Kernkraft wird wieder salonfähig

Der Ukraine-Krieg, die westlichen Sanktionen gegen Russland, die Klimaschutzpolitik und daraus drohende Engpässe in der Energieversorgung führen notgedrungen zu einer Rückbesinnung – Aufforderungen, den Ausstieg aus der Kernkraft zu überdenken – Auch die EU-Kommission ist mit von der Partie – Die erfolgreiche Angstmache vor radioaktiver Strahlung – Aber Radioaktivität ist überall

Die Folgen des Krieges durch Russland, Ukraine, USA, EU und Deutschland, der seit dem 24. Februar in der Ukraine und um die Ukraine stattfindet, zwingen Deutschland, seine Energiepolitik nun wohl doch zu revidieren. Die Sanktionen gegen Russland drohen für die deutsche Versorgung mit Strom und Wärme zum Bumerang zu werden. Unversehens muss die politische Führung erkennen, wie sehr Deutschland auf Russland mit dessen Erdgaslieferungen angewiesen ist. Ebenso, dass es töricht ist, ausgerechnet in dieser prekären Lage „auf Deubel komm‘ raus“ die Klimaschutzpolitik durchzuziehen und nach zentralstaatlicher Planung die vom CO2-Massaker bisher verschonten  Kohle- und Kernkraftwerke auch noch abzureißen und damit die deutsche Stromversorgung in den Zusammenbruch zu treiben.

Ohne Strom ist alles nichts, und auch die Wähler mögen das nicht so sehr

Grün-sozialistische Politik-Ideologen und staatsbesessene Zentralplaner in allen Altparteien spüren nun endlich „ohne Strom ist alles nichts“ und auch, dass die Wähler „not amused“ wären, wenn dieser ausbliebe. Freier Handel auf Gegenseitigkeit, bislang als wirtschaftlich vorteilhaft, friedensfördernd und hochwillkommen wahrgenommen, gilt urplötzlich als hochgefährliche Abhängigkeit – jedenfalls dann, wenn der Lieferant Russland ist; abhängig von anderen Ländern wie Qatar (LNG) und USA (Fracking-Gas) ist natürlich gaaanz etwas Anderes. Dumm nur, dass es mit den Lieferungen von dort und in den benötigten Mengen erst in mindestens zwei Jahren etwas werden kann und diese weit teurer ausfallen. So bleibt denn wohl nichts anderes übrig, als die verbliebenen Kohlekraftwerke weiterlaufen zu lassen und die restlichen Kernkraftwerke erst einmal lieber nicht aufzugeben. Von ehemals 19 Kernkraftwerken in Deutschland sind nur noch drei in Betrieb. Weitere drei könnten wieder zugeschaltet werden. Noch.

Aufforderungen, den Ausstieg aus der Kernkraft zu überdenken

Diese Lage hat auch in Deutschland Bewegung in die Rückbesinnung auf die Kernkraft gebracht. Zusätzlichen Aufwind bekommt die Kernkraft, weil sie kein COfrei­setzt. Jetzt als Bundeswirtschaftsminister hat Robert Habeck (Die Grünen) Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen, stieß allerdings in den eigenen Reihen auf Widerstand. Die Unionsparteien sahen darin ein schönes Thema für ihre Rolle in der Opposition. In der vorletzten März-Woche haben die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT)  und der CDU-Wirtschaftsrat verlangt, den für Ende des Jahres geplanten endgültigen Ausstieg aus dieser Stromversorgung zu überdenken. Der Branchenverband Kerntechnik Deutschland e.V. hat Bundeskanzler Olaf Scholz in einem offenen Brief dazu aufgefordert, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern.  „Eine mögliche Verlängerung der Laufzeit der hiesigen Kernkraftwerke muss in die energiepolitische Debatte mit einfließen“, schreibt der CDU-Wirtschaftsrat in seinem Positionspapier „Zeitenwende in der Energiewirtschaft“. Zum Stromverbrauch tragen die restlichen Kernkraftwerke noch 12 Prozent bei. Sie stoßen kein CO2 aus, decken  einen Teil des Grundlastbedarfs und helfen mit, das Stromnetz im Notfall zu stabilisieren.

