Böse Töne gegen Merkel

Zwei Berichte in der FAZ über sie und ihre Rede bei der Abschlussfeier in Harvard – Der eine Merkel freundlich zugewandt, der andere eine Attacke gegen sie

Jüngst am Himmelfahrtstag: Merkel an der amerikanischen Universität in Harvard. Abschlussfeier für die 7100 Absolventen aller Fakultäten. Die Noch-Kanzlerin war dort um eine persönliche Rede an die nun Abgehenden gebeten worden. Zwei Beiträge darüber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Autor des einen Ma­jid Sat­tar, Autor des anderen Edo Reents. Beide berichten von der gleichen Veranstaltung, beide waren in Cambridge dabei. Besonders informativ jedoch ist beider Unterschied. Sattar beschreibt im politischen Teil des Blattes, was und wie es in Cambridge ablief und wie Merkel gefeiert wurde. Reents kommentiert im Feuilleton der FAZ den Inhalt der Merkel-Rede. Sattar liefert eine Reportage. Sie ist handwerklich gut, politisch korrekt und Merkel freundlich zugewandt. So hat die FAZ Merkels Tun und Treiben stets begleitet, erst in jüngster Zeit mit deutlich kritischen Tönen, seit für die Kanzlerin der politische Abend dämmert. Ganz anders Reents. Auch sein Beitrag ist eine Reportage vom gesamten Geschehen, aber er schlägt gegen Merkel derart böse Töne an, von denen man ziemlich sicher meint, sie so in der FAZ über Merkel noch nie gelesen zu haben. Überschrift: „Festgemauert in den Phrasen“. Hier einige Beispiele.

Niederschmetterndes intellektuelles Niveau

Reents schreibt „In ihrem notorischen Blazer und unter schon jetzt fast frenetischem Applaus tritt sie ohne jede Selbstgefälligkeit ans Pult. In der Mittagspause war verschiedentlich zu hören, Regierungssprecher Steffen Seibert habe die Information verbreitet, die Kanzlerin habe in letzter Minute die ihr geschriebene Rede eigenhändig geändert, und zwar in Richtung eines ganz persönlichen Bekenntnisses. Sie beginnt auf Englisch mit den obligatorischen Grußadressen, der Feststellung, dies sei ein „day of joy“ und dass „experiences“ eine „door to a new life“ sein könnten. Was dann, auf Deutsch und portionsweise gedolmetscht, folgt, ist eine Rede, deren intellektuelles Niveau man nur niederschmetternd nennen kann. Sie sagt nichts eigentlich Falsches, bestimmt nur Gutgemeintes; aber schon, dass sie sich nicht entblödet, einem mit Hermann Hesses „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“- Kitsch zu kommen, verheißt Schlimmes.“

„Abgestandenes Zeug“, vorgetragen im „Sendung-mit-der-Maus“-Ton

Reents weiter: „Ihre Stationen also: 1978 mit dem Physikstudium fertig, Kalter Krieg, sie in der ‚unfreien’ DDR, einer ‚Diktatur’, die Angst davor gehabt habe, ‚das Volk’ werde ihr ‚in die Freiheit weglaufen’, deswegen habe man die Berliner Mauer gebaut. Jeden Tag habe sie angesichts der Mauer gedacht: ‚Das halte ich nicht aus. Das war wirklich frustrierend. Aber dort, wo früher eine dunkle – war die Mauer nicht eher betonhell? – Wand war, öffnete sich plötzlich eine Tür ins Offene.’ Dies und die weiteren Deutschland-Merkel-Etappen trägt sie in einem „Sendung mit der Maus“-Ton, in dermaßen schlichten Hauptsätzen vor, dass man nicht weiß, was man denken soll. Das ist hier doch Harvard oder etwa nicht?“ … Genug. Es hat keinen Sinn, sich auch nur mit einem einzigen Satz inhaltlich auseinanderzusetzen. Das meiste hat man wirklich schon tausendmal gehört und kann es längst nicht mehr. Nicht so die Leute in Harvard. Sie reagierten, gerade an den trivialen Stellen, ausgesprochen freundlich. In den immer wieder aufbrausenden Applaus, der manchmal sogar stehend verabreicht wurde, lächelte sie sympathisch hinein, heilfroh wahrscheinlich, dass sie mit ihrem abgestandenen Zeug hier so prima durchkam.“ Merkels Rede im Originalton hier.

