Eine Korrektur-Regelung für „Alteigentümer“

Sie bringt verwässertes Recht wieder auf den alten Stand / Es geht um den verbilligten Kauf von 1945-49 enteignetem Agrarland

Es ist mehr als nichts, aber für die sogenannten Alteigentümer doch nur ein winziger Erfolg, was der Bundestag ihnen jetzt einräumt. An diesem Freitag (17. Dezember) hat er gegen SPD und Die Linke ein Gesetz verabschiedet, das denen von ihnen, die in Ostdeutschland nicht wieder einen Agrarbetrieb haben einrichten können, das Recht zurückgibt, ostdeutsche Agrarflächen im ursprünglich zugestandenen Umfang verbilligt zu kaufen. Dieses Recht war als Folge von Preissteigerungen am Markt für Agrarland in den neuen Bundesländern stark verwässert worden und der an sich zugebilligte Flächenhöchstumfang immer mehr zusammengeschmolzen. Daher erfüllt das Gesetz lediglich die staatliche Verpflichtung aus dem geschlossenen Kompromiss von 1994.

Eine Teil-Wiedergutmachung an den Verfolgungsopfern

Sein Gegenstand ist eine Teil-Wiedergutmachung, weil diese „Alteigentümer“ Opfer der politischen Verfolgung von 1945 bis 1949 in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone sind. Nunmehr können auch die Alteigentümer ohne ostdeutschen Agrarbetrieb wenigstens jene Flächen erwerben, die ihnen die alte CDU/FDP-Regierung 1994 versprochen hatte. Die dafür nötigen Bescheide sollten bis 2004 ergangen sein, sind aber durch Versäumnisse der zuständigen Länderbehörden zu Tausenden noch immer nicht ausgestellt. Alteigentümer, die in ihrer Heimat einen Hof wieder bewirtschaften, haben die ihnen zugestandenen verbilligten Flächen (4000 Bodenpunkte, also rund 200 Hektar) dem Staat schon früher wieder abkaufen können.

Der politische Hintergrund: 1945/49 und 1989/90

Bei dem zum Verkauf stehenden Agrarland handelt es sich um Flächen, die sich der deutsche Staat bei der Wiedervereinigung 1989/90 widerrechtlich angeeignet hat. Die früheren Eigentümer und ihre Familien waren in der sowjetischen Besatzungszeit (1945 bis 1949) von den damals dort herrschenden Kommunisten politisch verfolgt und Opfer schwerer Menschrechtsverbrechen geworden. Sie wurden völkerrechtswidrig vertrieben, verhaftet, verschleppt, misshandelt, teilweise umgebracht und entschädigungslos enteignet, ihre Äcker, Wiesen, Waldstücke und Forsten zum staatlichen Eigentum („Volkseigentum“) erklärt. Im Agrarbereicht tarnten die Kommunisten diese Verfolgung als „Bodenreform“, in Gewerbe und Industrie als „Wirtschaftsreform“. Dann bei der deutschen Wiedervereinigung hat die Bundesrepublik Deutschland den Verfolgungsopfern oder ihren Erben dieses Land nicht, wie einst versprochen, zurückgegeben, sondern sich selbst einverleibt, um es meistbietend zu veräußern – ebenfalls entschädigungslos und obendrein mittels einer nachgewiesenen Lüge.

Keine Rückgabe des Eigentums, allenfalls Rückkauf

Die Opfer der damaligen politischen Verbrechen durften und dürfen ihr Land allenfalls zurückkaufen, aber nur sehr begrenzte Teile davon – in den Fällen dieser Gesetzesänderung nicht mehr als 30 bis 35 Hektar. Die aber müssen mit dem früheren Eigentum noch nicht einmal immer identisch sein. Für diesen Rückkauf von Land, das an sich den Opfern gehört und nicht dem Staat zusteht, hat ihnen der gesamtdeutsche Staat als ein kleines Stück Wiedergutmachung (Teilkompensation) wenigstens einen Vorzugspreis eingeräumt. Dieser lag seinerzeit unter der Hälfte des Marktpreises. Die Grundlage dafür ist das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) von 1994 und ursprünglich die Flächenerwerbsverordnung von 1995 sowie jetzt für die Neuregelung das nunmehr nach langem Tauziehen verabschiedete Zweite Flächenerwerbsänderungsgesetz.

Die Ämter haben die nötigen Bescheide verschleppt

Aber für den verbilligten Flächenkauf brauchen die Opfer einen bestandskräftigen Bescheid des jeweils zuständigen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen. Mit ihm wird ihnen ein Anspruch auf eine „Ausgleichsleistung“ in individuell unterschiedlicher Höhe zugebilligt und bescheinigt. Der verbilligte Erwerb ist nur in Höhe der jeweiligen Ausgleichsleistung möglich. Diese Leistung in Form eines Geldbetrages soll das widerfahrene Unrecht wenigstens zu einem kleinen Teil wiedergutmachen und zumindest den (allerdings minimalen) Rückkauf der Flächen ermöglichen. Erst mit solchem Bescheid können sie den verbilligten Kauf beantragen. Doch sind viele tausend Bescheide über Jahre hin in den Ämtern verschleppt worden, so dass die Alteigentümer-Familien mit ihren Käufen nicht zum Zuge kamen. Bis Ende 2009 sind erst 21 Prozent der Anträge beschieden worden. Darauf hingewiesen hatte der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, Manfred Graf Schwerin, bei der öffentlichen Anhörung zu der Neuregelung vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages am 7. Dezember.

