Die Neujahrsbotschaft der Kanzlerin – Die Pegida-Demonstrationen treffen den Nerv der Bevölkerung – Eine Stellungnahme aus Sachsen – Das Positionspapier von Pegida – Pegida und die AfD – Ein Brief, den Frau Merkel ganz bestimmt nicht lesen wird
Neujahr ist vorbei, das neue Jahr noch nicht. Auch Merkels Neujahrsansprache (hier und hier) ist vorbei, aber noch nicht die Diskussion darüber. Und die Diskussion über die Pegida-Bewegung geht erst recht weiter. Die Demonstrationen dieser „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ werden in der öffentlichen Wahrnehmung wohl nicht so schnell in der Versenkung verschwinden wie die salbungsvoll-langweilige Neujahrsbotschaft der Kanzlerin. Ausgenommen die ungewöhnlich heftigen Worte Angela Merkels gegen die Pegida-Anhänger. Die nämlich werden die Bewegung eher bestärken und deren Leben verlängern.*) Dies umso mehr, als es, wie in so einer Rede üblich, keine unüberlegten Worte sind. Aber selbst sehr überlegte Worte können gleichwohl törichte sein.
FAZ: Frau Merkel tadelte, wozu sie dann selbst aufrief
Auch die FAZ raffte sich zu einer kritischen Anmerkung auf und befand: „Die Reaktionen auf die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin zeigen, wo auch im Jahr 2015 die Fronten der Einwanderungsdebatte verlaufen werden. Symptomatisch ist, dass Angela Merkel nicht auf die Sache selbst einging, sondern sich – wieder einmal – auf moralische Fingerzeige beschränkte, ob eine Debatte überhaupt und wie sie zu führen sei. Sie manövrierte sich dabei in den Widerspruch, dass sie zwar die Anhänger der Pegida-Bewegung dafür tadelte, Teile der Gesellschaft ausgrenzen zu wollen – dann aber selbst dazu aufrief, den Pegida-Teil der Gesellschaft auszugrenzen. Es mag ja sein, dass mit Hass und Ressentiments, wie sie von Pegida geschürt werden, kein Staat zu machen und keine Zukunft zu gestalten ist. Aber mit Liebesentzug und Ressentiments der Staatsführung gegenüber Pegida-Mitläufern wird es wohl auch nicht gelingen.“ Allerdings mochte sich der FAZ-Kommentator Jasper von Altenbockum diesen dann folgenden Satz doch nicht verkneifen: „Die AfD hat schnell erkannt, wie sie daraus Honig saugen kann.“ Ebenso wie der Pegida-Bewegung steht die politische Redaktion der FAZ auch der AfD nicht gerade aufgeschlossen gegenüber. Ihr sind beide überaus lästig.
Eine Stellungnahme zu Pegida aus Sachsen
Aber Pegida und AfD genießen demokratischen Schutz und verdienen demokratischen Respekt. Der mir persönlich schon lange bekannte und vor mir geschätzte Hubertus v, Below im sächsischen Döben, AfD-Mitglied wie auch ich, hat am 20. Dezember 2014 in einer von ihm öffentlich gemachten Stellungnahme zu Pegida dies bekundet:
1) Die AfD hat mit der Entstehungsgeschichte der PEGIDA nichts zu tun. Die allermeisten AfD –Mitglieder und Sympathisanten benutzen im Gegensatz zu den Linken oder die NPD z.B. diese Basisbewegung der PEGIDA nicht als Trittbrettfahrer, um auf Stimmenfang zu gehen. Gegenteiliges wird von der Kirche (auch von dem neuen EKD-Vorsitzenden Bedford-Strohm), der etablierten Politik, den Medien etc etc behauptet.
2) Die Kirchen und die Politik reden zu wenig über www.opendoors.de, obwohl zur Zeit die größte Christenverfolgung aller Zeiten stattfindet. Wir als AfD Sachsen unternehmen etwas für die Unterstützung der verfolgten Christen vor Ort (siehe Anhang unten). Seit 18 Jahren unterstützen wir selbst mit unserem Döbener Schloßhofadvent das Bahrener/Grimmaer Asylantenheim. Ist das Fremdenfeindlichkeit?
3) Die PEGIDA hat sich in ihren Punkten 18-19 gegen Radikalismus und Hasspredigten positioniert. Ihr wird in Talkshows etc das Gegenteil vorgeworfen. Diese Talkshows erinnern mich an Neros Zeiten, als Christen im Kolosseum hingerichtet wurden. Heute wird man „nur medial“ hingerichtet. Gut, daß die PEGIDA sich dort und auf der Strasse verweigert.
