Was der Astrophysiker Thomas Gold schon seit 1977 darlegt – Die andere Sichtweise zum Ursprung des Erdöls, die abiotische – Das Wunder, wie sich fast leergepumpte Ölfelder wieder komplett füllen – Drei Tatsachen, die die abiotische Theorie stützen – Das Buch Golds von der Biosphäre der heißen Tiefe und dem Mythos der fossilen Energieträger, jetzt in deutscher Übersetzung
Er selbst lebt nicht mehr, aber seine Theorie lebt. Sie ist die Idee davon, dass Erdöl und Erdgas, die wir als fossile Rohstoffe bezeichnen, gar nicht fossilen Ursprungs sind. Es ist aber auch die Idee von mehr: über Leben, das in den Tiefen der Erde stattfindet. Jener, der diese These vertritt, ist der Astrophysiker Thomas Gold, Amerikaner österreichischer Herkunft – geboren 1920 in Wien, gestorben 2004 in Ithaca (New York). Ausführlich beschrieben hat er sie in einem Buch.*) Dieses Buch ist jetzt auch in deutscher Übersetzung zu haben. Dessen Titel lautet Die Biosphäre der heißen Tiefe und der Mythos der fossilen Energieträger.**) In der Vorbemerkung zu seinem Buch schreibt Thomas Gold:
„Wenn es eine Idee gibt, von der ich hoffe, dass Sie sie noch lange nach der Lektüre dieses Buches in Erinnerung behalten mögen, dann ist es diese: Wir selbst sind es, die unter extremen Umweltbedingungen leben. Und wenn es eine Leidenschaft gibt, die ich in Ihnen zu wecken hoffe, dann ist es die Neugier, mehr über die ersten wirklichen Landlebewesen zu erfahren, die alle tief unter unseren Füßen in dem leben, das ich neuerdings Biosphäre der heißen Tiefe nenne.“
Wo es Leben ebenfalls gibt: zehn Kilometer tief und mehr
Das Gegenstück zu dieser unterirdischen Lebenswelt (Biosphäre) ist die oberirdische, also diejenige, in der Menschen, Tiere, Pflanzen, Insekten bis hin zu winzigen Mikroben und anderen Kleinstlebewesen ihr Dasein fristen. Die ist uns vertraut. Uns auch mit der unterirdischen Biosphäre vertraut zu machen, derjenigen in der Tiefe der Erde, versucht Physiker Gold in seinem Buch. Diese Lebenswelt könne sich unter der Erdoberfläche bis in eine Tiefe von 10 Kilometern und mehr erstrecken – in eine heiße Tiefe, weil dort (als Folge der natürlichen Temperaturzunahme zum Erdinnern hin) Temperaturen herrschen, die oft 100 Grad Celsius und mehr erreichen. Aber auch in diesem Bereich der Erdkruste, so Gold, gebe es Leben, obwohl die Bedingungen dort für eine Lebensform bislang kaum für erträglich galten. Eine Fülle neuer Entdeckungen bestätige das.
Gespeist von chemischer Energie, nicht von Photosynthese
Gespeist wird das unterirdische Leben nach Gold so wie das oberirdische Leben nicht durch Photosynthese (mittels Sonnenlichtenergie), sondern durch chemische Energie. Eine mit der Photosynthese vergleichbare Energiequelle könne es nämlich unter der Erdoberfläche nicht geben. Auf Golds rhetorische Frage, woher denn diese chemische Energie komme, schlägt er vor, sie komme aus der Oxidation von dort bereits vorhandenen Kohlenwasserstoffen, wie man sie auch auf vielen anderen Planeten und Monden und in der ursprünglichen Materie vorfinde, aus der das Sonnensystem entstanden sei. Vom leichten Gas Methan bis hin zu schwersten Erdölen sei ein breites Spektrum an Kohlenwasserstoffen in beträchtlichen Mengen und bis hinunter in große Tiefen vorhanden. Er sei überzeugt, „dass die Vorkommen viel weiter hinunterreichen als gemeinhin geglaubt wird“. Im weiteren Verlauf seines Buches baut Gold seine Theorie weiter aus, wonach tief in der Erde „eine voll funktionsfähige und widerstandsfähige Biosphäre existiert, die sich von Kohlenwasserstoffen ernährt und dass ihr eine Quelle für Kohlenwasserstoffe vorgelagert ist, die noch tiefer liegt“. Näheres zur Energie in der Erdtiefe findet der Leser im Kapitel „Leben an der Grenze“.
