Wenn sich Polizisten rechtsextrem äußern

Eine großangelegte Aktion dagegen – Maßnahmen sind zwar erforderlich, aber welche? – Was vernünftiger gewesen wäre und wie es hätte gehandhabt werden müssen – OLT a. D. Hannes Zimmermann über „Menschenführung bei der Polizei in NRW“

Wieder einmal wird ein rechtsextremes Ereignis politisch und medial gewaltig aufgebauscht: der Meinungsaustausch von nordrhein-westfälischen Poli­zis­ten in WhatsApp-Chat-Grup­pen mit rechts­ex­tre­men Inhal­ten. Nach Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sind dort seit 2012 Bilder mit „menschen­ver­ach­ten­den, rassis­ti­schen, gewalt­ver­herr­li­chen­den Inhal­ten“ ausge­tauscht worden: Foto­gra­fi­en von Adolf Hitler, Bilder von Haken­kreu­zen sowie fikti­ve Darstel­lun­gen eines Flücht­lings in einer Gaskam­mer. Es handle sich, so Reul, um „wider­wär­ti­ge, menschen­ver­ach­ten­de, rassis­ti­sche Bilder“.   Man werde „das aufar­bei­ten, radi­kal und bis ins kleins­te Detail“. Aller­dings habe es sich um priva­te, abge­schlos­se­ne Chat­grup­pen gehan­delt, „bei denen es zu Recht eine grund­ge­setz­lich geschütz­te Eingriffs­schwel­le gibt“.

Eine großangelegte Aktion

Es ist zu einer groß­an­ge­leg­ten Durch­su­chungs­ak­ti­on in Privatwohnungen und 34 Polizeidienststellen gekommen. Sichergestellt wurden unter anderem 43 Mobil­te­le­fo­ne, 21 Spei­cher-Sticks, 20 Fest­plat­ten, 29 Laptops und neun Tablet-Compu­ter. Reul installierte einen ihm unmit­tel­bar unter­stell­ten „Sonder­be­auf­trag­ten rechts­ex­tre­mis­ti­sche Tenden­zen in der nord­rhein-west­fä­li­schen Poli­zei“. Dessen neu geschaf­fe­ne Stab­stel­le soll so rasch wie möglich ein Lage­bild „Rechts­ex­tre­mis­mus in der Poli­zei“ erar­bei­ten. Ermittelt wird gegen dreißig Beam­te. Gegen alle sind Diszi­pli­nar­ver­fah­ren einge­lei­tet. In fünfzehn Fällen zielen sie auf eine dauer­haf­te Entfer­nung aus dem Dienst. Die ande­ren fünfzehn  sollen Bild­da­tei­en mit rechts­ex­tre­mem Inhal­t nicht selbst versandt, sondern empfan­gen, aber ihre Dienst­vor­ge­setz­ten darüber nicht in Kennt­nis gesetzt haben. In zwölf Fällen unter den dreißig laufen Straf­ver­fah­ren wegen Verbrei­tens von Kenn­zei­chen verfas­sungs­wid­ri­ger Orga­ni­sa­tio­nen.*)

Maßnahmen sind zwar erforderlich, aber welche?

Ein derart öffentlich ablaufender hektischer Aktionismus läuft darauf hinaus, die gesamte deutsche Polizei in der Bevölkerung subkutan zu diskreditieren. Daher ist es richtig, dass Nordrhein-Westfalens Innen­mi­nis­ter Herbert Reul (CDU) die rund 50 000 anderen Poli­zisten gegen einen Extremismus-Gene­ral­ver­dacht in Schutz genommen hat: Das Gros der Poli­zis­ten sei „abso­lut inte­ger“, doch Extremisten hätten in der Polizei „gar nichts zu suchen“. Natürlich sollen Staatsdiener keine Extremisten sein, weder rechte noch linke – politisch nicht und auch sonst nicht. Wenn sie das, wie offensichtlich geschehen, zu erkennen geben, sind Maßnahmen dagegen in der Tat erforderlich. Aber welche?

Was vernünftiger gewesen wäre

Es fragt sich nämlich, ob es aus politischen und aus menschlichen Gründen nicht  vernünftiger gewesen wäre anders vorzugehen. Wie in jeder Institution, sei sie privater, oder öffentlich-rechtlicher Art, bedarf es auch in der Polizei einer guten Menschenführung. Der Oberstleutnant a. D. Hannes Zimmermann aus dem Ort Neunkirchen-Seelscheid hat sich aus dem aktuellen Anlass darüber Gedanken gemacht, aber sich von dem extremistischen Treiben jener Polizisten natürlich distanziert. Was er dazu unter seiner Überschrift „Menschenführung bei der Polizei in NRW“ äußert und anregt, gebe ich im Folgenden mit seiner Einwilligung als Gastbeitrag wieder.

