Die MdB und ihre Bezüge – Künftig steigen sie index-gekoppelt automatisch – Ist das gut?
Lange diskutiert, jetzt ist es vollzogen. Gerade hat der Bundestag die Abgeordnetenbezüge erhöht, herkömmlich auch Diäten genannt, amtlich Abgeordneten-Entschädigung. Es ist ein Beschluss in eigener Sache. Das geht auch schwerlich anders, denn dieses Entgelt bedarf eines Gesetzes, und Gesetze zu beschließen, ist Aufgabe des Bundestages und damit die seiner Mitglieder, der Bundestagsabgeordneten (MdB). Doch weitere direkte Diäten-Erhöhungen wie bislang müssen sie künftig nicht mehr extra beschließen; die vollziehen sich von nun an jährlich automatisch, nämlich gekoppelt an den amtlich ermittelten Lohn-Index. Steigt dieser um 2 Prozent, steigen um 2 Prozent auch die Diäten. Ist das gut?
Aus gutem Grund gab es den Automatismus bisher nicht
An sich ist das nicht gut. Tatsächlich ist es vernünftig, dass der Bundestag, soll das Entgelt für die Tätigkeit als MdB steigen, dies jeweils ausdrücklich beschließen muss. Einen jährlichen Automatismus für eine Diätenerhöhung gab es bisher nicht. Und das aus gutem Grund: Mit dem nunmehr jährlichen Automatismus findet die Anhebung der Diäten im Stillen statt, ohne breite öffentliche Wahrnehmung und Diskussion. Gerade weil die Parlamentarier über die Höhe ihrer Bezüge selbst Beschluss zu fassen haben („Selbstbedienung“), sollte besondere Transparenz geboten sein. Hergestellt und gesichert wird sie durch Öffentlichkeit.
Den Nachteil der stets zeitlichen Ungunst sollten die MdB ertragen können
Wohl haben die Abgeordneten immer wieder erfahren, dass die jeweils aktuellen Zeitumstände für solche Beschlüsse in ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung zu oft nicht gelegen kommen, nicht opportun sind – sei es wegen schlechter Wirtschafts- und Finanzlage, sei es wegen gerade anderer unerfreulicher Ereignisse. Wohl sind sie daher bei den Bürgern dann besonders unbeliebt, und der Vorwurf der „Selbstbedienung“ ist ohnehin schnell erhoben. Aber diesen Nachteil sollten die Abgeordneten als besonders herausgehobene Bürger ertragen können. Doch gerade wegen dieses Nachteils der nahezu stets zeitlichen Ungunst haben sie die zeitlich fällige Erhöhung immer wieder hinausgeschoben.
Warum die Erhöhung jetzt als zeitlich fällig galt
Zeitlich fällig war sie in der Tat. Jedenfalls haben die beiden Fraktionen der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD die zeitliche Fälligkeit folgendermaßen begründet: Seit 1995 gelte die gesetzliche Maßgabe, dass sich die Diäten an der Besoldungsstufe für Beamten R 6 – das ist Besoldung für Richter an obersten Bundesgerichten – zu orientieren hätten. Dieser Maßgabe sei aber bisher nicht gefolgt worden, das sei jetzt nachzuholen. Nunmehr wird also das Abgeordneten-Salär, wie allseits berichtet, in zwei Schritten um je 415 Euro angehoben: am 1. Juli 2014 und am 1. Januar 2015. Vom kommenden Jahr an beläuft es sich dann auf 9082 Euro im Monat, und von 2016 an soll es der „Entwicklung der Bruttomonatsverdienste aller abhängig Beschäftigten im Bundesgebiet“ folgen, wie es das neue Gesetz formuliert. Das heißt zugleich: Sollten diese Verdienste auch einmal zurückgehen, statt immer nur zu steigen, müssten auch die Abgeordneten Einbußen erleiden.
Trotz Automatismus: Neu beschließen muss der Bundestag gleichwohl
Aber wie verträgt sich der Automatismus mit der alten verfassungsrechtlichen Vorgabe, das Parlament habe über die Erhöhung seiner Bezüge selbst zu entscheiden? Die Lösung lautet: Zu Beginn einer jeden Wahlperiode soll der Bundestag die automatische Anpassung an die Verdienste der abhängig Beschäftigten stets neu beschließen. Damit wäre die Vorgabe der rechtlichen Form nach erfüllt, aber ob dieser jeweils neue Beschluss ebenso im Licht der Öffentlichkeit stattfindet wie bisher, mag man bezweifeln. Immerhin beschlossen werden muss, stets neu, und es liegt dann an den Medien, den Vorgang breit genug ins öffentliche Licht zu rücken und eine Diskussion unter den Bürgern anzustoßen und berichtend wie kommentierend zu begleiten.
Müssen der Besoldungsmaßstab die obersten Bundesrichter sein?
Dann lässt sich auch wieder die Frage stellen, warum die Abgeordneten-Diäten an die Besoldung der obersten Bundesrichter gekoppelt sein müssen. Nichts gegen eine angemessene Bezahlung für Abgeordnete, aber ob als Maßstab die Besoldung oberster Bundesrichter angemessen ist, muss man nicht unbedingt gutfinden. Immerhin benötigen Abgeordnete für dieses Entgelt – anders als die Richter – keine formale Qualifikation, müssen nicht studiert und keinen üblichen Beruf gelernt haben, brauchen nur halb so viel Zeit wie die Richter, um dieselben Pensionsansprüche zu erreichen. Zusätzlich verwöhnen sie sich mit einer steuerfreien Kostenpauschale von monatlich 4204 Euro, die jährlich zum 1. Januar an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst wird, und mit einer Altersversorgung von jetzt bis zu 65 (zuvor 67,5) Prozent ihrer Diäten, wovon andere Bürger allenfalls träumen können, und sind damit den Beamten gleichgestellt.
