Einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein gegen die Gemeinde Henstedt-Ulzburg – Sie muss der Partei ihr Bürgerhaus für den Landesparteitag am 16. September überlassen
Man mag daran zweifeln, dass es in Deutschland nicht mehr immer und überall rechtstaatlich zugeht, aber dann gibt es doch viele Belege dafür, dass sich Rechtsstaatlichkeit weiterhin auch durchsetzt. In einem Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein entschieden, dass die Gemeinde Henstedt-Ulzburg ihr Bürgerhaus der AfD für den vorgeschriebenen und angesetzten Landesparteitag weiterhin zur Verfügung stellen muss: In allen Jahren zuvor hatte die Gemeinde dem AfD-Landesverband Schleswig-Holstein das Bürgerhaus für dessen Veranstaltungen stets überlassen. Diesmal wollte sie den Parteitag dort nicht zulassen. Sie befürchte Störungen, lautete ihre Begründung. Die allerdings hatte es dort auch schon bei vorangegangenen Parteitagen gegeben.
Einstweilige Anordnung vom 11. August
Der Beschluss der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts ist in einem Eilverfahren als einstweilige Anordnung am 11. August ergangen (Aktenzeichen 6 B 12/23). Er verpflichtet die Gemeinde Henstedt-Ulzburg, dem AfD-Landesverband für seinen Parteitag am 16. September Zugang zum Bürgerhaus zu verschaffen. Wie aus der Mitteilung des Gerichts vom gleichen Tag hervorgeht, begründet die Kammer ihren Beschluss so:
Versagungsgründe nicht erkennbar
Zwar hätten politische Parteien keinen Anspruch darauf, dass Gemeinden Räumlichkeiten für Parteiveranstaltungen bereithielten. Stelle aber eine Gemeinde Einrichtungen für derartige Zwecke zur Verfügung, so müsse sie alle Parteien gleichbehandeln. Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg halte mit dem Bürgerhaus eine kommunale Einrichtung bereit, deren widmungsgemäßer Zweck unter anderem der sei, die Räumlichkeiten für politische Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. In der Vergangenheit sei das Bürgerhaus auch entsprechend der Widmung tatsächlich für politische Veranstaltungen verschiedener Parteien – darunter dem AfD-Landesverband – zur Verfügung gestellt worden. Es seien weiterhin keine Gründe erkennbar, die es rechtfertigen würden, den Zugang zum Bürgerhaus im konkreten Fall zu versagen.
Keine Anhaltspunkte für Gewalttätigkeiten durch Demonstrationen
Das Gericht hebt besonders hervor, dass es sich bei der AfD nicht um eine verbotene Partei handelt. Außerdem habe die Gemeinde nicht glaubhaft gemacht, dass von dem geplanten Landesparteitag eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe oder diese Veranstaltung eine Gefahrenlage schaffe, die von solcher Intensität sein würde, dass es abgelehnt werden dürfe, das Bürgerhaus für den Landesparteitag zu überlassen. Allein eine erwartete hohe Anzahl an Gegendemonstranten begründe eine entsprechende Gefahr nicht. Es bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es zu einem gewalttätigen Aufeinandertreffen von Veranstaltungsteilnehmern und Gegendemonstranten komme, das sich durch polizeiliche Maßnahmen nicht unterbinden lasse. (Die Gemeinde kann gegen den Beschluss innerhalb von zwei Wochen beim Schleswig[1]Holsteinischen Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegen).
Ursprüngliche Zusage später abgelehnt
Ursprünglich hatte die Gemeinde das Nutzen des Bürgerhauses und den Termin mündlich zugesagt, später aber von der Bürgermeisterin eine schriftliche Absage erhalten. Die Partei legte dagegen Widerspruch ein und klagte. Ihr Landesvorstand sieht in dem Beschluss „einen wichtigen Meilenstein für die demokratischen Grundwerte“. In den letzten Jahren sei der Widerstand gegen eine demokratische Selbstverständlichkeit immer stärker geworden. In einem Mitteilungsschreiben an die Parteimitglieder schrieb er: „Das Verwaltungsgericht hat deutlich gemacht, dass demokratische Grundzüge und Prinzipien auch und gerade für die einzige Oppositionspartei hier in Deutschland gelten müssen.“ Seit fast einem Jahrzehnt habe die AfD Schleswig-Holstein das Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg für verschiedene Veranstaltungen angemietet.
Ein erzwungenes Gutachten nahm die Gerichtsentscheidung vorweg
Allerdings sei die wachsende Stärke der AfD auf Widerstand von sogenannten „demokratischen Gegenbewegungen“ gestoßen. Diese hätten auf die Verwaltung Druck ausgeübt, um die Vermietung an die AfD zu verhindern. Schließlich habe die Gemeindeverwaltung 2020 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das prüfen sollte, ob man die AfD aus dem Bürgerhaus fernhalten könne. Das eindeutige Ergebnis des Gutachtens sei ein Nein gewesen. Dies habe das Verwaltungsgericht nun bestätigt.
Die Stellungnahme des AfD-Landesvorstandes
Der AfD-Landesvorstand sieht in der Entscheidung einen bedeutenden Erfolg für die Demokratie. Sie zeigt, dass demokratische Grundprinzipien wie Meinungsfreiheit und Gleichbehandlung auch für die einzige politische Opposition gelten müssten. Die AfD möge mit ihrer politischen Ausrichtung umstritten sein, doch ihre demokratischen Rechte und Freiheiten müssten auch durch die Altparteien, die wahren Feinde der Demokratie, respektiert werden.
„Demokratie ist nur mit politischer Opposition möglich“
„Wichtiger noch ist“, teilt der AfD-Landesvorstand mit, „dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine klare Botschaft an die Gesellschaft sendet: Demokratie ist nur mit der politischen Opposition möglich, mit der AfD. Man muss uns die gleichen Rechte und Chancen einräumen. Das Verbot der Vermietung wäre ein deutlicher Verstoß gegen diese demokratischen Grundsätze gewesen und hätte einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Eine Demokratie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie unterschiedlichste politische Meinungen und Standpunkte zulässt. Der politische Diskurs und die Debatte sind zentrale Elemente der Demokratie. Indem die AfD das Bürgerhaus weiterhin für Veranstaltungen nutzen darf, wird dieses Prinzip aufrechterhalten. Selbst wenn man nicht mit den Positionen unserer AfD übereinstimmt, ist es wichtig, dass unsere Stimme gehört wird und wir die Möglichkeit haben, diese öffentlich zu äußern.“
„Ein Sieg der Demokratie“
Eine offene und pluralistische Gesellschaft lebe von den unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen ihrer Bürgerinnen und Bürger. Indem das Gericht die Vermietung an die AfD ermögliche, werde die Vielfalt des politischen Spektrums abgebildet und die Meinungsfreiheit gestärkt. Seine Entscheidung schütze diese Grundprinzipien der Demokratie und stelle sicher, dass die politische Opposition nicht wegen ihrer Meinungen diskriminiert werde. Insgesamt sei die Entscheidung ein großer Sieg für die Demokratie. Sie zeige, dass demokratische Grundprinzipien auch für die politische Opposition gelten und dass die Meinungsfreiheit geschützt werde. Sie stärke die Vielfalt des politischen Diskurses und unterstreiche die Widerstandsfähigkeit der Demokratie.