Auch die EU-Kommission ist mit von der Partie

Doch hat die Rückbesinnung auf die Kernkraft nicht erst mit den Folgen des Ukraine-Krieges begonnen. 2021 hat die EU-Kommis­si­on monatelang an ihrem sogenannten Taxonomie-Vorhaben gearbeitet und im Januar 2022 den Entwurf dafür vorgelegt. ­Demnach soll die Kernkraft als nachhaltig und als „grüne“ Energiequelle eingestuft werden, also ein „Öko-Label“ bekommen.*) Zwar geht es dabei  im Wesentlichen darum, Investoren Gewissheit zu verschaffen, welche Energieträger amtlich als „grün“ gelten, wenn sie ihre Gelder in „nachhaltige“ Produktionen investieren, und die Betreiber können sich dann günstiger finanzieren. Aber der Kernkraft würde das auch in Deutschland wieder Auftrieb geben.

Die erfolgreiche Angstmache vor radioaktiver Strahlung

Doch dem steht dort noch immer die Angst vor radioaktiver Strahlung entgegen. Die jahrzehntelange fanatisch betriebene Panikmache der „Grünen“ und ihrer Umweltschutz-Gefolgschaft  in Politik und Medien hat sich in den Köpfen der einseitig informierten Menschen eingegraben. Da ist sie schwer wieder herauszubekommen. Der folgende Beitrag ist ein weiterer Versuch, diese maßlos  betriebene Strahlungsangst vor friedlicher Kernkraftnutzung überwinden zu helfen. Überschrift und Zwischenüberschriften stammen von mir.

 

Radioaktivität ist überall

Von Dr. Hermann Hinsch**)

Wir leben in einer radioaktiven Welt. Auch Kernkraftgegner machen keinen Unterschied zwischen künstlicher und natürlicher Radioaktivität. Andernfalls könnten sie nicht begründen, warum sie gegen Uranbergbau protestieren, bei dem ja nur Naturstoffe aus der Erde geholt werden.

Die Messeinheiten Becquerel und Sievert

Was irgendwo an Aktivität drin ist, wird in Becquerel (Bq) gemessen. Für die daraus resultierende Strahlenbelastung – besser sagt man neutral Strahlexposition –  gibt es die Einheit Sievert (Sv). 7 Sievert sind tödlich, man hat es aber fast immer nur mit tausendstel Sievert zu tun, also Millisievert (mSv) und millionstel, also Mikrosievert (µSv).

Unsere jährliche Strahlendosis aus der Natur: 2 mSv

Der menschliche Körper enthält an natürlicher Radioaktivität etwa 100 Bq je Kilogramm Körpergewicht. Die radioaktiven Isotope, K 40, C 14 und weitere erzeugen für jeden eine jährliche Strahlendosis von 0,25 mSv. Dazu kommt Strahlung aus dem Weltraum, eingeatmetes Radon und Strahlung aus der Umgebung. Im Flachland sind das 0,45 mSv. Zusammen bekommen wir 2 mSv. Wer vor Strahlen Angst hat, kann nichts dagegen machen, außer abnehmen. Dann nimmt auch die Menge radioaktiver Isotope im Körper ab. Aber jedes strahlende Atom gilt doch als gefährlich? Es darf doch nichts zur körpereigenen Radioaktivität dazukommen? Also – Achtung, Ironie – Abstand von den Mitmenschen mit ihren 7.000 oder mehr Becquerel, vor allem kein Körperkontakt!

Nicht die ohnehin minimale Strahlung ist das Problem, sondern die Politik

Spaß beiseite: Jahresdosen unter den natürlichen Werten interessieren doch niemanden, oder doch? Aber ja, für ein Endlager in Deutschland wird der Nachweis verlangt, dass nie irgendwo irgendwer einer höheren Jahresdosis als 0,1 mSv durch die eingelagerten Abfälle ausgesetzt wird. Ich hatte Gelegenheit, ein zeitweiliges Mitglied der Endlagerkommission zu fragen: Wird durch den so kleinen Wert nicht die Endlagersuche sehr erschwert? Nein, sagte er, die Geologen wären sich sicher, dass praktisch alles unten bleibt, der Nachweis wäre für jeden einigermaßen geeigneten Standort zu erbringen. Die Schwierigkeiten der Endlagersuche lägen auf dem Gebiet der Politik. So bleiben die Abfälle eben an der Erdoberfläche und tun auch dort niemandem etwas.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen erst von 100 mSv an

Bei Unfällen von Kernkraftwerken sieht es anders aus, da gibt es dann in der Umgebung recht eindrucksvolle Dosiswerte. Man muss aber bedenken: Erst ab 100 mSv finden ehrliche Wissenschaftler Strahlenwirkungen, welche die Gesundheit beeinträchtigen könnten. 100 mSv innerhalb von einigen Stunden, nicht auf ein ganzes Jahr verteilt. Es müsste zu den natürlichen Jahresdosen ab 2 mSv noch sehr viel dazukommen.

