Ein Plädoyer für die Menschen, die ihr weichen müssen – Der Hambacher Forst als Waffe – Die vier beteiligten Gruppen: die Umweltschutz-Fanatiker, die Braunkohle-Beschäftigten, die Bürger, die Heimatvertriebenen – Die Übergangslösung
Kohle ja oder nein? Zwei Gruppen bekämpfen sich. Die eine Gruppe sind fanatische und gesetzbrechende Umweltschützer. Sie hat zu einem Symbol für ihren Kampf den Hambacher Forst gemacht. Und zu einem energiepolitischen Brennpunkt. Sie will die Stromerzeugung durch das Verbrennen von Kohle beenden, die CO2-Emission verhindern, auf diese Weise das Klima schützen, also auch den Abbau von Braunkohle im Hambacher Revier stoppen. Dieser Forst ist ihre Waffe.
Die andere Gruppe sind die Braunkohle-Beschäftigten mit ihrer Gewerkschaft sowie das Unternehmen RWE. Der Forst steht ihnen im Weg. Er ist ohnehin nur noch ein kläglicher Rest. Mit einer Großkundgebung hat sich nun auch diese zweite Gruppe aufgerafft, in die Öffentlichkeit zu gehen.
Eine dritte Gruppe sind die Bürger. Sie steht teils auf Seiten der ersten Gruppe, teils auf Seiten der zweiten, ist also gespalten. Aber eines haben ihre Mitglieder gemeinsam: Sie fühlen sich als Opfer – entweder als Umweltgeschädigte (schon wieder wird ein Waldstück niedergehauen) oder als geschädigte Stromverbraucher, weil ohne Braunkohle die Versorgung mit Strom deutlich weniger verlässlich und kostengünstig ist und Kernkraft die Braunkohle in Deutschland nicht mehr ersetzen darf.
Die Menschen, die wegen der Braunkohle ihre Heimat verlieren, stehen allein
So gut wie gar nicht jedoch macht eine vierte Gruppe von sich reden. Auch die Medien nehmen sie kaum in den Blick, jedenfalls nicht überregional. Sie scheint vergessen. Man setzt sich über sie hinweg. Es sind die vielen zigtausend Menschen, die der Braunkohletagebau unerbittlich mit gesetzlichem Zwang aus ihrer Heimat vertreibt, ihre Wohnhäuser zerstört, ihre Gärten, Parks, Kirchen, alles andere Liebgewordene, Unwiederbringliche vernichtet und sie woanders hin umsiedelt. Hat man je vernommen, dass s i e demonstriert und protestiert hat? Dass sich jemand für s i e einsetzt? Widerstandslos, als habe es ja doch keinen Zweck, scheint sie ihr Schicksal ergeben hinzunehmen. Für sie aufzustehen, für sie zur Demo aufzurufen und sich gegen deren Schicksal aufzulehnen, wäre, um den Braunkohletagebau in Deutschland zu beenden, verständlicher und sinnvoller.
Die Botschaft der Umweltschutz-Fanatiker lautet Klimaschutz, nicht Heimatschutz
Man könnte meinen, die von der Braunkohle Vertriebenen stünden doch gar nicht so ganz allein, sondern hätten als Unterstützer immerhin jene Umweltschutz-Fanatiker auf ihrer Seite, die – jetzt mit dem Hambacher Forst als Waffe – gegen die Braunkohle insgesamt zu Felde ziehen. Aber deren erklärtes Ziel ist nicht der Heimatschutz für die Menschen, die dem „Abkohlen“ weichen müssen, sondern die Vernichtung eines vorgeblichen Schadstoffs für das Klima, des anthropogenen Kohlendioxids. Klimaschutz ist ihre Botschaft und das Durchsetzen der Energiewendepolitik, nicht das Entwurzeln von Menschen zu verhindern. Es ist die falsche Botschaft. Und die wird mit einer Besessenheit transportiert, die rationalen Überlegungen und Widerlegungen unzugänglich ist. Weil das so ist, muss diese Besessenheit andere Gründe haben, die ich an dieser Stelle aber nicht noch einmal beleuchten will.