Was Thomas Gold seit 1977 zu widerlegen versucht
Mit der Vorstellung aufzuräumen, die Kohlenwasserstoffe der Erde seien die Überreste von Lebewesen der Erdoberfläche gewesen, „die in den Untergrund gelangten und unter Druck und Hitze zu Erdöl und Erdgas verkocht wurden“, sei außerordentlich schwierig gewesen, schreibt Gold. Seit 1977 versuche er, das zu widerlegen. Dabei habe er entdeckt, dass ihm einige wegweisende russische Wissenschaftler vorausgegangen seien. Solange westliche Wissenschaftler bei ihrer Ansicht blieben, alle irdischen Kohlenwasserstoffe seien biologischen Ursprungs, würden die Hauptquellen für die chemische Energie der Erde nicht erkannt werden. „Wir Oberflächenkreaturen“, schreibt Gold, „sind im Sonnensystem vielleicht allein. Doch die Bewohner der irdischen Tiefe haben möglicherweise viele Kollegen, die sich auch unabhängig von ihnen entwickelt haben können. Erst wenn wir die Existenz einer üppigen unterirdischen Biosphäre auf unserem eigenen Planeten anerkennen, werden wir die geeigneten Techniken für die Suche nach außerirdischem Leben auf anderen Planeten entwickeln.“
Die andere Sichtweise zum Ursprung des Erdöls, die abiotische
Golds Darlegungen zur Lebenswelt in der Tiefe der Erde folgen im Buch seine Überlegungen zum Ursprung des Erdöls. 1977, als er versuchte, die herrschende Theorie zu widerlegen, und 1999, als in den USA sein vorliegendes Buch erschien, war für die meisten Wissenschaftler (außerhalb Russlands) der Ursprung eindeutig geklärt: Aus Ablagerungen biologischer Rückstände hätten geologische Prozesse (in der Erdtiefe erhöhte Temperaturen und erhöhter Druck sowie lange Zeiträume) Erdöl entstehen lassen (biogenetische oder biotische Theorie). Für Thomas Gold dagegen stammen Erdgas und Rohöl nicht aus biologischen (organischen) Rückständen, sondern aus den Ausgangsmaterialien, aus den die Erde entstanden ist (abiotische Theorie). In den Buchkapiteln 3 und 4 präsentiert er die Argumente und Belege, die für seine Ansicht sprechen. Diese abiotische Theorie dient ihm dann als Grundlage, um das Hauptthema seines Buches zu diskutieren: die Theorie der Biosphäre der heißen Tiefe.
Das Wunder, wie sich fast leergepumpte Ölfelder wieder komplett füllen
Vor knapp vier Jahren hatte ich den Kommentar eines ehemaligen Mitarbeiters von Aral und Shell namens Willy Winzig vom 4. August 2020 mit diesem Ausschnitt in meinem Archiv gespeichert: „Weil Erdöl nicht aus Fossilien stammt, nennen wir vom Fach den Energiesaft auch ‚Mineralöl‘. Das ist Punkt Eins. Punkt zwei ist die Tatsache, dass wie durch Zauberei fast leer gepumpte Kavernen in den Ölländern z.B. im Nahen Osten, sich nach einiger Zeit wieder komplett auffüllen, denn inzwischen weiß man, dass das Öl tief aus dem Erdinnern kommt, und dort hat es schon wegen der hohen Temperaturen noch niemals irgendwelche Fossilien weder pflanzliche geschweige denn tierische gegeben, aus denen sich das Öl angeblich gebildet haben soll.“
Drei Tatsachen, die die abiotische Theorie stützen