„Egal. Nichts wie weg hier“

Reents beendet seine Reportage so: „Jeder von den bald hundertjährigen Opas mit den Krückstöcken hätte das besser gemacht. Vielleicht hätte sie lieber Kramp-Karrenbauer vorschicken sollen? Egal. Nichts wie weg hier jetzt, bloß mit niemandem mehr Eindrücke austauschen, am Ende merken die noch, dass man Deutscher ist.“ Der ganze Beitrag hier

In Amerika selbst kaum Resonanz auf Merkels Rede

Sattar beendet seine Reportage so: „Wenn Mer­kel der­einst ih­re Me­moi­ren ver­fasst, könn­te es gut sein, dass die­ser Tag mit ei­ni­gen Zei­len Er­wäh­nung fin­det. In 14 Jah­ren hat­te sie ge­wiss nur we­ni­ge Ar­beits­ta­ge mit nur ei­nem Ter­min, zu­mal ei­nem so an­ge­neh­men. Doch so gut ihr die Stun­den im Krei­se der aka­de­mi­schen Eli­te ge­tan ha­ben mö­gen – in Ame­ri­ka selbst fin­det ih­re Re­de kaum Re­so­nanz. Das Groß­er­eig­nis wird von den Zei­tun­gen der Ost­küs­te ver­mel­det und durch­aus no­tiert, dass die Deut­sche sich von Trump ab­ge­grenzt ha­be. An­sons­ten be­schäf­ti­gen sich die oh­ne­hin selbst­be­zo­ge­nen Me­di­en lie­ber mit dem Klein-klein des täg­li­chen Kamp­fes zwi­schen Kon­gress und Prä­si­dent. Kei­ner soll­te glau­ben, in Har­vard sei ein Land wach­ge­rüt­telt wor­den.“

„Die His­to­ri­sie­rung Mer­kels hat be­gon­nen“

In Sattars Text findet sich auch der Satz „Die His­to­ri­sie­rung Mer­kels hat be­gon­nen.“ Aber der Ehrendoktortitel, den sie in Harvard erhielt, wird wohl nicht der letzte gewesen sein. Politiker und andere sehr bekannte Menschen erhalten Derartiges, weil man sie dann für eine honorarfreie Rede zu gewinnen vermag und weil das zur Selbsterhöhung beiträgt. In der Internet- und Blog-Zeitung Die Freie Welt (hier) ist zu lesen „Was sind Ehrendoktorwürden noch wert? Politiker sammeln diese wie andere Leute Briefmarken.“

PS. Leider habe ich keinen Link für den gesamten Sattar-Beitrag zur Verfügung, sondern kann nur auf die FAZ-Druckausgabe vom 1. Juni, Seite 6 verweisen. Reaktionen anderer Medien auf die Merkel-Rede hier.

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Ein Kommentar zu „Böse Töne gegen Merkel“

  1. Frau Merkel bewegt sich eindeutig auf dem Niveau von Kaiser Caligula, der bekanntlich sein Pferd zum Konsul ernennen wollte. Tatsächlich ist es erneut eine bezeichnende Peinlichkeit wie sehr unser einst stolzes Deutschland nur noch auf dem Niveau der „Sendung mit der Maus“ in der Welt auftritt. Ich schäme mich als deutscher Staatsbürger seit Jahren zutiefst für ein solch durchgängiges Staatsversagen. Mir bleibt nur der Trost zu keinem Zeitpunkt ein Beteiligter, bzw. ein Befürworter gewesen zu sein.

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