Ein Tag Strahlenbelastung im Sperrgebiet von Tschernobyl nur  5 Mikrosievert (µSv)

So war die Umgebung des zerstörten Kernkraftwerks Tschernobyl niemals eine Todeszone. Mehrere benachbarte Reaktoren wurden weiter betrieben. Im Jahr 1992, sechs Jahre nach dem Unglück, war ich mit meiner Tochter einen Tag lang im Sperrgebiet. Dort wurden wir auch bewirtet. Alles war grün. Allerdings, sagte man uns, gäbe es überhaupt keine Weißstörche mehr, die sonst in der Ukraine recht häufig sind. Aber das ist leicht zu erklären: Verlassene Dörfer sind Störchen unheimlich, dort brüten sie nicht mehr. Der Tag auf dem Reaktorgelände brachte uns eine Strahlenexposition von etwa 5 Mikrosievert (µSv), etwas weniger als der Flug nach Kiew. In den letzten Jahren kamen die Touristen täglich zu Hunderten. Eine Führerin, die an jedem Arbeitstag den Touristen die „heißesten“ Stellen vorführt, hat am Ende eines Jahres eine geringere Strahlendosis eingesammelt als eine Stewardess im Flugzeug aufgrund der kosmischen Strahlung.

Eine Todeszone war es wirklich nicht

Eine Todeszone ist es wirklich nicht, wenn auch Greenpeace, IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) und andere viel Schreckliches über Menschen und Tierwelt schreiben. Das ist alles nicht mit den Ergebnissen von nunmehr über hundert Jahren strahlenbiologischer Forschung in Einklang zu bringen. Fünfzehn Jahre nach dem Unfall, im Jahr 2001, schrieb die Iswestiya: (26. April 2001): „Womit Gott Tschernobyl nicht benachteiligt hatte, waren attraktive Damen. Gekleidet in uniformähnliche Schutzanzüge – als Servicepersonal in den Kantinen, als Wissenschaftlerinnen oder Doktorandinnen – waren sie einfach ein erfreulicher Anblick. Resultat: 15 Jahre nach dem Unfall in Tschernobyl kam ein neuer Begriff auf: ‚Zonenfamilien‘. Diese hatten kein Problem mit Geld (in der Stadt herrschte der Kommunismus, praktisch alles bekam man für Gutscheine oder kostenlos) und auch nicht mit Wohnungen (es gab reichlich aufgegebene Häuser) …… Gegen den Rat von Ärzten und den Erzählungen über Mutationen wurden in der Stadt Kinder geboren.“

„Zonenkinder“ ohne besonderen Befund, aber Nachweise von Schilddrüsen-Erkrankungen

Soweit die Iswestiya. In der Anti-Atom-Propaganda kommen die Zonenkinder nicht vor, denn man fand bei ihnen keine Besonderheiten. Das erste in der Sperrzone geborene Kind, Marina, kam aus keiner Familie, es war unehelich und wurde von der auf Dauer im Sperrgebiet wohnenden Großmutter aufgezogen. Über Fukushima wird ebenfalls Schlimmes geschrieben. Möglicherweise gibt es wirklich Erkrankungen der Schilddrüse. Für die Umgebung von Tschernobyl wurde das tatsächlich nachgewiesen. Alles andere passt nicht zu den gemessenen Strahlendosen. Die offizielle Aussage, kein Mensch sei außerhalb der Reaktoranlage ums Leben gekommen, stimmt sicher. Innerhalb gibt es nur einen Todesfall, der vielleicht durch Strahlung verschuldet wurde.

Die Tierwelt hat nicht gelitten, 200 mSv in den ersten 30 Tagen sind nicht tödlich

Ganz sicher hat die Tierwelt nicht gelitten. Im Bericht von UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation) werden 200 mSv als maximale Dosis angegeben, der Hirsche, Kragenbären und Wildschweine in den ersten 30 Tagen nach dem Unfall ausgesetzt waren (UNSCEAR 2013 Report). Das ist nicht tödlich und kann auch nicht die behaupteten grässlichen Mutationen bei Schmetterlingen und anderen erklären.

Warum jetzt weniger Rauchschwalben, Sperlinge, Krähen und Wiesenammern?