Was sonst noch so läuft – neben den Diäten
Ferner erhalten Bundestagsabgeordnete eine Pauschale von monatlich bis zu 15 053 Euro, um Mitarbeiter beschäftigen zu können. Sie dürfen unentgeltlich in der Bahn fahren (BahnCard 100 für die 1. Klasse, auch für rein private Reisen). Die Kosten für Business-Class-Flüge und Schlafwagen bei innerdeutschen Reisen in Mandatsausübung werden ihnen erstattet. Im Raum Berlin steht ihnen unentgeltlich der Fahrdienst mit Limousinen des Bundestages zur Verfügung. Aus Steuergeldern erstattet werden ihnen bis zu 10 000 Euro im Jahr die Kosten für Büromaterial, wozu auch Mobiltelefon, Notebook, Visitenkarten und Briefpapier gehören. Sie erhalten Zuschüsse zur Krankenversicherung, eine Hinterbliebenenversorgung, wenn sie während ihres Mandats sterben, und ein Übergangsgeld, wenn sie ihr Mandat verloren haben. Einmalig über 16 000 Euro haben sie für die Sicherheit ihres Privathauses zur Verfügung. Hinzukommen sogenannte Funktionszulagen zum Beispiel für Ämter im Parlamentspräsidium, Fraktionsvorsitz und Ausschussvorsitz. Auch dürfen sie ihr schmales Salär und trotz aller sonstigen Zuwendungen mit lukrativen Nebentätigkeiten*) aufbessern, was die Bundesrichter nicht dürfen.
Es sollte nur MdB werden dürfen, der ….
Alle diese Vergütungen stehen dann in keinem so guten Licht, wenn Abgeordnete ins Parlament geraten, die sachunkundig sind oder nur Politik gelernt haben, aber keinen ordentlichen Beruf und wenn doch, dann ihn nicht ausüben oder nicht lange genug ausgeübt haben.**) Ebenso wimmelt das Parlament bekanntlich von Beamten, Gewerkschaftlern und Lehrern, aber leider nicht von selbständigen Unternehmern und anderen freiberuflich Tätigen. Es wäre schon viel geholfen, wenn Neulinge nur dann zur Wahl antreten dürfen, wenn sie einen erlernten Beruf nachweisen, in dem sie einige Jahre lang erfolgreich tätig gewesen sind und sich damit bewährt haben.
Längst fällig: die Umstellung der MdB-Altersversorgung
Eine Baustelle sind noch immer die Altersbezüge der Abgeordneten. Die kleinen jetzt vorgenommenen Änderungen berühren noch nicht einmal das, was notwendig wäre. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte 2006 (zusammen mit dem Diäten-Automatismus) die Ruhestandsregelung der Abgeordneten ebenfalls umstellen wollen. Der Kern seines Vorhabens: die Altersgelder streichen und die Diäten so erhöhen, dass die Abgeordneten angemessen selbst vorsorgen können. Die SPD unterstützte das damals und wollte nur mit jener Systemänderung der Diätenerhöhung zustimmen. Aber Lammerts eigene Partei, die CDU, lehnte die Umstellung ab. Doch fällig ist sie längst. Abgeordnete sollen gewiss anständig bezahlt werden, aber sie müssen mit ihren Bezügen den gleichen Regeln unterliegen wie die übrigen Bürger – steuerlich wie auch in der Vorsorge für das Alter. So, wie sie in Bezug auf die Höhe ihrer Diäten keine obersten Bundesrichter sind, sind sie in Bezug auf die Altersversorgung auch keine Beamte. Die Regelung derzeit, für ihre Altersversorgung keinen eigenen Beitrag leisten zu müssen, ist nicht begründet.
Es gibt auch MdB, die gegen höhere Diäten sind: Grüne und Linke
Ach ja, Redner der Grünen und der Linksfraktion haben diese Erhöhung der Diäten kritisiert, , wohl wissend, dass auch sie trotzdem an der Erhöhung teilnehmen. Petra Sitte von der Linksfraktion sagte: „Es ist kein Opfer, im Bundestag zu sein.“ Nein, in der Tat nicht, auch Linke haben lichte Momente. Ihr Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi setzte noch eins drauf und kündigte an, die Abgeordneten seiner Fraktion würden die zusätzlichen Einkünfte an die SOS-Kinderdörfer in Deutschland und andere Projekte spenden. Brav, sehr edel. Mal sehen, wie lange sie das durchhalten. Und ob wir davon dann ebenfalls etwas erfahren. Von den Grünen wurde Ähnliches noch nicht vernommen. Aber vielleicht wollten sie damit nur nicht herumprahlen.
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*) Siehe hierzu frühere Beiträge von mir: https://kpkrause.de/2009/08/21/geheimniskramerei-mit-den-nebeneinkunften/ und https://kpkrause.de/2013/11/01/uberbezahlt-sind-sie-nicht/
**) Siehe hierzu ergänzend den FAZ-Beitrag von Reinhard Müller vom 9. November 2012 „Freiberufler des Volkes – Deutschland braucht beruflich erfahrene Abgeordnete. Diäten allein machen nicht frei.“