Verletzte Meinungsfreiheit

Wenn Menschen gewaltsam am Auftreten und Reden gehindert werden – Die Blockade gegen Bernd Lucke und Thomas de Maizière – Der unrühmliche Begriff „politische Korrektheit“ – Jemanden am Reden hindern ist Ausüben von Gewalt – Auch noch so lautere Motive erlauben es nicht, die Rechtsordnung zu brechen

„Die Meinungsfreiheit ist nicht in Gefahr.“ So lautet die Überschrift zu einem Kommentar in meiner regionalen Zeitung.*) O, doch, die Meinungsfreiheit ist sehr wohl in Gefahr, sogar in hoher. Der Anlass („Aufhänger“) für den Kommentar sind die jüngsten Gewaltsamkeiten Linksextremer gegen Bernd Lucke und Thomas de Maizière. Den Ökonomie-Professor Lucke (anfänglich AfD) hinderten hunderte Störer, nach seiner Rückkehr aus der Politik, seine Vorlesungen an der Uni Hamburg wieder aufzunehmen. Dem Politiker de Maizière (CDU) verwehrten es Linksextreme, an der Uni Göttingen aus seinem Buch „Regieren“ vorzulesen. Reden an der Uni Hamburg soll auch der Politiker Christian Lindner (FDP) nicht dürfen.

Was Lucke geschah, ist zweifelsohne ein Rechtsverstoß, dem die Uni-Leitung alles andere als energisch genug entgegentrat. Aber wird die Redefreiheit wirklich unterdrückt, wenn Politiker an Universitären reden wollen und – zumal wenn sie dorthin eingeladen sind – reden sollen, aber nicht reden dürfen? Darüber, dass den Politikern de Maizière und Lindner das Rederecht zu politischen Themen verweigert wurde und dass sie es wohl werden hinnehmen müssen, kann man streiten. Eigentlich sind ihre Möglichkeiten, sich öffentlich zu artikulieren, zahlreich genug.

Wessen Redefreiheit unterdrückt wird, der rettet sich in die Gedankenfreiheit

Redefreiheit ist ein Teil der Meinungsfreiheit. Gedankenfreiheit ebenfalls. Aber Redefreiheit ist der in Auseinandersetzungen wichtigere Teil, denn Meinungsfreiheit ist keine, wenn man seine Meinung nicht auch frei äußern darf. Wichtiger ist Redefreiheit deswegen, weil sie sich unterdrücken lässt, Gedankenfreiheit dagegen nicht. Unterdrückt wird Redefreiheit, wenn Gesagtes oder Geschriebenes mit einer wie auch immer gearteten öffentlichen Meinung kollidiert, wenn es gegen den „Übeltäter“ einen Entrüstungssturm auslöst und dieser gebrandmarkt, entehrt, geächtet, ausgestoßen wird, berufliche Nachteile erleidet oder gar seinen Arbeitsplatz verliert, ohne dass er Strafbares geäußert hat. Wer das vermeiden will, hält lieber den Mund und rettet sich in die Gedankenfreiheit. Mund halten und sich seinen Teil nur denken, ist die übliche Reaktion der allermeisten Menschen; sie dient dem Selbstschutz. Man kann sie verstehen, nur mutig und selbstbewusst ist sie nicht.

Als „politische Korrektheit“ zum unrühmlichen Begriff geworden

Diese Art Unterdrückung der Redefreiheit hat sich über die Jahre wie ein Flächenbrand ausgebreitet, und jedermann nimmt sie als unübersehbar wahr. Als politische Korrektheit (political correctnes) ist sie zum unrühmlichen Begriff geworden. Betrieben wird sie von einer links-grünen, sozialistisch gesinnten Politik-Maffia, unterstützt in vorauseilendem Gehorsam von überaus vielen Mitläufern, Menschen nahezu jeden Schlages, die nicht in das links-grüne öffentliche Radar geraten wollen. Sie zusammen repräsentieren den Hauptstrom (mainstream) der Meinungen dessen, was man sagen darf und was tunlich nicht. Andersgesinnte haben ihm nicht zu widersprechen und sich seiner Deutungshoheit allen Geschehens zu unterwerfen.