4) Herr Bachmann ist vorbestraft, er hat seine Strafe abgesessen und Reue bekannt. Wieso wird ihm keine Vergebung wie allen anderen Straftätern in unserer Gesellschaft zuteil? Hat er sich nicht während der Fluthilfe in Dresden für die Solidargemeinschaft engagiert?? Ist er nicht mit einem Fluthelferorden ausgezeichnet worden ?
5) Kein Medium konnte bisher erklären, wieso ausgerechnet in Dresden diese Bewegung so stark geworden ist. Die PAZ hat die Antworten dazu im 4. Absatz in dem beigefügten Artikel „Die Nervosität wächst“ (hier) endlich gegeben.
6) Die zwanghafte Genderisierung steht bei der PEGIDA als Punkt 17 im Positionierungspapier. Da die Kirche sich zu diesem Thema nicht festlegt, muß man für das Aussprechen der Wahrheit Sympathie haben.
Als Fazit kann man leider nur feststellen, daß die Spaltung des Gesellschaft diesmal von oben statt von den Bürgern ausgeht. Die Presse ist leider nicht selbstkritisch genug, um zu der Einsicht zu gelangen, dass sie nach Belieben zensiert und sich damit von der PEGIDA das Plakat „Lügenpresse“ eingehandelt hat.
Das Pegida-Positionspapier
Hubertus v. Below ist Mitglied im Landesvorstand der AfD Sachsen sowie in der Gruppierung „Christen in der AfD“ und im „Mittelstandsforum“. Er hat sich hier als Einzelperson geäußert, nicht im Namen seines AfD-Landesverbandes. Den Inhalt des Pegida-Positionspapieres mit seinen neunzehn Punkten finden Sie hier. Wie die linke Berliner Tageszeitung taz damit umgeht, können Sie hier nachlesen.
„In der Pegida-Debatte Halb- und Nullwahrheiten“
Der Thüringer Publizist Dr. Thomas Hartung, Dozent an Fach- und Hochschulen, schrieb am 23. Dezember 2014 in einer Rund-Mail an Mainstream-Journalisten: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, da mich Ihre medialen und vor allem politischen Halb- bis Nullwahrheiten in der Pegida-Debatte, begrenzt durch ein unseliges Pentagramm aus Arroganz, Angst, Abwehr, Albernheit und Achtlosigkeit, mit wenigen Ausnahmen inzwischen ziemlich zu ärgern begonnen haben, habe ich mich letzte Woche einmal darzulegen befleißigt, welche Motive mich zum Spazieren treiben. Ich empfehle Ihnen außerdem dringend, bei Polizei und Stadtverwaltung die heutigen Teilnehmerzahlen nachzurecherchieren. Nach Angaben eines langjährigen Rathausmitarbeiters, der im Vermessungsamt gearbeitet hatte, passen auf den Platz bis zur Einmündung aller Zufahrten 31 500 Menschen. Da aber die Strecke bis zum Postplatz auch noch gut gefüllt war, muss die Zahl noch höher ausgefallen sein.“ Auch Hartung ist AfD-Mitglied, Kreisverband Dresden. Hartungs Erläuterung seiner Motive findet sich auf seiner Web-Seite (hier) in seinem Beitrag vom 17. Dezember 2014 „Was wollen die Pegida-Anhänger, wer sind sie, wie ticken die?“
„Den Nerv der Bevölkerung getroffen“
Für den Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt hat die Pegida-Bewegung den Nerv der Bevölkerung getroffen Im Interview mit dem Deutschlandfunk hat er kritisiert, wie Politiker auf die Demonstrationen reagieren. Unter anderem sagte er: „Hinter Pegida versammeln sich viele, die das Gefühl haben, dass die Politik sie mit ihren Sorgen alleine lässt …. Das Missverständnis ist, dass Pegida eine Bewegung wäre. Pegida ist aber keine Bewegung, die um einen charismatischen Führer mit effektiven Organisationsstrukturen herum entstanden wäre. Pegida ist eher die Kristallisation von allgemeinem Volksempfinden, von der Freude und Genugtuung, endlich Dinge öffentlich zu hören, von denen man … ((Telefonqualität schlecht)). Sie hat sich einfach laisiert um einen ziemlich beliebigen Anführer. Es ist das Ganze ja auch aus einer Facebook-Gruppe entstanden. Und wahrscheinlich ist niemand mehr überrascht vom Erfolg von Pegida als die ursprünglichen Organisatoren. Pegida hat den Nerv der Bevölkerung getroffen und hat viele von denen mobilisiert, die wir ansonsten im Wesentlichen als Nichtwähler zur Kenntnis genommen haben, als Leute, die gemeint haben, die Politiker kümmerten sich nicht um sie.“ Das ganze Interview hier.
