Nur Wetterbeobachtung oder Auskundschaften amerikanischer Raketenstellungen? – Wie die USA die Zweifel an ihrer Spionage-Version auszuräumen versuchen – Was dem Ballon-Einsatz sonst noch an Vorteilen zugesprochen wird – Der Colt sitzt nach wie vor locker, und der schöne Ballon ist hin – Die USA inszenieren den Ballon als Spionage-Fall zu Propagandazwecken gegen China – Gehirnwäsche durch Lügen, damit die Menschen den staatlichen Plänen folgen
Da taucht also ein weißer Ballon auf. Ziemlich groß. Demnach deutlich mit bloßem Auge von jedermann zu erkennen, er muss nur hochschauen. Kommen kann der Ballon von überall her. Der Luftraum ist groß, Länder gibt es viele. Gesagt wird uns, der Ballon komme von China, und es sei ein Spionageballon. Natürlich, was denn sonst – wird also sofort geglaubt. So vernehmen wir es aus den USA, so übernehmen es die einschlägigen Medien. Zeitungen wie die FAZ fügen journalistisch korrekt noch hinzu, dass es ein „mutmaßlicher“ chinesischer Spionageballon sei. Andere Blätter – ich kann nicht alle lesen – vielleicht ebenfalls.
Aber China hat seine Eigentümereigenschaft dann doch schnell eingeräumt, jedenfalls indirekt: Am 8. Februar (Mittwoch) forderte ein chinesischer Diplomat erstmals öffentlich, die Vereinigten Staaten müssten die Trümmerteile zurückgeben. Auch teilte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums (laut FAZ vom 9. Februar 2023, Seite 5) mit: „Wir wollen betonen, dass es der Verbesserung des gegenseitigen Vertrauens und der Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten nicht förderlich ist, immer wieder die Bedrohung durch China zu übertreiben. Das wird die Vereinigten Staaten auch nicht sicherer machen.“
Nur Wetterbeobachtung oder Auskundschaften amerikanischer Raketenstellungen?
Die chinesische Version, der Ballon diene der Wetter-Erkundung, ist nicht gerade abwegig und eher glaubwürdig als die amerikanische Version, er diene der Spionage amerikanischer Interkontinental-Raketen-Stellungen. Denn diese Stellungen wird China längst aus dem All erkundet haben, also bereits kennen. Doch die Washington Post vom 8. Februar berichtet unter Berufung auf amerikanische Nachrichtendienste, Ballons dieser Art hätten seit Jahren Informationen über militärische Einrichtungen in Ländern und Gebieten gesammelt, die für Peking von strategischem Interesse seien. Dazu zählten etwa Japan, Indien, Vietnam, Taiwan und die Philippinen, und bisher seien chinesische Ballons über fünf Kontinenten gesichtet worden (FAZ a.a.O.). Daher stellt sich die Frage, warum die Berichterstattung zumindest westlicher Medien sang- und klanglos über alle diese Spionage-Schandtaten hinweggegangen ist. Oder kann sich an Gegenteiliges jemand erinnern? Aber seltsam, seltsam: Dieser eine Ballon wird nun – man gestatte das Wortspiel – gleichsam zusätzlich aufgeblasen zu einer hochgefährlichen Bedrohung.
Wie die USA die Zweifel an ihrer Spionage-Version auszuräumen versuchen
Die Zweifel daran, Militäranlagen anderer Staaten heutzutage noch mit Ballons zu überwachen, was mit Satellitentechnik inzwischen doch überholt sei, versuchen die USA amtlicherseits wortreich auszuräumen: Um Informationen über die Streitkräfte anderer Länder zu sammeln, hätten die Chinesen eine unglaublich alte Technik mit modernen Kommunikations- und Beobachtungsmöglichkeiten kombiniert. Wohl finde der Großteil der chinesischen Überwachung mit Satelliten statt, doch habe Chinas Armee die Vorteile erkannt, die eine Überwachung aus einer Höhe von 60 000 bis 80 000 Fuß biete. Unklar sei noch, wie groß die chinesische Ballonflotte sei. Es habe aber seit 2018 Dutzende Missionen gegeben. In den vergangenen Jahren seien vier Ballons über Hawaii, Florida, Texas und Guam gesichtet worden. Drei der vier Vorfälle hätten sich während der Zeit der Trump-Regierung zugetragen, seien aber erst später als chinesische Spionagemissionen identifiziert worden. (FAZ vom 9. Februar, Seite 5).