Die Braunkohle im Boden lassen, bis sie wirklich einmal gebraucht werden sollte
Die Begründung, warum an der Braunkohle festgehalten wird, ist bekannt: Sie ist der einzige nennenswerte Energierohstoff, den das rohstoffarme Deutschland hat. Sie ist trotz der Kosten für das Zerstören von Ortschaften, Landschaften und Kulturgütern sowie für die Umsiedlung und Renaturierung relativ preisgünstig. Sie macht Deutschland in der Energieversorgung weniger abhängig. Aber abhängig von Energierohstoffen von außerhalb ist Deutschland ohnehin. Doch diese Versorgung durch Import ist trotz aller politischer Verstrickungen und Krisen immer sicher gewesen. Selbst das kommunistische Russland hat im Kalten Krieg vertragstreu dem Klassenfeind unverdrossen sein Erdöl geliefert, weil es Einnahmen brauchte. Erschwinglich ist importierte Energie ebenfalls. Zudem würde der von anderen Staaten beklagte Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz verringert. Es ist besser, die Braunkohle im Boden zu lassen und so lange aufzubewahren, bis wirklich einmal der Fall eintreten sollte, auf diese Eigenversorgung angewiesen zu sein. Gegenwärtig und auf absehbare Zeit ist Deutschland das nicht.
Die Übergangslösung
Warum also soll das Ausbaggern der Braunkohle immer so weitergehen? Warum noch mehr von dem zerstören, was über Jahrhunderte entstanden und gewachsen ist? Dort, wo jetzt noch gebaggert wird und für den folgenden Abbau schon alles freigeräumt ist, mag der Abbau bis zur „Auskohlung“ weitergehen. Dann sollte Schluss sein mit der Braunkohlegewinnung in Deutschland.
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Ergänzend möchte ich zitieren:
Der Braunkohle-Tagebau Hambach „betrifft die Gemeinden Niederzier, Kreis Düren, und Elsdorf, Rhein-Erft-Kreis. … Über 1000 Jahre alte Ortschaften wie Manheim müssen dem Tagebau weichen. … Der erste Bagger begann seine Arbeit am 15. Oktober 1978. Damit ging die Umsiedlung von Ortschaften einher und das größte Waldgebiet in der Jülicher Börde, der Bürgewald – bekannter als Hambacher Forst – wurde weitgehend gerodet. Am 17. Januar 1984 wurde die erste Braunkohle gefördert. Hambach ist … der größte Tagebau in Deutschland. … Der Tagebau fördert jährlich eine Abraummenge von 250 bis 300 Millionen Kubikmeter. Das Verhältnis von Abraum zu Kohle beträgt 6,2 : 1. Die geförderte Braunkohle wird über die Hambachbahn nach Bergheim–Auenheim und von dort aus weiter über die Nord-Süd-Bahn zu den Kraftwerken Niederaußem, Neurath, Frimmersdorf und Goldenberg bei Hürth-Knapsack transportiert. Der Abraum wurde bis zum 16. April 2009 z. T. per Band zum Tagebau Bergheim befördert, der bereits ausgekohlt ist und deshalb verkippt wurde und rekultiviert wird. Weithin sichtbares Markenzeichen des Tagebaus ist die Hochkippe Sophienhöhe, sie gilt als größter künstlich angelegter Berg, der die ebene Bördenlandschaft um 200 Meter überragt. Seit 2013 wird die Tagebaufläche südöstlich erweitert. Dazu werden die Ortschaften Morschenich und Manheim umgesiedelt. Die Autobahn A 4 und die Hambachbahn, über die der Transport der Braunkohle zu den Kraftwerken geschieht, wurden um rund drei Kilometer nach Süden parallel zur Eisenbahnstrecke Köln–Aachen verlegt. Außerdem wurde ein kleines Stück der Bundesstraße 477 Richtung Osten verlegt.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Tagebau_Hambach).
