Die Stadt Lübeck verweigert AfD-Kandidaten bei der Kommunalwahl den Schutz ihrer Wohnanschrift – Die Kenntnis von dieser Anschrift erleichtert extremistische Gewalttätigkeiten gegen die Kandidaten – Ein Gerichtsbeschluss, der zu weiteren Gewalttaten ermuntert und AfD-Aktive zu einer Art Freiwild macht – Die Folge des Beschlusses: Kandidatur zurückgezogen, AfD-Wahlchancen in Lübeck verringert – Eine Fallschilderung
Müssen Sie befürchten, dass linke oder rechte Extremisten ihr Haus beschmieren? Haben Sie Angst, dass diese Gewalttäter ihr vorm Haus geparktes Auto zerkratzen oder dessen Reifen zerstechen? Haben sie die Sorge, dass solche Typen mit vielen anderen Extremisten randalierend vor ihrem Haus aufkreuzen zur Demo gegen Sie und sich dann ihre Nachbarn fragen, was Sie wohl für ein schlimmer Mensch sind? Gesetzt den Fall, diese Furcht bestünde zu Recht, würden Sie dann Straße und Hausnummer öffentlich bekanntgemacht sehen wollen, wo genau Sie wohnen? Natürlich wollen Sie das nicht. Aber was machen Sie, wenn eine Behörde Ihrer Stadt ebendas trotzdem tun will? Klar, Sie wehren sich dagegen und beantragen eine Auskunftssperre. Kandidaten der AfD für die Kommunalwahl haben das getan. Paragraph 51 des Bundesmeldegesetzes sieht so etwas ausdrücklich vor. Was, glauben Sie, war das Ergebnis?
Richtig: Die beantragte Auskunftssperre zur Wohnanschrift wurde verweigert. Davon betroffen sind Mitglieder der AfD, die bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai als Kandidaten antreten für das Lübecker Stadtparlament, hier Bürgerschaft genannt. Warum wurde die Auskunftssperre beantragt? Wenn der Wahlleiter die Namen der Kandidaten aller Parteien veröffentlicht, die sich um Sitze in der Bürgerschaft bewerben, muss er auch deren Wohnanschrift nennen. Das ist für die Kandidaten normalerweise kein Problem, wohl aber im Fall der AfD. Vor allem Kandidaten dieser neuen Partei müssen dort, wo sie wohnen, mit Vandalismus, Belästigungen und Bedrohungen rechnen, wenn ihre Adresse bekannt wird. Diese Gefahr ist nicht grundlos, sondern sehr realistisch.
Eine akute Bedrohung
Dass die AfD und ihre Mitglieder bedroht sind, ist bundesweit bekannt. Auch in Schleswig-Holstein sind sie es. Das geht eindeutig aus dem Verfassungsschutzbericht 2016 der Landesregierung hervor (hier, insbesondere auf den Seiten 92 ff.). Auch sind etliche AfD-Mitglieder ebenso wie die AfD-Geschäftsstelle in Kiel schon mehrfach Opfer linksextremistischer Straftaten geworden. Eine Liste mit zehn Beispielen solcher Angriffe (mit Datum, Sachverhalt und Quelle) war dem Antrag auf Auskunftssperre beigefügt, wenn auch nicht mit sämtlichen, weit zahlreicheren Fällen. Diese akute Bedrohung rechtfertigt eine Auskunftssperre nicht nur, sondern macht sie für die Behörde zur gesetzlichen Pflicht.
Anstelle der Wohnanschrift würde eine Erreichbarkeitsanschrift genügen
An die Stelle der Wohnanschrift tritt dann eine Anschrift, unter der die Kandidaten erreichbar sind. So sieht es die Gemeinde- und Kreiswahlordnung vor: „Weist eine Bewerberin oder ein Bewerber bis zum Ablauf der Einreichungsfrist gegenüber der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter nach, dass für sie oder ihn im Melderegister eine Auskunftssperre gemäß § 51 Absatz 1 des Bundesmeldegesetzes eingetragen ist, ist anstelle ihrer oder seiner Anschrift (Hauptwohnung) eine Erreichbarkeitsanschrift zu verwenden.“ (Paragraph 31 Absatz 1 Satz 3 GKWO). Für die AfD-Kandidaten wäre die Erreichbarkeitsadresse die Anschrift der AfD-Landesgeschäftsstelle in Kiel.