„Für eine vitale Demokratie gut und nötig“
Wolfram Weimer schrieb im Handelsblatt vom 26. Dezember 2014 unter der Überschrift „Wieso wird Pegida nicht ignoriert?“ unter anderem: „Deutschland erlebt jeden Tag Dutzende von Demonstrationen – gegen Massentierhaltung und für ein freies Kurdistan, gegen Flughäfen und für legales Kiffen, gegen Freihandelszonen und selbst gegen Opernbälle. Das ist nicht nur durch Artikel 8 des Grundgesetzes erlaubt und geschützt, es ist für eine vitale Demokratie auch gut und nötig, dass drängende Themen im öffentlichen Raum artikuliert werden. Nur Diktaturen haben Angst vor Demonstrationen, Demokratien sehen sie als Wesensmerkmal ihrer selbst an. Und zwar unabhängig davon wie berechtigt, umstritten oder absurd die Forderungen der Demonstranten auch sein mögen. Wenn also ausgerechnet der Justiz- und Verfassungsminister Demonstrationen so scharf attackiert, dann lässt er eine eigenartige Auffassung von Demokratie erkennen – denn Demonstrationen, die nur die Staatsräson abbilden, wird es kaum geben.“
„Die Herausforderung des Islamismus ist keine Schimäre“
Und an anderer Stelle: „Es geht bei der Pegida-Debatte nicht um Rassismus, es geht um die Grenzen der politischen Korrektheit – also darum, was gesagt werden darf und was nicht. Wo die Sorge aufhört und die Schande beginnt. Darum spielt auch die unbeholfene Kritik der Demonstranten an vermeintlichen „Systemmedien“ eine so große Rolle. Es wächst offenbar eine Sehnsucht nach offenen Debatten jenseits des Gutmenschen-Politsprechs. Die Pegida-Demonstrationen wachsen daher nicht trotz der Berliner Moralkeulen und Verbalattacken von Woche zu Woche an, sondern gerade deshalb. Kurzum: Es ist ein Kulturkampf entbrannt. Der wird durch die Schande-und-Nazi-Nieten und Aufstand-der-Anständigen-Rhetorik eher verschärft als entspannt. Auch die wohlfeile Ökonomisierung der Problemlage, es drehe sich bei den Protesten wohl um soziale und wirtschaftliche Ängste, übersieht das Unübersehbare. Könnte es den Demonstranten – und mit ihnen einer wachsenden Bewegung in ganz Europa – nicht tatsächlich um Kultur gehen? Um die schleichende oder drohende oder auch nur gefühlt drohende Islamisierung? Medien wie Politik sollten das Thema nicht in falsche Hände fallen lassen – sondern es besser annehmen. …. Die Herausforderung des Islamismus ist keine Schimäre von politisch Verblendeten oder Extremisten. Sie ist ein massives Problem der Weltpolitik.“
Die Pegida-Demonstrationen sind keine „Spießbürger-Spaziergänge“
Leider aber ließ sich Weimer dazu hinreißen, auch zu schreiben: „Tatsächlich laufen in Dresden bislang bloß einige Kleinbürger schweigend durch ihre Stadt.“ Ob Kleinbürger oder nicht: Über zehntausend mit steigender Tendenz (siehe oben auch Hartungs Wahrnehmung) sind nicht „einige“. Und dieses Laufen als „Spießbürger-Spaziergang“ zu bezeichnen, wie an anderer Stelle geschehen, ist abfällig, arrogant und diffamierend. Hier ist in der journalistischen Lust an der farbig-zugespitzten Formulierung der Gaul mit ihm durchgegangen. Weimers ganzen Beitrag finden Sie hier.