Widerstand kam anfangs von der Hambach-Gruppe. Sie „war eine 1977 gegründete Initiative von jungen Wissenschaftlern der RWTH Aachen, die sich kritisch mit Braunkohleabbau und dessen Folgen beschäftigte; beispielsweise dem Aufkauf und Abriss von Ortschaften durch den Tagebau und somit der Vertreibung der dort ansässigen Bewohner. Von 1984 bis 1985 war der spätere Politiker Rüdiger Sagel Geschäftsführer dieser Bürgerinitiative in Aachen. Ihre Aktivitäten endeten vor 1990. (Quelle ebenda)
„Ortschaften werden als abgebaggert bezeichnet, wenn ein Tagebau, z. B. Braunkohle, auf besiedeltes Gebiet ausgedehnt wurde und man sich dazu entschloss, darauf befindliches Siedlungsgebiet abzureißen, um die darunterliegende Braunkohle fördern zu können. Die Tagebaue in Deutschland sind in der Liste deutscher Braunkohletagebaue dargestellt. Von einer ‚Überbaggerung’ wird gesprochen, wenn über der ehemaligen Ortslage Abraumhalden entstehen. Ein Beispiel hierfür ist die Sophienhöhe über der ehemaligen Ortslage Lich-Steinstraß (Tagebau Hambach). Insgesamt wurden in Deutschland alleine für den Braunkohlebergbau mehr als 300 Siedlungen devastiert und ca. 100.000 Menschen umgesiedelt.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_abgebaggerter_Ortschaften).
„Braunkohle zerstört ganze Landstriche und lässt Dörfer, Wiesen und Wälder verschwinden In Deutschland kommt besonders viel Braunkohle in der Erde vor: Auf 40 Milliarden Tonnen werden die Reserven in Deutschland geschätzt. Das reicht, um Strom bis ins Jahr 2050 gewinnen zu können. Um an die Reserven zu kommen, graben gigantische Bagger riesige Löcher in die Erde. Dafür werden nicht nur Wälder und Wiesen zerstört, sondern auch ganze Dörfer abgerissen. Siedlungen werden mitsamt Schützen- und Karnevalsverein umgezogen. Mehr als 300 Siedlungen mit insgesamt rund 100.000 Menschen wurden deutschlandweit schon für das Geschäft mit der Kohle entwurzelt – viele von ihnen unfreiwillig. Ein enormer Flächenverbrauch, der jahrhunderte alte Wälder und Ortschaften schluckt – wie das Beispiel des Hambacher Forst zeigt. Zwar werden die Gebiete später wieder renaturiert, viele Flächen sind aber für immer geschädigt. Die Renaturierung ist außerdem oft teuer und langwierig.“ (Quelle: https://utopia.de/ratgeber/gruende-warum-nichts-die-umwelt-so-radikal-zerstoert-wie-braunkohle/)
„Vom Braunkohle-Tagebau zerstörte Landschaften sind für immer verloren. Die Löcher, die der Braunkohleabbau in der Erde hinterlässt, sind gigantisch. Das Loch beim Hambacher Forst gilt als das größte Deutschlands: Mit 85 Quadratkilometer ist seine Fläche etwa halb so groß, wie das Land Liechtenstein (160 Quadratkilometer). Auf Satellitenaufnahmen sieht man deutlich, wie immens der Eingriff in die Natur ist: Die Fläche erinnert an eine Mondlandschaft, auf der keine Pflanze wachsen kann. Die riesigen Restlöcher werden zur Renaturierung über Jahrzehnte künstlich mit Wasser befüllt, anstelle fruchtbarer Böden entstehen Kultursubstrate, deren landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten dauerhaft eingeschränkt sind, schreibt der BUND hier. Auch die bauliche Nutzbarkeit ist auf absehbare Zeit deutlich eingeschränkt, weil die Flächen nicht stabil sind.“ (Quelle ebenda)