Vor zehn Jahren die von Fukushima, vor bald 35 Jahren die von Tschernobyl – Die Angstmache vor dem „Atomstrom“ geht weiter – Durch Strahlenschutz sind bei beiden Unfällen hundertfach mehr Menschen gestorben als durch die Strahlung – Auch in Tschernobyl hätte es keine Strahlen-Toten und -Erkrankten geben können – Drei Beispiele des Physikers Lutz Niemann für Widersinnigkeiten im Strahlenschutz – Die deutsche Angst vor Strom aus Kernkraft hat hysterische Züge – Wenn etwas Extremismus ist, dann auch das – Berechtigt dagegen ist die Angst vor einem wirklich gefährlichen Kerntechnik-Produkt: der Atombombe. Warum eigentlich gibt es gegen die keine Dauer-Demos von Greenpeace, Fridays for Future und dergleichen?
In diesen Tagen haben deutsche Medien viel getan, um die Angst der Menschen vor der Kernkraft, vor dem „Atomstrom“, zu verfestigen. Den Anlass dafür boten die Stichworte Fukushima und Tschernobyl. Beide Ereignisse waren wirklich schlimme Katastrophen. Die von Fukushima ist zehn Jahre her, die von Tschernobyl in Kürze 35 Jahre. Das eine war die Folge von einem Naturereignis und von menschlichem Versagen, das andere geht nur auf menschliches Versagen zurück. In beiden Fällen wurden Kernkraftwerke zerstört, die Strom produzierten.
Am 11. März 2011 hatte in Japan ein Seebeben eine Monsterwelle (Tsunami) in Richtung japanischer Ostküste ausgelöst. Sie verwüstete Küstenstädte und traf dort auch auf das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Weil dieses nicht hinreichend geschützt war, kam es in dem Werk zur Kernschmelze. Anders vor bald 35 Jahren am 26. April 1986 im russischen Tschernobyl der damaligen Noch-Sowjetunion: Dort ist ein Experiment gründlich danebengegangen und trotzdem nicht abgebrochen worden. In beiden Fällen kam Radioaktivität frei: in Tschernobyl mehr, in Fukushima weniger. Aber mit welchen Gesundheits- und Todesfolgen für die Menschen tatsächlich?
Mit diesen Folgen befasst hat sich anlässlich der beiden Jahrestage der Physiker und Strahlenschutzexperte Dr. Lutz Niemann.*) Zur Reaktorkatastrophe in Japan schreibt er: „Mit dem Kernkraftwerk in Fukushima wurde in Japan ein technisches Großgerät zerstört, das
- nicht ausreichend gegen Tsunamis geschützt war, obwohl die Gefahr bekannt war,
- dessen Notstromversorgung nicht gegen Überflutung gesichert worden war,
- das keine Vorsorge gegen Wasserstoffexplosionen getroffen hatte.
In Fukushima Todesopfer durch Evakuierungen, nicht durch Radioaktivität
Ein rund hundert Seiten langer Bericht kann hier gefunden werden, eine kurze Zusammenfassung des Unfallablaufs hier und die radiologischen Folgen hier. Es wurde durch den Unfall Radioaktivität frei gesetzt, das ist verboten. Allerdings war es so wenig Radioaktivität, dass kein Mensch dadurch in seiner Gesundheit zu Schaden kommen konnte. Aber es wurden über 100 000 Menschen aus der Umgebung evakuiert, das verlangten die Strahlenschutzgesetze. Als Folge der Evakuierungen kamen über 1000 Menschen zu Tode, insbesondere durch die Evakuierungen von Altenheimen (hier). Nicht die freigesetzte Radioaktivität brachte den Menschen gesundheitlichen Schaden, sondern die Schutzmaßnahmen hatten über 1000 Todesopfer zur Folge. Diese erschütternde Tatsache wird häufig verschwiegen oder erst an später Stelle der Berichte genannt. Eine lobenswerte Ausnahme ist die Fachzeitschrift StrahlenschutzPRAXIS des privaten Vereins Fachverband Strahlenschutz Deutschland – Schweiz (1/2015 Themenausgabe zu Fukushima). Die Veröffentlichungen von UNSCEAR**) (hier) bestätigen: Es gab keine Gefahr durch die Strahlung.“
Auch in Tschernobyl hätte es keine Strahlen-Tote und -Erkrankte geben können
Zur noch größeren Reaktorkatastrophe in Tschernobyl hält Lutz Niemann dies fest: „Durch den Unfall sind etliche Brände entstanden, die Feuerwehr hatte zu löschen. Aber in der Hektik und vermutlich auch durch Unwissenheit wurde nicht auf die Strahlengefährdung geachtet. 134 Helfer der ersten Stunde erkrankten an der Strahlenkrankheit, 28 Personen starben daran. Hätte man die Helfer der ersten Stunde gegen Strahlung geschützt, bzw. mit dem Löschen der Brände einige Stunden gewartet, so hätte es auch in Tschernobyl keine Todesopfer durch Strahlung gegeben.