Die Pflicht der Meldebehörde zur Auskunftssperre
Nach Paragraph 51 Absatz 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann.
Ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts von 2017
Ob aus der politischen Tätigkeit für die AfD eine solche Gefahr droht, lässt sich abstrakt für die AfD-Zugehörigkeit nachweisen und damit zugleich für jeden Angehörigen dieser Gruppe feststellen. In einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Februar 2017 heißt es sinngemäß: Die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe könne die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister rechtfertigen, wenn aufgrund von in Einzelfällen verwirklichten Gefährdungen im Sinne jenes Paragraphen 51 der Schluss gezogen werden könne, dass sich alle Angehörigen der Gruppe in einer vergleichbaren Gefährdungslage befänden (Aktenzeichen 6 B 49/16).
Die Kenntnis von der Wohnanschrift erleichtert Gewalttätigkeiten von Extremisten
Es ist damit zu rechnen, dass sich das ohnehin vorhandene Gewalt- und Aggressionspotenzial linksextremistischer Aktivisten zur Kommunalwahl verstärkt und militante, strafbare Aktionen drohen. Folglich liegen die Voraussetzungen für eine Auskunftssperre allein aufgrund der Kandidatur für die AfD vor. Die Kenntnis von der Wohnanschrift erleichtert den Tätern die Angriffe erheblich, und die Meldeauskunft wird regelmäßig als vorrangiges Informationsmittel der Täter zur Planung der Angriffe genutzt. Durch die Melderegisterauskunft erwächst somit eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit, Eigentum, Ehre und ähnliche schutzwürdige Interessen, weshalb eine Auskunftssperre zur Abwendung dieser Gefahr zwingend erforderlich ist.
Auskunftssperre beantragt, von der Behörde keine Antwort
Auf den schon am 18. Februar gestellten Antrag auf Auskunftsperre haben weder die Lübecker Meldestelle noch der damit befasste Senator überhaupt geantwortet und schon gar nicht entschieden. Dies hätte rechtzeitig vor dem 15. März geschehen müssen. Die zuständigen Sachbearbeiter in der Meldestelle waren noch nicht einmal telefonisch erreichbar, nahmen jedenfalls den Hörer nicht ab. Die Zeit drängte, denn bis zum 15. März musste der Wahlleiter über die Auskunftssperre informiert sein, damit er die Wohnadresse nicht mitveröffentlicht. Deshalb stellten zwei der Lübecker AfD-Bewerber um ein Bürgerschaftsmandat beim Verwaltungsgericht Schleswig am 12. März, also kurz vor Ablauf der Frist, per Fax einen Antrag auf einstweilige Anordnung:
Der Antrag beim Verwaltungsgericht auf einstweilige Anordnung
„Hiermit beantragen wir, mittels einstweiliger Anordnung der Stadt Lübeck und deren Meldestelle aufzugeben, die in § 51 Bundesmeldegesetz vorgesehene Auskunftssperre für unsere Wohnsitzanschrift zu vollziehen. Unsere Häuser und Wohngrundstücke sind durch strafbare Handlungen linksextremer Gruppierungen bedroht, wenn der Wahlleiter außer unserem Namen auch unsere Wohnanschriften öffentlich macht. Diesen Rechtsschutz benötigen auch fünfzehn andere AfD-Bürgerschaftskandidaten.“ Das Gericht reagierte umgehend ebenfalls per Fax, bestätigte den Eingang, nannte die zuständige Kammer und das Aktenzeichen. Eine erweiterte Begründung schickten die beiden Antragsteller an das Gericht am 13. Februar:
Das Gericht auf schon geschehene extremistische Straftaten abermals hingewiesen