Jetzt ist der Verkehrswert von 2004 die Kaufpreisgrundlage

Aber in dieser langen Zeit sind die Verkehrswerte für Agrarland exorbitant gestiegen; seit 2004 haben sie sich nahezu verdoppelt. Deshalb konnten die Alteigentümer mit der vorgesehenen und begrenzten Verbilligung die ihnen ursprünglich (1994) zugestandene Fläche nicht mehr erstehen, sondern im Durchschnitt nur noch ein Drittel davon, also noch viel weniger als schon ohnehin. Daher ermöglicht ihnen die neue Regelung nun, für die Kaufpreisberechnung den maßgeblichen Verkehrswert vom 1. Januar 2004 zugrundezulegen. Das stellt sie so, als hätten sie den Bescheid schon zu diesem Zeitpunkt in Händen gehabt und von ihrem Kaufrecht schon damals Gebrauch gemacht. Alteigentümer, die seit dem 1. Januar 2004 Flächen bereits gekauft haben, haben die Möglichkeit, die verbesserten Konditionen rückwirkend zu nutzen. Außerdem sollen jetzt auch Verwandte dritten und vierten Grades der ausgleichsberechtigten Alteigentümer verbilligt kaufen können. Das ist sinnvoll, weil die alte und ältere Generation zu solchen Käufen nicht mehr in der Lage oder willens ist.

Doch will sich der Staat zugleich vor seinen Verzugszinsen drücken

Allerdings setzt der Gesetzgeber den (nach den Verkehrswerten von 2004) nach unten berechneten Vorzugskaufpreis auch gleich wieder herauf, nämlich um die Zinsen, die der Staat den Alteigentümern für die jeweils ausstehende Ausgleichsleistung zahlen muss, solange er deren Berechnung verzögert und den betreffenden Geldbetrag daher noch nicht ausbezahlen kann. Liegt dann der Bescheid über die konkrete Ausgleichsleistung endlich vor, bekommt der Alteigentümer mit dem Leistungsbetrag auch die aufgelaufenen Verzugszinsen. Aufgeschlagen werden 75 Prozent dieser Verzugszinsen, weil sie der Abgeltungssteuer von 25 Prozent unterliegen, wie der Staat diese Steuer pauschal auf alle Zinseinkünfte erhebt. Für gerechtfertigt hält der Gesetzgeber diesen Zinsaufschlag auf den Vorzugskaufpreis deswegen, um – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – „eine Überkompensation zu vermeiden, da dem Erwerber im Gegenzug die Wertsteigerungen der erworbenen Flächen seit 1. Januar 2004 zugute kommen“. Tatsächlich jedoch will sich der Staat davor drücken, den Alteigentümern die mit dem verschleppten Bescheid fälligen Verzugszinsen zahlen zu müssen.

Der Zinsaufschlag ist unverfroren, schäbig und herzlos

Der Zinsaufschlag ist durch nichts gerechtfertigt und willkürlich, wie der Rechtsanwalt Albrecht Wendenburg als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen bei der Anhörung zum Gesetzentwurf am 7. Dezember 2010 ausführlich begründet hat. Die Wertsteigerungen seit 2004 haben nämlich die gleiche Ursache wie die Bodenpreissteigerungen, die das Gesetz jetzt ausgleichen will: Die Ursache ist die überlange Verfahrensdauer bei den Vermögensämtern. Diesen Zeitverzug haben nicht die Opfer, sondern hat der Staat zu vertreten. Daher stehen die Wertsteigerungen den Opfern zu, nicht dem Fiskus. Denn ohne diesen Zeitverzug hätten die Opfer die Flächen bereits seit Jahresbeginn 2004 begünstigt erwerben und die eingetretenen Wertsteigerungen ebenfalls für sich verbuchen können. Daher ist der Aufschlag ungerechtfertigt und unverfroren. Außerdem ist er geradezu schäbig und herzlos, wenn man bedenkt, was erst die Kommunisten und dann der gesamtdeutsche Staat diesen Menschen an Rechtsverstößen angetan haben.