Sich unterwerfen aus Angst

Dass sie sich unterwerfen, geschieht aus Angst, teils berechtigt, teils nicht, denn bei weitem nicht jeder, der widerspricht, verliert gleich seine ganze Existenzgrundlage. Doch lässt sich Angst auch überwinden. Wer das nicht schafft, muss unter ihr leiden. Mit ängstlichen Menschen ist zwar nicht gut Staat zu machen, aber sie lassen sich besser beherrschen, denn sie mögen nicht aufbegehren. Den Herrschenden gefällt das. Wenn ich dann in dem anfangs erwähnten LN-Kommentar lese, die Neue Rechte wolle mit Hilfe des toxischen Codeworts ‚politische Korrektheit’ das Gefühl erzeugen, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr, dann ist das an Ignoranz und Unverfrorenheit schwerlich zu überbieten. Das ist nicht bloß ein Gefühl, sondern eine Tatsache.

Was Wolfgang Schäuble zur political correctness meint

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble**) hat sich entschieden anders geäußert: „Die Redefreiheit wird unter Verweis auf die Political Correctness eingeschränkt, wenn ein selbsternannter demokratischer Mainstream darüber befindet, was diskutiert werden darf und was nicht. Meinungsfreiheit sichert nur, wer sie konsequent anwendet: andere, womöglich sogar abwegige Meinungen auszuhalten, mit ihnen fair umzugehen und in einen sachorientierten, produktiven Streit zu treten.“ Aber zu viele Journalisten und Leitartikler ticken so nicht, in diesem Fall einer namens Markus Decker in jenem Regionalblatt.

Jemanden am Reden hindern ist Ausüben von Gewalt

Eine links-grüne Mainstream-Gazette wie die Frankfurter Rundschau (FR) will weismachen, dass de Maizière in Göttingen am Reden verhindert worden ist, sei keine Gewalt gewesen: „Zu keiner Zeit gab es Gewalt, es war eine friedliche Protestaktion.“ Ach, nee. Friedlich? Obwohl das Blatt zugleich berichtet „Linke Aktivist*innen hatten die Eingänge zum Alten Rathaus in Göttingen blockiert“? Jemanden durch Blockieren am Reden hindern ist Ausüben von Gewalt. Aber die FR schreibt unbeirrt: „Es ist dreist und eine Gefahr für die Demokratie, wie nun von rechten Kräften versucht wird, die antifaschistische Aktion als gewalttätig und rechtswidrig darzustellen.“ Peter Altmaier (CDU) und Wolfgang Kubicki hatten die Blockade gegen de Maizière als „eine unerhörte Missachtung von Recht und Person, die wir nicht hinnehmen dürfen“ und als „rechtswidrige Aktionen“ verurteilt. Die FR ficht das nicht an: „Beide Politiker verdrehen eine antifaschistische Protestaktion zu einem Rechtsbruch und bedienen so das Narrativ der ‚bösen’ Linken.“ (Der FR-Bericht hier). Und was ist Niederbrüllen, wie es Lucke in Hamburg passierte? Ist das keine Gewalt? Es ist Gewalt.

Auch noch so lautere Motive erlauben es nicht, die Rechtsordnung zu brechen

Im „Kampf gegen „Rechts“ erlauben sich Linke, Grüne und ihre Extremen wie die Antifa immer wieder mehr als rechtlich erlaubt ist. Der Bundestag hat am 23. Oktober anlässlich der Fälle Lucke, de Maizière und Lindner auf Antrag der FDP in einer Aktuellen Stunde über „Meinungsfreiheit in Deutschland“ debattiert. Die Debatte eingeleitet hat Wolfgang Kubicki (FDP). Seine Rede enthält, was zu sagen nötig ist, unter anderem dies: „Es ist Aufgabe des Bundestages, deutlich zu machen, dass wir Rechtsbrüche im politischen Meinungskampf nicht tolerieren, nicht gutheißen, dass es keine klammheimliche Freude gibt, dass wir solche Sachen klar verurteilen, egal, welche Person oder Parteizentrale gerade angegriffen wird. Keine Ideologie, keine Überzeugung kann für sich Anspruch nehmen, dass sie über dem Gesetz steht. Kein Motiv kann so lauter sein, dass es unsere Rechtsordnung brechen darf. Artikel 1 unseres Grundgesetzes muss die unumstößliche Grundlage für die politische Auseinandersetzung sein.“ Kubickis ganze Rede hier. Unter diesem Link sind auch die Reden der übrigen Abgeordneten aufrufbar. Für die AfD-Bundestagsfraktion sprach Marc Jongen: „Eine Zensur findet wieder statt.“ Seine ganze Rede hier.

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  *) Lübecker Nachrichten (LN) vom 25. Oktober 2019, Seite 2.

**) Lübecker Nachrichten (LN) vom 25. Oktober 2019, Seite 4.

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