Blitzer-Marathon-Tag

Achtung, Autofahrer am 10. Oktober: Bundesweit 24 Stunden am Stück nimmt die Polizei „die Raser“ auf den Straßen ins Visier. Hat sie denn nichts Besseres zu tun?

Jüngst in meiner Lokalzeitung las ich unter der Überschrift Am 10. Oktober – Blitzmarathon im ganzen Land: „Ganz Deutschland nimmt heute in einer Woche den Fuß vom Gas: Die Polizei startet am Donnerstag, 10. Oktober, den ersten bundesweiten ‚Blitzmarathon’. An 121 Kontrollstellen nimmt die Polizei auch in Schleswig-Holstein 24 Stunden am Stück „die Raser“ ins Visier. Anders als normalerweise üblich werden die Kontrollpunkte allerdings vorher bekannt gegeben.“ Immerhin das.

Haben die nichts Besseres zu tun?

Aber, meine Güte, haben die nichts Besseres zu tun? Zum Beispiel die wirklich Kriminellen aufzuspüren? Den ganz schweren Jungs nachzusetzen? Die wirklich schlimmen Straftaten aufzuklären? Den immer häufigeren Einbruchdiebstahl zu verfolgen? Die Bürger vor gewalttätigen Jugendlichen aus der einschlägig bekannten Einwandererszene und vor anderen Schlägertypen zu schützen? In den Städten durch Patrouille mehr öffentliche Präsenz zu zeigen, damit sich die Bürger dort mehr beschützt fühlen und weniger fürchten?

352 800 Dienststunden für 1 Tag rund um die Uhr

Stattdessen schwärmen bundesweit 14 700 Beamte für Geschwindigkeitskontrollen an 8600 Kontrollstellen im Straßenverkehr aus, 24 Stunden am Stück, also rund um die Uhr. Das sind zusammen 352 800 Dienststunden, die hier verbraten werden. Verplemperte Zeit, denn was könnte unsere Polizei in diesen vielen Stunden zum Schutz der Bürger an viel Wichtigerem leisten. Denn was die Polizeibehörden durch anderweitige Verwendung dieser Zeit an mehr Bürgerschutz erzielen könnten, aber nicht erzielen, und was ihnen damit entgeht, sind Kosten. Nationalökonomen nennen so etwas Opportunitätskosten.

Es ist ja so viel einfacher

Aber mit ihrem Auto zu schnelle, sonst jedoch brave, harmlose Bürger verfolgen ist natürlich viel einfacher, außerdem für die Verfolger ganz und gar ungefährlich, so, wie auch das „Knöllchen“-Verteilen an Autofahrer, die ihr Auto dort abstellen, wo sie das nicht sollen, und bei dem die Ordnungskräfte meist bei nur sonnig-schönem Wetter herumlaufen, aber kaum an nassen, kalten, ungemütlichen Regentagen. Die Polizei wird das bestreiten, aber es ist im Straßenverkehrs-Alltag die allgemeine Wahrnehmen und lange Erfahrung.

Was vermag der Aktionstag schon auszurichten

Klar, ich muss mich mit dieser destruktiven Haltung zum „Blitzer-Marathon-Tag“ darauf einstellen, der rüden Verharmlosung zu schnellen Autofahrens bezichtigt zu werden, weil Kinder, Alte und andere Menschen verletzt werden oder sogar zu Tode kommen, wenn zu schnell gefahren wird. Das geschieht bei weitem zwar nicht immer, aber eben doch auch, und natürlich weiß ich: jede Verletzung ist eine zuviel, jeder Tod ebenfalls. Aber was mag ein solcher Demo- und Aktionstag schon auszurichten. Abzuhelfen ist mit ihm solchen Unfällen nicht. Das ginge noch nicht einmal dann, wenn die Obrigkeit Blitzgerätschaften gleichsam flächendeckend an sämtlichen Straßen postieren würde.

Je verschuldeter eine Stadt umso zahlreicher ihre Blitzer?

Allerdings kommen immer mehr Blitzer hinzu, weniger werden es nie. Daher ist der Verdacht so schwer auszurotten, die Geschwindigkeitskontrolle sei – wie die vorbeugende Bekämpfung von Terroristen bei der zunehmenden staatliche Überwachung aller Bürger durch die Geheimdienste – nur der Vorwand, in Wirklichkeit diene sie, wenn auch verkappt, als wichtige Einnahmequelle. Daher mögen wir es nicht so recht glauben, wenn uns ein Landespolizei-Beamtenmund versichert: „Es geht uns nicht ums Geldverdienen.“ Wohl mag das für die Polizei zutreffen, nicht aber für ihre Kommune. Ich habe sogar den Eindruck, je verschuldeter eine Stadt, um so zahlreicher ihre Blitzer.