Was dem Ballon-Einsatz sonst noch an Vorteilen zugesprochen wird
Die FAZ (a.a.O.) hat gegen die Zweifel vom China-Ballon als Spionagegerät auch noch dies zusammengetragen, allerdings nicht kritisch gegenüber den USA motiviert, sondern diese unterstützend und die Zweifel abwehrend: „Dass chinesische Militärforscher sich für den militärischen Nutzen von Ballons interessieren, lässt sich in öffentlich zugänglichen Publikationen nachlesen. So werden in einer vom Militär publizierten Zeitschrift vom April 2022 die Einsatzmöglichkeiten von Ballons diskutiert. Neben der Aufklärung der Frühwarnsysteme des Feindes werden auch psychologische Kriegsführung, Täuschung und der Transport von Sprengköpfen aufgelistet. Als ein Vorteil von Ballons wird genannt, dass sie schwer abzuschießen seien. ‚Wenn ein Kampfflugzeug genutzt wird, besteht eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit des Piloten‘, heißt es.“ In der Vergangenheit hätten chinesische Staatsmedien vereinzelt über militärische Testflüge berichtet. Die Financial Times verweise auf einen Beitrag des Militärkanals des Staatsfernsehens, in dem über den Test von Überschallraketen von einem stratosphärischen Ballon aus im Jahr 2018 berichtet worden sei. Inzwischen sei er gelöscht. In einem weiteren, noch zugänglichen Beitrag des Staatsfernsehens werde behauptet, ein chinesischer Kampfpilot habe 2019 einen ausländischen Spionageballon abgeschossen.
Der Colt sitzt nach wie vor locker, und der schöne Ballon ist hin
Eine Frage, die meines Wissens bisher noch gar nicht gestellt wurde, ist diese: Warum haben die Amis den Ballon überhaupt abgeschossen? Warum haben sie ihn nicht einfach heruntergeholt und nachgeschaut, was drin ist? Jetzt müssen sie beschädigte Reste davon aus dem Meer fischen. Wohl wird es durchaus so sein, dass die USA mit dem Abschuss „im Einklang mit dem Völkerrecht gehandelt“ haben, wie John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, glaubte betonen zu müssen (FAZ vom 8. Februar 2023, Seite 6). Aber was man darf, muss man nicht auch tun. Die amerikanische Wild-West-Vergangenheit, wie sie uns über die einschlägigen, teils auch wunderbaren Filme vermittelt worden ist, scheint ungebrochen zu sein: Der Colt sitzt locker und wird schnell abgeballert. Nun ist der schöne Ballon hin.
Die USA inszenieren den Ballon als Spionage-Fall zu Propagandazwecken gegen China
Seine eigene Version vom white balloon from China bietet der Amerikaner Paul Craig Roberts.*) Hier die wesentlichen Teile seines Kommentars mit der Überschrift „Der Schwindel vom chinesischen Spionageballon“. Roberts schreibt:
„Nach dem Russiagate-Schwindel, dem Covid-Schwindel und dem Aufstand-Schwindel, haben wir nun den chinesischen Spionageballon-Schwindel. …. Laut Washington und den Hurenmedien hat China einen Ballon geschickt, der laut Pentagon mit Sprengstoff beladen sein ‚könnte‘, um Amerika auszuspionieren. Ein hochrangiger General sagte, dass ähnliche Ballons schon früher unentdeckt in den amerikanischen Luftraum eingedrungen seien. Der Ballon ist riesig, über zwei Meter hoch und wiegt mehr als ein paar tausend Pfund. ….. Machen Sie sich klar, dass hier ein Vorfall zu Propagandazwecken inszeniert wird, um die Feindseligkeit gegen China zu schüren und mehr Geld für die Verteidigung in Asien auszugeben. Wir haben kein malaysisches Verkehrsflugzeug, das wir China anlasten können, aber wir haben einen Wetterballon.“
Die chinesische Version
