Eine einst hochangesehene Hansestadt will den Kampf gegen Hitzewellen aufnehmen – Man hat ja sonst nichts zu tun
Der fiktive Ort Schilda samt seiner Obrigkeit und den übrigen Bewohnern, den Schildbürgern, ist hinlänglich bekannt – als Stadt der Narren. Man denkt allerdings, es gebe sie nur in unserer Phantasie. Jüngst kamen mir daran Zweifel. Nicht zum ersten Mal, aber diesmal besonders blitzartig: Fiktion, schoss es mir durch den Kopf, findet sich wieder in der Realität. Die Fundgrube ist abermals meine Regionalzeitung.*) Dort las ich gleich im ersten Satz des Berichts: „Südeuropa ächzt unter Rekordtemperaturen von weit über 40 Grad Celsius.“ Darüber prangte die Überschrift „Lübeck nimmt den Kampf gegen Hitzewellen auf“.
Wie mag Lübeck die geplante Hilfe wohl hinbekommen?
Nehmen wir mal an, das mit der Hitzewelle und dem Ächzen in Südeuropa stimmt – das Vertrauen in die Medien des politischen Mainstream ist ja ziemlich dahin – und nehmen wir die Richtigkeit auch der „weit über 40 Grad Celsius“ mal an, dann fragt sich der noch nicht bescheuerte Leser, von dessen Sorte es in Deutschland noch ein paar Versprengte gibt, wie Lübecks stadtverwaltende Obrigkeit die geplante Hilfe hinkriegen will. Immerhin sind es bis dort, wo Südeuropa von Lübeck aus beginnt, rund 800 Kilometer südlicher und dort, wo es endet, 2200 Kilometer noch südlicher.
Sich amüsieren oder schreiben?
Reagieren kann man auf Lübecks Vorhaben auf zweierlei Weise: Erstens man amüsiert sich und geht über zur Tagesordnung. Oder zweitens, man verschafft sich Luft und schreibt was darüber. Zum Beispiel dies: Wie solidarisch und edelmütig, dass Lübeck helfen will, die ächzenden Südeuropäer (und die Touristen dort, sicher auch welche aus Lübeck) vor diesen Rekordtemperaturen zu bewahren. Pardon, das ist Ironie. Lübecks Vorhaben geht natürlich nur durch Maßnahmen in Lübeck direkt, nicht in Südeuropa, wo es der Hansestadt an hoheitlich durchgreifender Gewalt ohnehin fehlt.
Was Lübeck nur tun kann: Etwas gegen Hitze-Auswirkungen tun
Natürlich liegt es auf der Hand, dass Lübeck nicht die Hitzewellen in Südeuropa bekämpfen kann, was immer es dagegen unternähme. Sogar in Lübeck selbst gelänge es nicht, wenn es denn dort zu „deutlich über 40 Grad Celsius“ überhaupt käme. Doch Lübeck ächzt keineswegs unter Rekordtemperaturen, schon gar nicht unter solchen. Aber das Lübecker Regionalblatt erweckt bei seinen Lesern diesen Eindruck von derartigen Hitzewellen künftig auch in Lübeck. In den heißen und trockenen Wochen kürzlich im Juni und Juli stieg die Temperatur im Stadtgebiet auf etwas über 30 Grad, was noch zu ertragen war und im Sommer stets vorkommt. Also: Was Lübeck nur tun kann, ist, etwas gegen die Auswirkungen von zu großer Hitze zu tun. Und das will es.
- Aktuell, so las ich in den Lübecker Nachrichten, arbeite das Gesundheitsamt der Stadt an „Musterhitzeschutzplänen“ für Kitas, Pflegeheimen, Praxen und Kliniken („Damit sollen vor allem Kleinkinder und Senioren geschützt werden“). Was bloß, fragt man sich, ist denn eine Musterhitze?
- Ferner: Die Verwaltung plane derzeit Lübecks erste „Klimastraße“. Die heißt so, weil die Stadt eine jetzt noch asphaltierte Straße „entsiegeln“, also vom Asphalt befreien, begrünen und wohl wieder zum Sandweg machen will.
