Kernkraft ahoi!

Sie bekommt neuen Schwung – Auch in Deutschland mit seiner töricht- amüsanten Atom-Phobie – Vor friedlicher Nutzung hat es German-Angst, vor Ami-Atomraketen auf deutschem Boden nicht – Mit Kernkraft gegen den Klimawandel – Aber mehr Kernkraft hilft, die Klimaschutzpolitik zu verewigen – Aktuell hilft sie für die Energieversorgung ohnehin nicht, nur auf lange Sicht – Derzeit vernünftiger ist Strom aus fossiler Energie

Totgesagte leben länger. Totgesagt ist bekanntlich in Deutschland die Kernkraft.  Nicht dagegen in anderen Ländern. Die kümmern sich nicht um die merkwürdigen Deutschen. Italien plant eine Renaissance der Kernkraft (hier). Schweden setzt auf sie (hier). Japan fährt einen 48 Jahre alten Reaktor wieder hoch (hier). Jüngst auf der Weltklimakonferenz in Dubai (COP28) haben 22 Staaten eine Allianz gebildet und vereinbart, die installierte Leistung der Kernkraftwerke bis 2050 zu verdreifachen, bezogen auf den Stand von 2020. Formuliert ist das Vorhaben in einer Absichtserklärung vom 2. Dezember. Das Ziel trägt sie plakativ im Titel: Declaration to triple Nuclear Energy (der Wortlaut hier, ein Foto aus Dubai von der Allianz hier).

Mit treibhausgas-freier Kernspaltung für die Klimaziele

Irre, aber politische Wirklichkeit: Die Unterzeichner argumentieren, die Klimaziele seien nur mit Hilfe der treibhausgasfreien Kernspaltung zu erreichen, und Kernkraft sei anders als Wind- und Solarkraft zuverlässiger und wetterunabhängig. Die Kernkraft sei jetzt schon „die zweitgrößte Quelle für saubere, verfügbare Grundlaststromerzeugung“. Zuverlässiger ja, wetterunabhängig ja, Klimaziele erreichbar nein. Nach Zahlen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA trug die Nukleartechnik 2022 in Frankreich fast 63 Prozent zur Stromerzeugung bei, in den USA mehr als 18 Prozent, im Vereinigten Königreich 14 Prozent und in Japan 6 Prozent. In der ganzen Welt waren es rund 10 Prozent.*) Die wirtschaftlich wichtigsten Unterzeichner sind Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada, Südkorea und die USA.**)

Deutschland mit seiner töricht-amüsanten Kernkraft-Phobie ist nicht dabei. Vor friedlicher Nutzung hat es Angst und schafft sie ab, tödliche Nutzung in Raketen nimmt es klaglos hin und lässt die Nuklearwaffen der Amis haufenweise auf seinem Boden lagern. Ziemlich merkwürdig.

Deutsche Politiker wollen in die Kernkraft jetzt wieder einsteigen

Aber zur gleichen Zeit hat in Deutschland ein Aufwachen immerhin begonnen. Führende Politiker von CDU und CSU sprechen sich jetzt für einen Wiedereinstieg in die Kernkraft aus. Sie wollen die zuletzt stillgelegten Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen und den Neubau von Kernkraftwerken vorbereiten.***)   Auch aus der FDP ist zu hören, Deutschland „sollte die Kernenergie nicht abschreiben“ (Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag). „Einen generellen Wiedereinstieg in die Kernkraft“ verlangt Torsten Herbst, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will die verbliebenen Reaktoren in Deutschland umgehend reaktiviert sehen.  Aber das reiche nicht. Deutschland müsse wettbewerbsfähig bleiben und seine Klimaziele erreichen. Von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer war zu vernehmen: „Dringend, ganz dringend ist es, die Atomkraftwerke wieder anzufahren. Die Energiewende ist gescheitert und muss neu aufgesetzt werden.“ (Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 3. Dezember, Seite 1). Ja, die Energiewende scheitert so vor sich hin.

Kernkraft ahoi!