Die Ursache der Katastrophe war ein fehlerhaftes Experiment
Wie war das Unglück entstanden? Niemann schreibt: „In Tschernobyl wurde beim Abfahren des Reaktors ein Experiment durchgeführt, bei dem ein Fehler gemacht worden war. Anstatt das Experiment wegen Xe-Vergiftung sofort abzubrechen, wie es in jeder Ausbildung gelehrt wird, wurde versucht, es dennoch zu Ende zu bringen. Dabei wurde mehrmals gegen die Betriebsvorschriften verstoßen. Es kam zu einer Leistungsexkursion um den Faktor 100 und der Reaktor wurde zerstört. Vier Monate nach diesem Unfall haben im August 1986 Fachleute aus Russland in Wien bei der IAEA über den Verlauf des Unglücks berichtet. Dieser Bericht ist am wenigsten durch die politisch motivierte Berichterstattung in den deutschen und weltweiten Medien beeinflusst und damit am wenigsten verfälscht.“
Durch Strahlenschutz sind bei beiden Unfällen hundertfach mehr Menschen gestorben als durch die Strahlung
Niemann weiter: „Aus der Umgebung des Unglücksreaktors wurden etwa doppelt so viele Menschen evakuiert als in Fukushima. Man kann schließen, dass auch etwa doppelt so viele Menschen letztlich an der ‚Schutzmaßnahme‘ gestorben sind. Damit kann festgestellt werden: Durch die beiden Kernkraftunfälle Fukushima und Tschernobyl sind durch die Strahlenschutzmaßnahmen etwa 100-fach mehr Menschen zu Tode gekommen als durch die Strahlung. Es wäre daher 100-fach sinnvoller, an der Reduktion der Strahlenschutzmaßnahmen zu arbeiten und nicht die Kernkraftwerke abzuschalten.“
Mehr Krebserkrankungen durch die Reaktor-Unglücke? Als direkte Folge schwer nachweisbar
Wenn nicht durch radioaktive Strahlung erkrankt oder gestorben, hat es dann durch die beiden Reaktorunfälle mehr Krebserkrankungen und Krebstote gegeben? Ein solcher Zusammenhang erscheint vielen plausibel, ist aber schwer belegbar. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der sich mit dem UNSCEAR-Bericht von 2013 damals ebenfalls ausführlich befasst hat, schreibt dazu unter anderem: „Es besteht Konsens darüber, dass es problematisch ist, eine Krebserkrankung als direkte Folge eines Reaktorunglücks nachzuweisen. Bedingt durch die Tatsache, dass eine derartige Erkrankung zeitlich nicht unmittelbar auf eine erhöhte Strahlungsexposition folgt, besteht immer die Schwierigkeit, sie eindeutig einer Ursache zuzuordnen. Diese Problematik verschärft sich, d.h. Abschätzungen werden noch unsicherer, je niedriger die Strahlenexposition war und je größer die Bevölkerungsgruppe ist.“ (Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Infobrief WD 2 – 3010 – 164/14, Seite 9, hier).