- Ferner: Ein Lübecker „Gründach-Potenzialkataster“ soll privaten Hauseigentümern online zeigen, ob ihre Dächer für eine Begrünung geeignet sind, damit sich ihre Häuser „nicht so stark aufheizen“. Gewiss, Begrünen mag sinnvoll sein, aber dafür ein amtliches Kataster? Oder wahrscheinlich gar als Vorstufe dafür, das Begrünen später vorzuschreiben, wenn sich Eigentümer dem partout verweigern?
- Ferner: Schon 2020 ist für die Hansestadt ein „Klimaanpassungskonzept“ beschlossen worden. Als erste Maßnahme informierte ein Hitzeportal „über Wetterlagen und das richtige Verhalten bei anhaltend hohen Temperaturen“. Immerhin, sich ans Klima anzupassen ist bei weitem sinnvoller, als es „schützen“ zu wollen. Aber war diese Maßnahme nicht ohnehin schon gang und gäbe? Haben über das Verhalten bei Hitze und Wetterlage nicht längst und ständig die Medien informiert – die Zeitungen, der Rundfunk, das Fernsehen? Das soll nun zusätzlich auch amtliche Aufgabe sein?
- Eine prima Idee hat auch die SPD-Landtagsfraktion in Kiel. Sie fordert einen „Hitzeaktionsplan“ und schlägt die unentgeltliche (nicht: „kostenlose“) Abgabe von Sonnencreme in Parks, Schulen, an Stränden und auf Spielplätzen vor. Warum nicht auch gleich von Flaschen mit Wasser, von Mützen, Hüten, Sonnenschirmen und was immer sonst an Hitzeerleichterungen?
Man hat ja sonst nichts zu tun
Alles Narreteien. Schilda eben. Oder Bevormundungs-Phantasien und eifernder Betätigungsdrang. Oder Unentbehrlichkeitsgelüste und Allmachtsgehabe. Man hat ja sonst nichts zu tun. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Zumindest in Norddeutschland herrscht seit einer Woche ein ziemlich kalter und regnerischer Sommer, wie er hier immer wieder vorkommt. Da, liebe Landtags-SPD, bietet sich nun doch auch die unentgeltliche Abgabe von Regenbekleidung („Friesen-Nerze“ zum Beispiel) und von Regenschirmen an. Oder?
Die Schildbürger und ihre Obrigkeit gelten als naiv, töricht und engstirnig. Das ist in der Fiktion amüsant und lustig, die Spinner im Lübeck der Wirklichkeit sind schlicht durchgedreht. Aber eben nicht nur dort. In der FAZ vom 26. Juli (Seite 1) ist zu lesen, dass die Bundesregierung für den Klimaschutz von 2024 bis 2027 knapp 200 Milliarden Euro ausgeben will.
Narrentum, gewiss – aber nur scheinbares
Apropos: Schilda ist überall. Der Glauben an den Sinn der Klima- und Hitzeschutzpolitik ist bekanntlich ein globales Phänomen. Aber diese Politik ist nur scheinbares Narrentum. Hinter ihr steckt in Wirklichkeit sehr rational die kriminelle Energie einer Minorität von Ausbeutern in Politik und Wirtschaft. Das vermeintliche Narrentum ist wohlgeplante Geldabschneiderei und Machtpolitik. Die sie inszenieren sind keine Narren, sondern brutal-gerissene Geldräuber und gewissenlose Machtbesessene mit dem sich selbst verpassenden Heiligenschein von vorgeblichen Klimaschützern. Lübecks im Mainstream mitschwimmende Obrigkeit weiß das nicht. Auch nicht die meisten desinformierten, betrogenen Menschen. Sie und ihre Obrigkeit sind nach wie vor, wenn sie sich nicht aufklären lassen oder selbst aufklären, naive, törichte oder engstirnige Schildbürger.
PS. Ich hätte diesen Text an das Lübecker Blatt auch als Leserbrief schreiben können. Ich hab’s sein lassen. Realistische Einsicht: Veröffentlichung aussichtslos.
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*) Lübecker Nachrichten vom 22. Juli 2023, Seite 1 („Lübeck nimmt den Kampf gegen Hitzewellen auf“) und ausführlicher noch im Innern des Blattes auf Seite 12 („Das ist Lübecks Plan gegen die Hitze“).