Regelrecht Werbung für die Kernkraft gemacht hat in Dubai mit einer Erklärung die Internationale Atom-Energie-Behörde (IAEA): „Die Welt braucht Atomkraft, um den Klimawandel zu bekämpfen, und es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Nutzung dieser sauberen Energiequelle auszuweiten und dabei zu helfen, eine ‚kohlenstoffarme Brücke‘ in die Zukunft zu bauen.“  Heute seien 412 Kernkraftwerke in 31 Ländern mit einer installierten Leistung von mehr als 370 Gigawatt in Betrieb. Sie lieferten fast 10 Prozent der gesamten weltweiten Elektrizität und ein Viertel der kohlenstoffarmen Versorgung. Mehrere Länder – darunter Bangladesch, Ägypten und die Türkei – bauten ihre ersten Kernkraftwerke, viele andere hätten sich ebenfalls für die Einführung der Kernenergie entschieden. Länder wie China, Frankreich, Indien und Schweden planten ihre Nuklearprogramme auszubauen. Im März 2024 würden Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt zum ersten Kernenergiegipfel (hier) zusammenkommen, gemeinsam ausgerichtet von der IAEA und Belgien. (Quelle hier). Kernkraft ahoi!

Mit Kernkraft gegen den Klimawandel

Aber was Andersdenkende hoffen mögen: Mit dem Bau von mehr Kernkraftwerken verschwinden nicht der CO2-Wahn und die Klimaschutzpolitik. Auch die Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen verschwinden nicht. Die 22 Allianz-Länder, die Atom-Energie-Behörde und die genannten Politiker aus CDU/CSU/FDP sind nicht deren Gegner, sondern hängen allen diesen Verirrungen an. Die IAEA will den Klimawandel, den sie wie alle nur als Erwärmung versteht, mit Kernkraft ausdrücklich bekämpfen, weil auch sie „Treibhausgase“ wie CO2 als Verursacher sieht. Nicht anders die 22-Länder-Allianz. Sie schreibt in ihrer Erklärung: „Kernenergie stößt bei ihrer Produktion keine Treibhausgase aus und trägt zur Energiesicherheit und Stabilität des Stromnetzes bei, während sie gleichzeitig die breitere Nutzung von Solar- und Windenergie erleichtert.“ Mehr Kernkraftwerke sichern mit ihrem Grundlast-Strom die Folgen unzuverlässigen Wind- und Solarstroms ab und ermöglichen damit noch mehr dieser Anlagen, ohne die Stromnetz-Stabilität zusätzlich zu gefährden.

Mehr Kernkraft hilft, die Klimaschutzpolitik zu verewigen

Etliche Mitgliedstaaten der 22-Länder-Allianz haben am selben Tag noch eine andere Verpflichtung unterzeichnet. Diese sieht vor, die Stromerzeugung aus „erneuerbaren“ Energien bis 2030 zu verdreifachen –  darunter die USA und alle EU-Staaten. Zu dieser Gruppe gehören bislang 122 Staaten. Ebenso geht es der 22-Länder-Allianz nicht darum, den Energiebedarf möglichst nur noch mittels Kernkraft zu decken. John Kerry als US-Sondergesandte sagte für die Allianz in Dubai: „Wir argumentieren nicht, dass das hier die umfassende Alternative zu jeder anderen Energiequelle wird, nein, deshalb sind wir nicht hier.“ Aber ohne etwas Kernkraft („without some nuclear“) werde es nicht gehen. (Quelle hier). Doch zugleich verwies er auf Aussagen aus der Wissenschaft, wonach Klimaneutralität bis 2050 ohne Atomkraft „nicht erreichbar ist“. Mehr Kernkraft hilft also die Klimaschutzpolitik zu verewigen.