Wie es einst begann
Lutz Niemann erinnert daran, wie man begann, die ionisierende Strahlung zu nutzen, wie man die Röntgen-Strahlung entdeckte und die Strahlung aus dem Atomkern. Dabei sei man zur Einsicht gekommen, dass mit dieser Strahlung eine Gefährdung einhergehe. Das sei in den 1920er Jahren gewesen: „Es wurden erste Grenzwerte eingeführt, zu einer Zeit, wo kaum verlässliche Messgeräte zur Verfügung standen und der Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung der Strahlung noch unbekannt war. Die Dosis-Wirkung-Beziehung wurde erst viel später bekannt, noch heute ist ihr Verlauf höchst umstritten. Die Grenzwerte wurden im Laufe der Jahre immer weiter erniedrigt.“
Drei Beispiele für Widersinnigkeiten
Niemann erinnert ferner an das Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (kurz: Atomgesetz), das Ende 1959 beschlossen worden ist, und an die Strahlenschutzverordnung von Mitte 1960. Beides gelte nur in der Kerntechnik und nicht für Höhenstrahlung und nicht im medizinischen Bereich, obwohl dort viel höhere Strahlendosen aufträten. Er sieht hier Widersinnigkeiten und nennt dafür drei Beispiele:
In Fukushima keine menschen-gefährliche Strahlendosis erreicht
„1. Im Fukushima-Unfall wurden radioaktive Stoffe frei gesetzt und die überall vorhandene Radioaktivität dadurch etwas erhöht. Ein für die menschliche Gesundheit gefährlicher Dosisbereich wurde nicht erreicht. Japan ist bemüht, die belanglose Kontamination vom Erdboden und Meerwasser zu reduzieren und gibt gigantische Geldbeträge dafür aus. Im Flugzeug auf Reiseflughöhe ist die Zusatzbestrahlung durch die Höhenstrahlung höher als die Zusatzbestrahlung durch die frei gesetzten Stoffe in Japan – und Flugreisen sind für jedermann erlaubt.“
Eine seltsame Rechenvorschrift im Strahlenschutz für hypothetische Tote
„2. Es gibt im Strahlenschutz eine Rechenvorschrift, mit der aus einer Strahlendosis ein hypothetisches Risiko für Krebsentstehung ausgerechnet wird. Mit dieser Rechenvorschrift wurden 2006 auf der IAEA-Tagung ‚20 Jahre nach Tschernobyl‘ insgesamt 4000 Strahlentote durch den Unfall ausgerechnet. Das wird gern als Unfallfolge verbreitet und scheint weltweit anerkannt zu sein. Dabei wird verschwiegen, dass mit der gleichen Rechenvorschrift für den Flugverkehr jedes Jahr etwa 5000 Strahlentote auszurechnen sind.“
In der Krebstherapie bestrahlte Patienten werden aus hypothetisch Toten Gesunde
„3. Im medizinischen Bereich wird geröntgt, und es wird in der Krebstherapie bestrahlt. Aus der Anzahl der Röntgenuntersuchungen mit Dosen im Milli-Sievert-Bereich werden gern die hypothetischen Krebstoten als Folge berechnet, in einem Beispiel 5000 zusätzliche Krebstodesfälle in Deutschland pro Jahr – nicht verifizierbar und nicht falsifizierbar. Würde man die Berechnung der hypothetischen Todesopfer auch im Bereich der Krebstherapie machen, wo in der Regel mit 60 Sievert bestrahlt wird, dann ergäbe sich für jeden bestrahlten Patienten das Risiko mit 300-% Wahrscheinlichkeit an dessen Folgen zu sterben – aber durch diese Bestrahlung werden die Patienten geheilt. Die übliche Berechnung virtueller Todesopfer durch Strahlung ist Unfug.“ (Ergänzendes von Niemann mit Beispielen zu den Widersprüchlichkeiten hier).
Die Strahlenangst als Ursache für die Ablehnung der Kerntechnik für Strom
In der Kerntechnik dagegen, werde dem Bürger eine Strahlengefahr vorgegaukelt, die nicht vorhanden sei. Die Strahlenangst sei inzwischen fest in den Genen des modernen Menschen verankert worden. Die Folgen, so Niemann, „sind derart weitreichend für Deutschland (und vielleicht später auch für die Menschheit), dass man die Hypothese ‚jedes Bq ist schädlich‘ mit gutem Gewissen als kriminell bezeichnen kann wie es Prof. Jaworowski einmal getan hat“.***) Niemann fragt: „Und warum das alles?“ Seine Antwort: „Die Strahlenangst wird als ein Mittel der Politik benutzt. Deutschland steigt als weltweit einziges Land weitgehend aus seiner Stromversorgung aus. Die Gründe sind ganz sicher nicht das Vorgaukeln einer Gefahrenbeseitigung. Die Politik sollte die Antwort geben auf das Warum. Und jeder Bürger sollte selber überlegen, was die Gründe sein könnten.“
Der ganze Niemann-Beitrag mit dem Titel „10 Jahre nach Fukushima, 35 Jahre nach Tschernobyl“ ist hier zu lesen. In den Fußnoten dort finden sich auch die Quellenangaben.