„Menschenführung bei der Polizei in NRW“

Gastbeitrag von Hannes Zimmermann

A. Nun muss man mal die Kirche im Dorf lassen

  1. Niemand ist getötet, verletzt, geschädigt oder sonst irgendwie beeinträchtigt worden.
  2. Dem Internet (https://www.polizeitest.de/zahlen-wie-viele-polizisten-gibt-es-eigentlich/) entnimmt man, dass es in NRW 40.202 Polizeibeamte gibt. Die 29 Beamten, um die es hier geht, entsprechen 29/40202= 0,07214 Prozent. Das sind weniger als 0,1% aller Beamten. Von allen anderen muss man annehmen, dass sie ihren Dienst ohne Beanstandungen versehen.
  3. Daraus ergibt sich: Die Ehre der ca. 99,9 % der Polizeibeamten von NRW ist von ihrem Minister – ohne Not – „beschädigt“ worden.
  4. Was er dabei – kaum zu verstehen – versäumt hat, ist das Beachten der gesetzlichen Vorgaben, die dem Dienstherrn im Hinblick auf die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten auferlegt sind. (https://www.dbb.de/lexikon/themenartikel/f/fuersorgepflicht-des-dienstherrn.html, https://www.rehm-verlag.de/beamtenrecht/blog-beamtenrecht/fuersorgepflicht-was-ist-das/).
  5. Was die Gemaßregelten wie auch die übrigen 99,9 Prozent der Beamten von Ihrem Minister nun denken, lässt sich an fünf Fingern abzählen.
  6. Was sie nun (sicherlich erneut) feststellen müssen: Ihre Vorgesetzten, einschließlich dem Minister setzen sie der ganzen Härte des Gesetzes aus, wenn sie mal „Mist gemacht“ haben. Wer aber – so ist zu fragen – hat in seinem Leben noch nie „Mist gemacht“?
  7. Die Folge: Die Motivation dieser 40.000 Beamten ist dem Nullpunkt nahe. Um Fehler zu vermeiden – so ist deren Erfahrung gewachsen – ist es risikoloser wegzuschauen, als mit gebotener Strenge gegen Rechtsbrecher vorzugehen.
  8. Dass die Beamten in der Wahlkabine ihr Kreuz dorthin machen, wo es Kanzlerkandidat Merz verkündet hat, ist nachvollziehbar.
  9. Die 29 Beamten, die vom Dienst suspendiert worden sind und nun disziplinaren Maßnahmen entgegensehen, sitzen zu Hause und sind verzweifelt. Verzweifelt sind auch die nicht beteiligten Ehefrauen, deren Leben nun mit Maßnahmen bedroht ist, für die sie nichts können. Die Kinder bemerken, was da „los ist“ und verlieren ihren Respekt vor ihrem Vater. Die Ungewissheit erstreckt sich nun auch auf sie. Die schulischen Leistungen werden möglicherweise sinken. Vielleicht hatte die Familie Schulden? Das bisher normale Familienleben gibt es nicht mehr!

 