Das Hauptmotiv der 22-Länder-Kernkraft-Allianz

Allerdings geht es den 22 Ländern mit ihrer Allianz vor allem darum, den teuren Kernkraftausbau finanziert zu bekommen. Nach Angaben von Kerry sollen dem Ausbau der Atomkraft internationale Finanzinstitutionen finanziell unter die Arme greifen. Zurzeit sei dies teilweise in deren Statuten ausgeschlossen. Näheres dazu findet sich in einem Focus-Online-Beitrag. Danach will die Allianz Akteure der Weltbank, internationaler Finanzinstitutionen und regionaler Entwicklungsbanken dazu bewegen, die nukleare Energie in die Kreditregelungen ihrer Organisationen aufzunehmen und sie aktiv finanziell zu unterstützen. Die Kernkraftindustrie, so Focus Online, habe nämlich ein Finanzierungsproblem. Für Risiken müssten seit jeher die Staaten haften, weil sich kaum eine Versicherung finde, die gerne ein Atomkraftwerk versichere. Aber auch die Finanzierung neuer Projekte klappe in der Regel nur mit gewaltigen Staatshilfen. Das liege an der Komplexität der nuklearen Technik: Ein Atomkraftwerk zu bauen, sei langwierig, teuer und aufwändig. Und selbst die Wartung bestehender Kernkraftwerke sei teuer, wie Frankreich 2022 habe erfahren müssen.

Im Visier als Finanzier: die Weltbank

Wenn aber der Markt bei der Finanzierung nicht so recht mitspielen wolle, und wenn die Staaten nicht jedes Mal in die Bresche springen wollten, dann bleibe nur noch eine Akteurin übrig: die halbstaatliche internationale Finanzwelt, bestehend aus Institutionen wie der Weltbank. Über diese Einrichtungen hätten die Staaten auch direkte Kontrolle. Und als geeinter Interessensblock, so die Hoffnung, könne sich hier die Allianz der 22 Länder das benötigte Geld verschaffen. Gerade von der Weltbank fühle sich die Nuklearbranche schon lange benachteiligt. Die Weltbank habe seit etwa 1959 kein Kernkraftwerk mehr finanziert. (Näheres dazu im Originalbeitrag hier).

Mehr Kernkraft hilft aktuell nicht, nur auf lange Sicht

Für die Versorgung mit Energie auf Kernkraft zu setzen, ist grundsätzlich geboten. Aber der Bau neuer Reaktoren dauert zu viele Jahre und damit zu lange, um die teils aktuellen, teils relativ kurz bevorstehenden Versorgungslücken zu füllen. Er kostet auch gewaltig viel Geld. Wie gesagt: „Ein Atomkraftwerk zu bauen, ist langwierig, teuer und aufwändig.“ Bis heute (2023) sind global nur vier Neubauten in Arbeit (drei in China, einer in Ägypten). Im Bau ist auch erst ein Mini-Reaktor (SMR = Small Modular Reactor). Und der amerikanische Energiekonzern NuScale Power hat sein SMR-Vorzeigeprojekt wegen eklatanter Preissteigerungen und damit Unwirtschaftlichkeit aufgegeben (hier). Neue Reaktoren sind auf jeden Fall nötig für die Versorgung auf lange Sicht. Bestehende Reaktoren sind unbedingt weiterhin zu nutzen, solange sie sich sicher betreiben lassen. Weil abgeschrieben, sind ihre Erzeugungskosten relativ niedrig. Das spricht zusätzlich für sie.

Derzeit vernünftiger ist Strom aus fossiler Energie

Vor allem aber: Kurzfristig vernünftiger als nur mehr neue Kernkraftwerke sind Kraftwerke mit fossiler Energie (Kohle, Erdgas, Erdöl), die bestehenden und neue. Sie wie Deutschland abzuschaffen, ist horrender Unfug, sie weiterzubetreiben, dagegen bitter nötig. Die Deutschen sollten nicht weiterhin wie Lemminge ihrem Schicksal an der Klippe zulaufen.

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*) FAZ vom 4. Dezember 2023, Seite 1

**) Ferner gehören dazu Bulgarien, Finnland, Ghana, Marokko, die Mongolei, Moldawien, die Niederlande, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Schweden, Tschechien, die Ukraine, Ungarn und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAR). Weitere Staaten sind zur Teilnahme aufgefordert.

***) Im gleichen Sinn äußerten sich auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, die Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, sowie die Chefin der Mittelstandsunion, Gitta Connemann. MdB Jens Spahn (CDU) nannte die Abschaltung der letzten deutschen Reaktoren „mitten in der Energiekrise“ einen schweren Fehler der Ampel. Diese Kraftwerke müssten so schnell wie möglich wieder ans Netz. Außerdem plädierte er dafür, Kernkraftwerke der neuesten Generation zu bauen, sobald sie entwickelt seien. (FAZ vom 4. Dezember, Seite 1).

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