Die deutsche Angst vor Strom aus Kernkraft hat hysterische Züge
Ich schrieb schon einmal (hier): Kernkraftwerke lassen sich sicher betreiben, deutsche in Deutschland allzumal. Wenn die Deutschen aus Angst auf eigene Kernkraftstromerzeugung verzichten, ohne damit die befürchtete Gefahr beseitigen zu können, dann ist das eine Torheit ohnegleichen. Zusätzlich töricht ist es, stattdessen auf Wind- und Sonnenkraft zu setzen, weil der Strom mit ihr unverantwortlich künstlich verteuert wird und weil wegen der dann zu komplizierten Regeltechnik Zusammenbrüche der Stromversorgung Realität werden. Die Angst vieler, vielleicht der meisten, aber bei weitem nicht aller Deutschen vor Kernkraftwerken hat geradezu hysterische Züge und zeigt ein Nicht-Wahrhaben-Wollen von Realität und Lebenswirklichkeit. Sie merken auch nicht, dass sie von politischen Gruppierungen und Profiteuren eines geschürten CO2-Wahns und einer vorgeblichen Klimaschutzpolitik manipuliert und instrumentalisiert werden. Berechtigt dagegen ist die Angst vor einem wirklich gefährlichen Produkt der Kerntechnik: der Atombombe. Warum eigentlich gibt es gegen die keine Dauer-Demos von Greenpeace, Fridays for Future und Co.?
Wenn etwas Extremismus ist, dann auch diese deutsche Absurdität
Die meisten Länder, auch solche in deutscher Nachbarschaft, setzen auf Strom aus Kernkraft. Wenn die Deutschen diese Stromerzeugung in Deutschland abschaffen, weil sie vor der Kernkraft Angst haben, und glauben, dann sei die befürchtete Gefahr verschwunden, dann macht sich Deutschland damit nur lächerlich. Denn vor Reaktorunfällen in anderen Ländern schützt das deutsche Abschaffen der Kernkraft die Deutschen mitnichten, denn etwaige von Luftströmungen getriebene radioaktive Wolken machen an der deutschen Grenze schwerlich halt. Es ist absurd, Deutschland kernkraftfrei machen zu wollen, während sich die anderen Länder der Kernkraft weiterhin bedienen und sogar verstärkt zuwenden. Wenn etwas Extremismus ist, dann auch das. Noch gut erinnert man sich an die ähnliche deutsche Verrücktheit, als sich einzelne Städte und Dörfer mit Schildern an allen Ortseingängen zur „atomwaffenfreien Zone“ erklärten. Die Schilder sind längst verschwunden, aber viele Steuergelder dafür ebenfalls.
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*) Der Physiker Lutz Niemann ist ausgebildeter Fachmann für Strahlenschutz. Er war bei der Siemens AG in der Elektrotechnik tätig, wo er auch für die Aufgaben des Strahlenschutzbeauftragten zuständig gewesen ist. Noch während seiner Berufstätigkeit hat er ehrenamtlich Aufsätze zur Energie, Kernenergie, Radioaktivität und Klima verfasst, um der Desinformation entgegenzuwirken. Nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben hat er versucht, diese Tätigkeit zu intensivieren, unter anderem durch Mitarbeit im Verein Bürger-für-Technik e.V., in der Kerntechnischen Gesellschaft e.V., dem Verein Deutscher Ingenieure e.V. und in der CSU. Auf einschlägigen Tagungen und auf Konferenzen hält er kundige Vorträge.
**) UN-Ausschusses zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung (UNSCEAR) 2013 Report to the General Assembly with Scientific Annexes
***) Bc = Becquerel (Messeinheit für Radioaktivität)