Fast „Blitzer-Hauptstadt“ geworden

Beinahe hätte das Vorhaben des Lübecker Innensenators vor zwei Jahren, zusätzliche 28 Blitzer-Säulen aufzustellen, der Hansestadt den schönen werbewirksamen Ruf eingetragen, die „Blitzer-Hauptstadt“ der Republik zu sein. Das Vorhaben verschwand (vorerst) nur deswegen von der Bildfläche, weil Lübeck kein Geld hatte, diese neuen High-Tech-Anlagen namens „PoliScan speed F1 stationär“ zu bezahlen (rund 20 000 je Säule und rund 55 000 je inwendiger Messanlage). Doch hat die Lübecker Bürgerschaft zwei „Testanlagen“ genehmigt, die „Forschungszwecken“ dienen sollen. Freilich verdient Lübeck mit seinen Blitzanlagen nicht schlecht. „2012 erwirtschaftete der zuständige städtische Bereich einen Überschuss von 859 900 Euro, in diesem Jahr werden es über 1,4 Millionen Euro sein.“ (http://www.shz.de/schleswig-holstein/region-stormarn/neue-blitzer-zahlen-sich-aus-id3496951.html)

Die Unfallursache Nummer eins

Entgegengehalten wird den Autofahrern, die Unfallursache Nummer eins sei überhöhte Geschwindigkeit, daher seien die Blitzer unbedingt notwendig. Aber ist nicht jeder Autounfall auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen? Autounfälle passieren doch eigentlich nur mit Autos, die fahren, nicht mit Autos, die stehen. Und wenn sie fahren und einen Unfall verursachen, dann doch nur, weil sie gefahren sind und dabei eine Geschwindigkeit übertreten haben, die zu einem Unfall geführt hat. Ohne Fahren und ohne diese Geschwindigkeitsübertretung hätte es den Unfall gar nicht gegeben. Also sind die Autos doch bei jedem Unfall zu schnell gefahren. Folglich lässt sich jeder Autounfall mit überhöhter Geschwindigkeit erklären. Dann auch wird überhöhte Geschwindigkeit die Unfallursache Nummer eins immer und ewig bleiben, selbst wenn immer noch mehr Blitzanlagen aufgestellt werden. Dem entgegen steht eine Äußerung von Lübecks Leitenden Polizeidirektor Heiko Hüttmann aus dem Jahr 2012, zu hohe Geschwindigkeit stehe schon seit Jahren nicht mehr auf Platz 1 der Unfallursachen. (http://www.shz.de/schleswig-holstein/region-stormarn/luebeck-muss-weniger-blitzen-id112423.html) Ohnehin werden Geschwindigkeitsbegrenzungen vielfach auch nur mit „Lärmschutz“ begründet statt mit Sicherheit vor Unfällen. Für die geplanten 28 neuen Blitzersäulen für Lübeck hatte der Innensenator ebenfalls Lärmschutzgründe angegeben.

Sie sollen es doch auch einmal guthaben

Bei alldem aber sollten wir eine Tatsache nicht unterschlagen: Alles in allem fahren die Autofahrer sehr vernünftig, gehen durchweg höflich mit den Fußgängern und den Radfahrern und mit sich selbst um; die Verkehrserziehung samt Fahrschule und Führerscheinprüfung haben ihre gewollte Wirkung nicht verfehlt. Im Übrigen wünsche ich den Polizisten bei ihrem Großeinsatz am 10. Oktober kein übles Schmuddelwetter, sondern einen wunderschönen herbstlichen Sonnentag. Sie sollen es doch auch einmal guthaben. Zu häufig sind sie für Journaille und feige Politiker die Prügelknaben.

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2 Kommentare zu „Blitzer-Marathon-Tag“

  1. Ich erinnere mich gern an unseren „Ortsgendarmen der später auch „Sheriff“ in der Kreisstadt wurde. Seine Personenbeschreibung:“ ich bin kein Polizist, sondern Schutzmann. Bravo „Sch…bach

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