Die einzige Erklärung, die für Roberts einen Sinn ergibt, ist die chinesische, die er so zitiert: „Es handelt sich um ein ziviles Luftschiff, das für Forschungszwecke, hauptsächlich für meteorologische Zwecke, eingesetzt wird. Unter dem Einfluss der Westwinde und mit begrenzter Selbststeuerungsfähigkeit ist das Luftschiff weit von seinem geplanten Kurs abgewichen. Die chinesische Seite bedauert den unbeabsichtigten Eintritt des Luftschiffs in den US-Luftraum aufgrund eines unvorhergesehenen und unbeabsichtigten Ergebnisses. Die chinesische Seite wird die Kommunikation mit der US-Seite fortsetzen und diese unerwartete Situation, die durch den Wind und die begrenzte Steuerfähigkeit verursacht wurde, angemessen handhaben.“
Im China-Ballon über Kolumbien sah das Militär des Landes keine Gefahr
Aber die Spionagegeschichte gehe weiter, kommentiert Roberts. Sie sei nötig, um die Beziehungen zu China zu verschlechtern, der zweiten Atommacht, die Washington mit allen Mitteln zu verärgern versuche. „Bedenken Sie, dass Spionage heutzutage mit Satelliten und nicht mehr mit Wetterballons betrieben wird.“ Wenn China Ballons benutze, um die USA auszuspionieren, warum habe China dann einen Ballon über Kolumbien geschickt (hier)? Warum spioniere China Südamerika aus? Das kolumbianische Militär habe festgestellt, dass der Ballon für die nationale Sicherheit, die Verteidigung oder die Flugsicherheit keine Gefahr dargestellt habe. Washington verfüge nicht über die Fähigkeiten des kolumbianischen Militärs, denn Washington habe es sich zur Aufgabe gemacht, eine Falschmeldung zu verbreiten.
Gehirnwäsche durch Lügen, damit die Menschen den staatlichen Plänen folgen
Rhetorisch fragt Roberts seine Leser: „Fällt Ihnen etwas ein, bei dem die Regierung die Wahrheit gesagt hat? Der Golf von Tonkin? Ruby Ridge? Waco? Oklahoma City Bombardierung? 9/11? Die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein? Assads Einsatz von Chemiewaffen? Gaddafi? Russiagate? Aufstand vom 6. Januar? Covid? Covid-Impfstoff? Ukraine? Malaysisches Passagierflugzeug? Finden Sie eine Sache, die wahr war. Alle Lügen der Regierung, die von den Pressevertretern nachgeplappert werden, dienen dazu, geheime Pläne voranzutreiben. Die Menschen werden mit Lügen einer Gehirnwäsche unterzogen, damit sie sich den Plänen anschließen. Das ist die Art und Weise, wie die US-Regierung funktioniert. Es gibt keine amerikanischen Medien mehr. Nur noch ein Indoktrinationsministerium. Bitte nur offizielle Berichte. Alles andere ist Fehlinformation.“ (Roberts‘ ganzer Kommentar hier: The Chinese Spy Balloon Hoax | (paulcraigroberts.org)
Es ist erstaunlich, was uns die amerikanische Regierung zu glauben zumutet und die Mainstream Medien, jedenfalls bisher, brav weiterreichen.
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*) Paul Craig Roberts, Jahrgang 1939 und promovierter Nationalökonom, war stellvertretender amerikanischer Finanzminister für Wirtschaftspolitik unter Präsident Ronald Reagan. Er war eine treibende Kraft hinter der Wirtschaftspolitik der ersten Amtszeit der Reagan-Regierung und wurde als „wirtschaftliches Gewissen“ des Präsidenten gelobt. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung hatte Roberts von 1983 bis 1993 den William-E.-Simon-Lehrstuhl für politische Ökonomie am Center for Strategic and International Studies inne, war von 1993 bis 1996 Distinguished Fellow am Cato Institute und saß in mehreren Unternehmensvorständen. Roberts gehört zu den namhaften und engagierten amerikanischen Kritikern des amerikanischen Kriegskurses der vergangenen mehr als zwanzig Jahre. Seine Kritik ist fundiert und pointiert. Er kennt die Regierungsarbeit in den USA als ehemaliger Ministerialdirektor (Assistance Secretary of the Treasury) im Finanzministerium der Regierung aus nächster Nähe. Roberts gilt als einer der besten Journalisten der USA und ist Autor mehrerer Bücher. Geschrieben hat er für alle wichtigen Zeitungen wie das Wall Street Journal, die Business Week, die New York Times und viele andere Blätter. 1992 wurde er geehrt mit dem Warren Brookes Award für außerordentliche Verdienste als Journalist.