,. Noch wichtiger sei Netanjahus falsche Behauptung, Verhandlungen mit Iran seien nutzlos. Der Iran habe wiederholt gesagt, dass er keine Atomwaffe wolle und er seit langem zu Verhandlungen bereit sei. Sachs: “Im Oktober 2003 erließ der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei eine Fatwa, die die Produktion und den Einsatz von Atomwaffen verbot – ein Urteil, das später von Iran bei einem IAEO-Treffen (hier) in Wien im August 2005 offiziell zitiert und seitdem als religiöses und rechtliches Hindernis für das Streben nach Atomwaffen bezeichnet wird.” Selbst für diejenigen, die den Absichten des Iran skeptisch gegenüberstünden, so Sachs weiter, habe sich Iran immer wieder für ein ausgehandeltes Abkommen ausgesprochen, das von einer unabhängigen internationalen Überprüfung unterstützt werde. Im Gegensatz dazu habe sich die zionistische Lobby gegen solche Vereinbarungen ausgesprochen und die USA aufgefordert, die Sanktionen aufrechtzuerhalten und Abkommen abzulehnen, die eine strenge Überwachung durch die IAEA im Gegenzug für die Aufhebung der Sanktionen ermöglichen würden. (Sachs, Jahrgang 1954, ist Wirtschaftswissenschaftler, Analyst für öffentliche Politik und Autor mehrerer Bücher. Den gesamten Beitrag von Sachs, verfasst zusammen mit Sybil Fares, finden Sie hier).
Steve Bannon: USA müssen aus dem endlosen Kreislauf von Kriegen, Interventionen, Aufrüstung endlich ausbrechen
Der amerikanische Publizist und politische Berater Steve Bannon verlangt, der Kreislauf endloser US-Kriege müsse beendet werden. Wenn es unter Trump nicht gelinge, den ewigen Kreislauf von US-Interventionen und Kriegen zu beenden, wird es immer schwieriger. Als Gast beim amerikanischen Fernsehmoderator Tucker Carlson (hier) diskutierte er mit diesem die aktuelle Lage. Bannon (Jahrgang 1953) kritisierte, die USA ließen sich weiterhin zu oft auf außenpolitische und militärische Abenteuer und Kriege ein. Die amerikanische Regierung werde vom „Deep State“, Silicon Valley, von Geheimdiensten, von ausländischen Investoren, von bestimmten Medien, von der Wall Street und von speziellen Interessensgruppen zu militärischen Interventionen in der Welt gedrängt. Daraus ergebe sich ein endloser Kreislauf von Kriegen, Interventionen, Aufrüstung. Aus diesem Kreislauf müssten die USA endlich ausbrechen. Die Regierungszeit von Donald Trump sei das ideale Zeitfenster dafür. Wenn es unter Trump nicht gelinge, werde es wieder schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, besonders dann, wenn die Demokraten wieder an die Regierung kämen. (Quelle: hier).
Eine Resolution im Kongress soll Trump an militärischer Gewalt gegen Iran hindern
Lesen Sie ferner im Online-Magazin Counterpunch den Beitrag „Israels Angriffe auf den Iran lösen wachsenden Unmut im Kongress aus“. Danach hat Virginia-Senator Tim Kaine (Demokraten-Partei) am 16. Juni einen Gesetzentwurf eingebracht, eine War Powers Resolution, die Präsident Trump daran hindern soll, ohne Genehmigung des Kongresses militärische Gewalt gegen den Iran einzusetzen. Dies werde alle Senatoren dazu zwingen, zu Protokoll zu geben, dass sie Folgendes befürworten oder ablehnen: „Der Kongress weist hiermit den Präsidenten an, den Einsatz der Streitkräfte der Vereinigten Staaten für Feindseligkeiten gegen die Islamische Republik Iran oder einen Teil ihrer Regierung oder ihres Militärs zu beenden, es sei denn, dies ist ausdrücklich durch eine Kriegserklärung oder eine spezifische Ermächtigung zur Anwendung militärischer Gewalt gegen den Iran autorisiert.“ Kaine schreibt (hier): „Das amerikanische Volk hat kein Interesse an einem weiteren ewigen Krieg“. Der republikanische Abgeordnete Thomas Massie, ein Republikaner und einer der konsequentesten Antikriegsstimmen im Repräsentantenhaus, erklärte (hier): „Das ist nicht unser Krieg. Israel braucht das Geld der US-Steuerzahler nicht für die Verteidigung, wenn es bereits genug hat, um Angriffskriege zu beginnen. Ich stimme dafür, diesen Angriffskrieg nicht zu finanzieren.“ Der Counterpunch-Beitrag zitiert Gegner und Befürworter aus beiden politischen Lagern der Vereinigten Staaten. Der gesamte Text hier.
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*) Warum unterstützen so viele westliche Politiker Israel? fragt Steve Jalsevac, Geschäftsführer und Mitbegründer des kanadischen Portals LifeSiteNews.com. Eine mögliche Antwort finden Sie in seinem Beitrag hier. Wikipedia (hier) stuft das Portal, kein Wunder, ein als “rechtsextreme Advocacy-Website und Fake-News-Publikation”. Die Seite veröffentliche routinemäßig irreführende Informationen und Verschwörungstheorien und sei 2021 wegen des Verbreitens von COVID-19-Fehlinformationen von einigen Social-Media-Plattformen verbannt worden.