Kommentator Winzig verweist auf Tatsachen, die Golds abiotische Theorie vom Ursprung des Erdöls stützen: „Außerdem gibt es Erdöl rund um die ganze Welt, es kommt nur auf die Bohrtiefen an, um daranzukommen. Komisch auch ist besonders, dass man das meiste Öl in Wüstengegenden mit geringen Tiefen findet, wo schon immer große baumlose und auch tierlose Sandflächen waren, woher sollen also die Fossilien dort gekommen sein? Die Tatsache, dass die Menge des bereits geförderten Öls einen weit größeren Wert ausmacht, als es auf der Erde jemals an Tieren oder Pflanzen gegeben hat, welche solche Mengen hinterlassen hätten können, beweist auch dieser Fakt. Wann hat man denn festgestellt, dass sich heute noch Erdöl aus Fossilien bildet? No way, also Fehlanzeige.“
Die Fülle von Kohlenwasserstoff auf dem Saturn-Mond Titan, entdeckt von der Nasa-Raumsonde Cassini
Auch dieser Hinweis von Winzig kann als Bestätigung dafür gelten, dass die abiotische Theorie von Thomas Gold wohl zutrifft: „Die Fakten der Entstehung des Erdöls ohne Fossilien wurden vor nicht langer Zeit von der Nasa durch die Raumsonde Cassini bewiesen und zwar auf dem Saturnmond Titan, auf dem es vieles gibt außer höherem biologischem Leben gleich welcher Art. Wie aber können da die Kohlenwasserstoffe = daraus Erdöle entstanden sein? Saturnmond Titan enthält mehr Kohlenwasserstoffe auf der Oberfläche als die Erde Öl-Reserven hat! (21. Oktober 2010, Nasa, Carolina Martinez, Energie 23: Der orangefarbene Saturn-Mond Titan hat hundertmal mehr flüssigen Kohlenwasserstoff als alle bekannten Öl- und Erdgas-Lagerstätten der Erde enthalten, wie neue Daten vom NASA-Raumfahrzeug Cassini ergeben. Kohlenwasserstoffe regnen vom Himmel und sammeln sich in großen Speichern in Form von Seen und Dünen.).“ Quelle des Winzig-Zitats hier.
Die Gliederung des Buches und seine zehn Kapitel
Gegliedert ist das Buch in zehn Kapiteln. Im ersten („Unser Garten Eden“) befasst sich Gold mit dem „schmalen Fenster für das Leben an der Erdoberfläche“, mit der chemischen Energie für unterirdisches Leben und gibt eine Übersicht über sein Buch. Im zweiten geht es um das „Leben an der Grenze“ (Energie tief unten in der Erde, Ökologie des Lebens an den Tiefseeschloten und anderer Grenzzonen). Das dritte erläutert die Theorie vom Gas aus dem Erdinnern mit den beiden gegensätzlichen Theorien vom Ursprung des Erdöls und die fünf Annahmen, die der Theorie vom Erdgas aus der Tiefe zugrunde liegen. Im vierten liefert Gold Belege für Erdgas aus dem Erdinneren und für Erdölvorkommen, die sich wieder füllen. Das fünfte schildert das Erdölparadox und seine Lösung sowie die Theorie der Kohlebildung durch aufsteigende Gase und Belege dafür, dazu die Ausnahme Torf. Im sechsten geht es um das Siljahn-Experiment. Im siebten erweitert Gold seine Theorie um die Herkunft der Diamanten und um eine neue Deutung für konzentrierte Erzvorkommen. Im achten werden Erdbeben neu gedacht (mit den Stichworten Schlammvulkane, das Problem der Erdbebentheorie, Augenzeugenberichte, Erdbebenherde und Erdhügel, Gasaufstieg aus der Tiefe als Erdbebenauslöser). Das neunte behandelt den Ursprung des Lebens, dessen wahrscheinlicheren Ursprung und Darwins Dilemma sowie die Bewohnbarkeit der Lebenswelten oberhalb und unterhalb der Erdoberfläche. Das zehnte Kapitel schließlich stellt die Frage „Was kommt als Nächstes?“ In ihm kann sich der Leser unter anderem über Chancen für außerirdisches Leben an der Oberfläche unterrichten lassen und über die vertiefte Suche nach solchem Leben. Neun Seiten Register für die Sachwortsuche runden das lesbar geschriebene, hochinteressante, originelle und spannende Buch ab.