B. Wie hätte ein solcher Fall richtig gehandhabt werden müssen?

  1. Der Verfassungsschutz hat nicht die Aufgabe, „Leute ans Messer zu liefern“, sondern die Verfassung zu schützen. Die Methoden dafür müssen differenziert und dürfen sicherlich nicht pauschal angewendet werden.
  2. Ihm sind ja die Erkenntnisse, dass diese 29 Beamten Dinge getan haben, die in eine Demokratie nicht passen und die vom Gesetz nicht gedeckt sind, nicht von einer Stunde auf die andere durch die Luft zugeflogen.
  3. Vielmehr wird es so sein, dass ganz am Anfang ein erster Verdacht gegen einen der 29 aufgekommen ist. Bei näherem Hinsehen werden dann 2-3 weitere Beamte in das Blickfeld der Verfassungsschützer geraten sein usw.
  4. Das wäre der Moment gewesen, in dem der zuständige Beamte beim Verfassungsschutz seinen (ranggleichen) Kollegen bei der Polizei hätte anrufen müssen, um ihm den aufkommenden Verdacht mitzuteilen. Das wäre auch aus Fürsorgegründen gegenüber dem Beamten notwendig und angemessen gewesen.
  5. Der Vorgesetzte des Beamten hätte dann den Betreffenden zu sich kommen lassen und mit ihm ein Gespräch unter vier Augen geführt. Bei der Frage, ob die genannten Verdachtsgründe zutreffen, hätte der Beamte zwei Möglichkeiten gehabt: Zu leugnen oder zu gestehen. Ihm wäre klar gewesen, dass die zunächst noch vagen Vorwürfe mit aller Strenge verfolgt werden würden, wenn er leugnet. Also hätte er im Normalfall seine Verfehlungen zugegeben.
  6. Das wäre nun der entscheidende Moment geworden. Hier hätte der Vorgesetzte seinen Beamten (sinngemäß mit erhobenem Zeigefinger) ermahnen müssen, seine Aktionen auf der Stelle einzustellen und seinen Dienst so zu versehen, wie es von ihm erwartet wird.
  7. Der Beamte hätte nun erkannt, dass sein Vorgesetzter schützend seine Hand über ihn gehalten hat. Fortan wäre seine Motivation, einem „blitzsauberen Dienst“ zu verrichten, in einer Weise gewachsen, dass er sich „die Beine ausgerissen hätte“ diesen nach den Erwartungen seines Vorgesetzten zu machen. Ohne zu murren hätte er sich zum Sonntagsdienst einteilen lassen usw. usw.
  8. Diese positive Motivation hätte sich auf die Kollegen übertragen und jedem wäre klar geworden, dass die Vorgesetzten schützend ihre Hand über sie halten, wenn „halt mal was passiert“ ist, was im Normalfall nicht toleriert werden kann.

Das Ganze würde nicht nur bei der Polizei in NRW, sondern auch bei der in der gesamten Bundesrepublik zu dem Bewusstsein beitragen, dass sie durch ihre Vorgesetzten „Rückendeckung“ erhalten, wenn das mal nötig werden sollte. Und zwar unabhängig von dem Geschrei, das aus gewisser politischer Richtung erhoben wird.

Daran krankt das ganze System: Der Vorgesetzte – hier Innenminister Reul – „haut lieber seine Beamten in die Pfanne“, als zuzugeben, dass die von ihm und seinen Führungs-Vorgesetzten der Polizei praktizierte Menschenführung falsch war. Er selbst ist es, der die Verantwortung für das Fehlverhalten einiger weniger Beamten zu übernehmen hat. Er hat sich nun mal nicht gegenüber der Öffentlichkeit, sondern gegenüber seinem Gewissen zu verantworten – falls er eines hat.

 

C. Ideal wäre es gewesen, wenn der ganze Vorfall nach den obigen acht Punkten abgehandelt worden wäre:

  • Radikale, verwerfliche Äußerungen innerhalb der Polizei wären nachhaltig abgestellt worden.
  • Die Familien der Beamten wären unbeeinträchtigt geblieben.
  • Es wäre in der Öffentlichkeit kein solcher „Klamauk“ entstanden.
  • Die Beamten würden motivierter ihren Dienst verrichten, als sie das bisher tun.
  • Der Vorgesetzte hätte eine Mannschaft, auf die er sich in jeder Situation verlassen kann und
  • am Minister selbst wäre nichts hängen geblieben, was auf seine fehlende Fähigkeit zur Menschenführung hindeuten könnte.

OLT a.D. Hannes Zimmermann (parteilos), 53819 Neunkirchen-Seelscheid, am 17. September 2020.

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*)  Alle Angaben aus der FAZ vom 17. Und 18. September 2020.

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2 Kommentare zu „Wenn sich Polizisten rechtsextrem äußern“

  1. Wir sind mit einem bösartigen Regime geschlagen. Für solch ein Regime ist Abschnitt B ganz ausdrücklich keine Option. Ein bösartiges Regime gebiert nur Böses. Bei der derzeitigen Schlagzahl gibt es fast jeden Tag neue Beispiele, die das belegen.

  2. Was motiviert einen einfältigen Denunzianten? Ein solcher hat 1987 die Axt an mein Leben gelegt.

    Was motiviert einen eifersüchtigen Verleumder? Ein solcher hat von 1985 bis 1997 meinen Ruf und meine Familie zerstört.

    Inzwischen verstehe ich, dass notorische Lügner traumatisierte Geisteskranke sind, die unbewusst so handeln. Unsere Gesellschaft besteht aus notorischen Lügnern und Empathen, die den Lügen glauben wollen.

    Deshalb ist mir bereits zwei Mal eine staatsanwaltliche Laus über die Leber gelaufen. „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

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