Die AfD und Pegida
Ähnlich wie mit Pegida geschah und geschieht es der neuen Partei Alternative für Deutschland (AfD). „Muttis“ Liebling ist auch sie nicht. Für die Mainstream-Medien ebenfalls nicht. Manche gehen mit ihr inzwischen zwar sachlicher um, lassen aber spüren, dass sie in der Partei Ketzertum sehen, und daher immer wieder versucht sind, sie in die rechte Ecke zu schieben. Dabei sitzt die AfD, ordentlich gewählt, inzwischen in drei Länderparlamenten und im EU-Parlament. Und wenn sie die gegenwärtigen inneren, aber notwendigen Auseinandersetzungen übersteht, wird ihr das auch in anderen Parlamenten gelingen. Ihre abwägend zustimmende Haltung zur Pegida-Bewegung (inzwischen auch bei Bernd Lucke) wird ihr dabei helfen.
Ein Brief, den Frau Merkel ganz bestimmt nicht lesen wird
Zurück zu Merkels Neujahrsbotschaft. Die nötige Kritik daran hat Vera Lengsfeld geübt (hier). Bevor die Rede gehalten und verbreitet war, hat sich der „Unternehmer, Christ, Vater und Großvater“ Hans Schöpper aus Schrozberg noch einmal angehört, was Kanzlerin Merkel aus gleichem Anlass vor einem Jahr gesagt hat (ihre Rede von damals hier). Danach schrieb er an sie einen Offenen Brief und hat ihr alles das unter die Nase gerieben, was zu sagen wäre, in dieser Fülle allerdings in einer Fünf-Minuten-Neujahrsrede ohnehin nicht unterzubringen ist, selbst wenn der Wille dazu bestünde. Ich gebe den Brief wegen seiner Länge hier nicht wieder, er mag an einigen Stellen auch angreifbar sein, aber lesen können Sie ihn hier. Wer diesen Brief ganz bestimmt nicht lesen wird, ist die Adressatin. (Links zu Frau Merkels Neujahrsansprachen von 2008 bis 2012 finden Sie in der Fußnote.)
Eine alternative Neujahrsbotschaft
Wen interessiert, wie eine Botschaft von Frau Merkel zur Jahreswende weniger weichgespült aussehen könnte, der findet eine klargespülte Alternative im Informationsdienst MMnews und kann sich daran hier delektieren.
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*) Harsche Kritik kam u.a. von der AfD. Die FAZ berichtete: „Der AfD-Sprecher Bernd Lucke griff die Kanzlerin scharf an. Er sagte dieser Zeitung, eine Neujahrsansprache solle versöhnen und nicht spalten. „Frau Merkel stempelt die Menschen als fremdenfeindlich ab, ohne ihnen Gehör schenken zu wollen.“ Zuzuhören sei die Pflicht der Bundeskanzlerin. Für Fremdenfeindlichkeit sei kein Platz in Deutschland. „Aber damit diese nicht entsteht, müssen Integrationsprobleme sachlich und konstruktiv diskutiert werden können“, sagte der AfD-Vorsitzende. Lucke verteidigte Gauland. Er teile dessen Aussagen „vollkommen“. (FAZ vom 2. Januar, Seite 2). Auch Jürgen Elsässer vom Magazin Compact war sofort zur Stelle. Gegen ihn lässt sich etliches vorbringen und man muss ihn nicht mögen, aber Merkels heftige Äußerungen gegen die Pegida-Demonstrationen hat er treffend zugespitzt: „Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Bundeskanzler die Neujahrsansprache dazu genutzt hat, gegen friedliche Demonstrationen des eigenen Volkes zu hetzen.“
**) Die Reden von Bundeskanzlerin Angelas Merkel von 2008 bis 2013:
31.12.2013: http://www.welt.de/politik/deutschland/article123418903/Merkel-stimmt-Deutsche-auf-Veraenderungen-ein.html
31.12.2012: http://www.welt.de/politik/deutschland/article112314939/2013-wird-schwierig-Kanzlerin-fordert-Leistung.html
31.12.2011: http://www.welt.de/politik/deutschland/article13791929/2012-wird-ohne-Zweifel-schwieriger-als-2011.html
31.12.2009: http://www.welt.de/politik/deutschland/article5681109/Merkel-sieht-2010-als-Jahr-der-Krisenbewaeltigung.html
31.12.2008: http://www.welt.de/politik/article2952390/Angela-Merkels-Neujahrsansprache-im-Wortlaut.html
Eckart Lohse in der FAZ vom 31. Dezember 2014 (Seite 4) schrieb: „Neujahrsansprachen hintereinanderweg gelesen ergeben ein kleines Geschichtsbuch.“