Thomas Gold – ein Physiker mit unorthodoxen Theorien und heftigen Kontroversen
Golds Arbeitsgebiete waren Astrophysik und Radioastronomie. Mit seinen unorthodoxen Meinungen wurde er auch auf den verschiedensten anderen Gebieten bekannt. Anne Hardy schrieb im Physikportal pro-physik de über ihn: „Thomas Gold gehörte sicher zu den originellsten Physikern des 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde er mit der ‚Steady State Theory‘ des Universums – einer Alternative zur Urknall-Theorie. Der Astrophysiker entfachte mit seinen Theorien heftige Kontroversen. Oft zeigte sich aber, dass er recht hatte. …. Im Rückblick auf seine wissenschaftliche Laufbahn sagte er: ‚Beim Aufstellen von Hypothesen ist Schüchternheit nichts wert, […] aber zu anderen Zeiten wäre ich zweifellos auf dem Scheiterhaufen gelandet.‘ Er lieferte oft das Sandkorn, das die Perle in der Auster hervorbringt. Betrat er mit neuen, originellen Ideen Fachgebiete, auf denen sich andere bereits jahrelang abgemüht hatten, wurde er ‚wie eine Kuriosität behandelt, die nicht ernst genommen werden kann‘, so sein Kollege Steve Maran. ‚Aber er wirbelt die Dinge immer auf irgendeine nützliche Weise auf und eröffnet dabei dem Denken ganz neue Richtungen.‘ “ (Quelle hier).
Freeman Dyson: Golds Theorien sind stets originell, wichtig, kontrovers – und normalerweise richtig
Das Vorwort zu Golds Buch hat der Physiker und Mathematiker Freeman J. Dyson geschrieben. Auch er war eine Ausnahmeerscheinung unter seinesgleichen, nachzulesen in einem Nachruf der FAZ vom 1. März 2020 (hier), als er im Alter von 96 Jahren gestorben war. Sein Vorwort schloss er mit diesen Sätzen: „Das Ziel meiner Ausführungen besteht lediglich darin zu erklären, in welcher Beziehung die Theorie der Biosphäre der heißen Tiefe zum Lebenswerk von Thomas Gold steht. Golds Theorien sind stets originell, wichtig, kontrovers – und normalerweise richtig. Ich glaube nach fünfzig Jahren mit Gold als Kollegen und Freund, dass auch die Theorie von der Biosphäre der heißen Tiefe originell, bedeutsam und kontrovers ist – und richtig.“
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*) Thomas Gold. The Deep Hot Biosphere – The Myth of Fossil Fuels. Copernicus/Springer Verlag New York Inc. New York 1999.
**) Thomas Gold. Die Biosphäre der heißen Tiefe und der Mythos der fossilen Energieträger. Mit einem Vorwort von Freeman Dyson. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Helmut Böttiger und Holger J. Thuß. TvR Medienverlag, Jena 2023. 299 Seiten. Schriftenreihe des Europäischen Instituts für Klima und Energie, Band 9. ISBN 978-3 940431-45-5
Biographisches über Thomas Gold auf der Web-Seite pro-physik.de hier und bei Wikipedia hier.
Ich habe das Buch gelesen, zuerst alles, dann nur bruchstückhaft.
Es wäre zu schön, immer Öl und Gas verbrauchen zu können, und aus der Tiefe wird nachgeliefert. Es ist sicher richtig, unter sehr hohem Druck wie den Bedingungen in 30km Tiefe, können Kohlenwasserstoffe gebildet werden und an den Peak bei der Wellenzahl 3000 nachgewiesen werden (danke an Dr. H. Böttiger). Nur wie kommt Wasserstoff immer wieder in die Tiefe entgegen der Schwerkraft — das wird nicht beschrieben.
Kohle, Öl, Gas sind zu schade zur Verbrennung, sie sind eine endliche Ressource und sollten nur stofflich genutzt werden und als Diesel für die Landwirtschaft, sonst muß der Hafermotor genutzt werden, und der frißt die meiste Ernte weg.
Wir sollten nicht mit Öl, Gas heizen, sondern mit Kernstrom, wie es Frankreich macht, das ist klug.