Auch die BündnisGrünen halten den Aufschlag für ungerechtfertigt

Auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hält den Zinsaufschlag für ungerechtfertigt, ist aber mit ihrem Änderungsantrag nicht durchgedrungen. Ihre Abgeordnete und Sprecherin für Ländliche Entwicklung und für Waldpolitik, Cornelia Behm, hat dazu am 8. Dezember noch gesagt: „Das Agieren von SPD und Linken bei der Anhörung hat gezeigt, dass diese Parteien nach wie vor eine kritische Distanz zu den massiven Menschenrechtsverletzungen der Bodenreform fehlt und dass sie den damals vollständig enteigneten und vertriebenen Alteigentümern bis heute feindselig gegenüber stehen. Das ist für Bündnis 90/Die Grünen als Bürger- und Menschrechtspartei eine inakzeptable Haltung. Denn den Bodenreformopfern wurde nicht nur alles Eigentum genommen, sondern sie wurden innerhalb von Stunden mit nur einem Koffer in der Hand aus ihrer Heimat vertrieben. Viele von ihnen haben Vertreibung und Internierung nicht überlebt. Der Vorwand, es habe sich allesamt um Nazis und Kriegsverbrecher gehandelt, war vorgeschoben und traf nur für einen Teil der Enteigneten zu. Ein Prozess, der diese Schuld festgestellt hätte, fand nicht statt. Die gesellschaftliche Aufarbeitung dieses Kapitels des Stalinismus steht noch aus.“

Die absurde Kritik der Linken an dem Gesetz

Die schwarz-gelbe Koalition rühmt sich mit dem Gesetz einer hochherzigen Tat, während ihr die frühere SED/PDS als nun verkappte Linkspartei vorwirft, damit in der ostdeutschen Landwirtschaft die Bodenspekulation anzutreiben statt diese zu bremsen und die Alteigentümer einseitig zu begünstigen, was absurd ist. Unrecht haben beide. Die Linke geifert, weil das Gesetz den Opfern der damaligen politischen Verfolgung ein (ohnehin dürftiges) Recht zurückgibt, das diesen bereits eingeräumt war, aber mehr und mehr zerbröselte. Es gesteht ihnen zu, wenigstens sehr geringe Teile ihres damals von den Kommunisten enteigneten Agrarlandes vom heutigen deutschen Staat verbilligt zurückkaufen zu dürfen, als sei das ein Gnadenakt.

Rühmliches Verhalten auch bei der Koalition nicht

Aber für die Linke wirken selbst kleine Wiedergutmachungsversuche zugunsten dieser Opfer kommunistischer Verbrechen wie ein unerträglicher Verrat an der Bodenreform. Die aber war erwiesenermaßen schwerste politische Verfolgung. Wenn die Linke also an der Bodenrefom nicht gerüttelt sehen will, dann bedeutet dies, dass diese politische Verfolgung Bestand haben soll. Rechtsstaatliche Gesinnung ist das nicht. Aber rühmlich Verhalten zeichnet auch die Koalition nicht aus. Aufreizend träge wurden die Anträge der Opfer bearbeitet. Aufreizend lange mussten die Opfer um die Neuregelung kämpfen. Die steigenden Bodenpreise höhlten ihr Kaufrecht mehr und mehr aus. Der Verdacht, dies sei beabsichtigt gewesen, ist begründet.

Der Anstoß für das Gesetz kam aus Niedersachsen

Der Anstoß für das Gesetz ist – auf Betreiben der Bürger-Initiative „Allianz für den Rechtsstaat“ – aus der niedersächsischen FDP gekommen und musste der Bundes-FDP in Berlin gleichsam aufgenötigt werden. Und diese setzte im Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 mit der CDU/CSU die Vereinbarung durch, für Alteigentümer beim Flächenerwerb Verbesserungen zu schaffen (siehe hierzu https://kpkrause.de/?p=700). In den politischen Kulissen daran mitgewirkt hat besonders beharrlich die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) mit Manfred Graf von  Schwerin. Aber auch Christian Wulff (CDU) hat sich in diesem Sinn für die Alteigentümer eingesetzt, als er noch Ministerpräsident in Niedersachsen war. In einem Brief an Bundesfinanzminister Schäuble vom 16. Dezember 2009 forderte er diesen dazu auf, für die Opfer der Bodenreform „ein kleines Stück Rechtsfrieden zu erreichen“, und weist darauf hin, dass „ich bei den Betroffenen ganz persönlich im Wort stehe und mir dieses Thema außerordentlich wichtig ist“.

Es stehen noch über zehntausend Bescheide aus

Der Koalitionsvertrag sah dann vor, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die prüfen solle, ob Grundstücke im Besitz der öffentlichen Hand den Betroffenen bevorzugt zum Erwerb angeboten werden könnten. In einem weiteren Gesetz, das Anfang 2011 zu verabschieden vorgesehen ist, sollen die Verfahren der noch über zehntausend unbeschiedenen Anträge auf Ausgleichsleistung bei den Landesvermögensämtern erheblich beschleunigt werden. Derzeit stehen noch rund 350 000 Hektar Agrarland zum Verkauf. Anfang 2010 sind es noch rund 400 000 Hektar gewesen. Veräußert werden diese einst enteigneten Agrar- und Forstflächen durch die bundeseigene BVVG im Auftrag des Bundes. Ein Teil davon ist für den verbilligten Verkauf an berechtigte Alteigentümer vorgesehen.

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