Ganz anders die Panikmacher, z. B. Tim Mousseau, Biologe aus South Carolina: Die Anzahl der Vögel sei dramatisch zurückgegangen, und nehme weiter ab trotz abklingender Radioaktivität. Der Herr Mousseau verlässt sich darauf, dass die meisten Menschen keine Ahnung von der Lebensweise vieler Arten von Vögeln haben: Früher habe es hunderttausende Rauchschwalben gegeben, nach dem Unfall gebe es nur noch ein paar Dutzend. Ebenso dramatisch sei die Bestandsabnahme bei Sperlingen, Wiesenammern (Emberiza civides) und Krähen. Das wird auch so sein, wie das Fehlen von Störchen in Tschernobyl. Sperlinge und Rauchschwalben leben nicht in aufgegebenen Siedlungen, Krähen kommen nicht mehr zurecht, wenn kein Abfall herumliegt, nicht gepflügt und gemäht wird. Ammern mögen es nicht, wenn ehemalige Wiesen langsam zu Wald werden

Warum Wildschweine in Gebieten mit der höchsten Dosisleistung leben?

Tatsächlich entwickelt sich die Natur positiv, wie in Tschernobyl. Eine seriöse Arbeit befasst sich mit Wildschweinen und zwei Arten von Schlangen (Evaluation of DNA damage ….., Cunningham, K. u. a., Environment International, Vol. 155, 2021, 1206675). Bei der Bestimmung von Strahlendosen erwiesen sich als Quellen nur Cs 134 und Cs 137 von Bedeutung, die übrigens aus Endlagern nicht zu erwarten sind. Selbstverständlich wurden die meisten Wildschweine in den Gebieten mit der höchsten Dosis angetroffen, da sie dort am ungestörtesten leben konnten. Das war 2016 bis 2018. Die höchste Dosisleistung wird mit 20,1 µGy/h (entspricht µSv/h) angegeben. Multipliziert mit 24 Stunden/Tag und 365 Tagen/Jahr sind das 176 mSv, 88mal so viel wie unsere Strahlenexposition von 2 mSv pro Jahr.

Schlangen und Wildschweine durch chronische Strahlenintensität ohne signifikante Gesundheitsschäden

Die Schweine und auch die Schlangen erschienen alle gesund, und signifikante DNA-Schäden wurden nicht gefunden. Zusätzlich wurde die Stresssituation anhand des Cortisolniveaus untersucht. Die Schlussfolgerung der Autoren: Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Wildschweine und Schlangen, die chronisch Strahlenintensitäten ausgesetzt sind, bei welchen der dauernde Aufenthalt von Menschen verboten ist, keine signifikanten negativen Wirkungen auf ihre Gesundheit erfahren, wie dies anhand von Biomarkern für DNA-Schäden und Stress ermittelt werden kann.

Vielleicht gibt es für die Franzosen trotz Kernkraftwerken und Endlagern in Frankreich doch noch Hoffnung.

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*) „Ökolabel für Atomkraft kaum noch zu stoppen“ (FAZ vom 24. Januar 2022, Seite 19). Das Taxonomie-Regelwerk soll Anfang 2023 in Kraft treten. Doch bleiben  Inves­ti­tio­nen in nicht „nach­hal­ti­ge“ Ener­gie auch dann möglich. Ebenso wenig müssen die Staa­ten ihren Ener­gie­mix an den Vorga­ben ausrich­ten. In der EU gilt ohnehin nach wie vor der Grund­satz, jeder Mitgliedstaat solle selbst über den Ener­gie­mix und damit über die Nutzung der Kern­ener­gie entschei­den. „Die EU hat in ihrem Port­fo­lio einen Vertrag, der die Förde­rung der Atom­kraft vorsieht und es den Mitglied­staa­ten über­lässt, ob sie diese nutzen wollen“  (Frank Schorkopf, Professor für Öffent­li­ches Recht und Euro­pa­-Recht an der Univer­si­tät Göttin­gen, FAZ vom  26. Januar.2022, Seite 16: „Europas Bekenntnis zum Kernenergie“).

**) Dr. Hermann Hinsch ist Diplom-Physiker. Er  war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Erforschung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle. Er ist Autor der Bücher Das Märchen von der Asse, Gorleben und anderen Endlagern: – eine unendliche Geschichte und  Radioaktivität – Aberglaube und Wissenschaft, beide im Kindle-Verlag erschienen. Verfasst hat er diesen Beitrag in Hannover am 13. Januar 2022. Den Begriff Atomtechnik habe er, so Hinsch erläuternd, absichtlich verwendet, obwohl es korrekterweise „Kerntechnik“ heißen müsse.

 

 

 

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