„Die von uns gewünschte Auskunftssperre ist begründet mit den Angriffen auf Amtsträger, Kandidaten und Mitglieder der AfD, wie sie bereits geschehen und notorisch sind. Der Verfassungsschutzbericht der Landesregierung (unsere Anlage 3) schildert, was an Übergriffen und Straftaten durch linksextremistische Organisationen schon geschehen ist. Daher sind die AfD-Kandidaten und ihr Eigentum im kommunalen Wahlkamp massiv bedroht und gefährdet. Es ist für uns nicht nachvollziehbar und nicht hinnehmbar, dass sich eine Meldebehörde über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes hinwegsetzt. Akzeptable Begründungen, mit denen die Behörde meint, die Bedrohung ignorieren zu können, liegen uns nicht vor.“
Wann die Behörde zur Auskunftssperre verpflichtet ist
„Die im Verfassungsschutzbericht erwähnten Gefahren übertreffen die Anforderungen, die der Gesetzgeber in § 51 Bundesmeldegesetz als Schwelle für eine Auskunftssperre gesetzt hat, bei weitem. Danach ist die Meldebehörde zur Sperre verpflichtet. Im Gesetz heißt es: „Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen… hat die Meldebehörde … eine Auskunftssperre zu erteilen“. Es ist also nicht erforderlich, dass erst eine vollendete Tatsache vorliegen muss. Die Anforderungen nach dem Meldegesetz, die einer Auskunftssperre entgegenstehen, sind allein schon durch den Bericht des Verfassungsschutzes klar überschritten und lassen daran keinen Zweifel aufkommen.“
Das Verweigern der Auskunftssperre als Grund, die Kommunalwahl anzufechten
„Wenn die Meldebehörde bei diesem Sachverhalt die Auskunftssperre verweigert, bewirkt sie, dass die AfD-Kandidaten ihre Kandidatur zur Kommunalwahl wegen der persönlichen Bedrohung – und weil die Sicherheitsbehörden sie davor nicht schützen – zurückziehen. Damit greift sie entscheidend in die Kandidatenaufstellung einer Partei ein und beeinflusst die Kommunalwahl in unzulässiger Weise. Die Wahl anzufechten, wird dann notwendig werden und unweigerlich geschehen.“
Den Antrag einstweilige Anordnung abgelehnt
Das Verwaltungsgericht entschied am 14. März und schickte seinen Beschluss vorab per Fax noch am gleichen Tag zu. Den Antrag, die Auskunftssperre einstweilig anzuordnen, lehnte es ab. Zuvor (am 13. März) hatte es die Stadt Lübeck zur Stellungnahme aufgefordert. Und plötzlich reagierte diese mit ihrer Meldestelle prompt, ließ sich am 14. März zu einer längeren Begründung herbei und beantragte, den vorläufigen Rechtsschutz für die Auskunftssperre abzulehnen. Ein Anordnungsgrund für die Sperre liege zwar vor, aber es fehle an einem Anordnungsanspruch. Wörtlich schreibt die Stadt:
Die vom Gericht eingeholte Stellungnahme der Lübecker Behörde
Fraglich ist, ob allein aufgrund der Parteimitgliedschaft in der AfD und der beabsichtigten Kandidatur für die Kommunalwahl unter Berücksichtigung der Hinweise auf die zurückliegende Vorfälle gegenüber anderen Mitgliedern der AfD von einer solchen Gefahr ausgegangen werden kann: Nach der Rechtsprechung des BVerwG hängt die Frage, ob eine Gefahr im Sinne des § 51 Abs. 1 BMG vorliegt, grundsätzlich von den individuellen Verhältnissen der jeweiligen Person ab und lässt sich nur bezogen auf eine konkrete Person durch Darlegung ihrer Verhältnisse belegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.03.2016 – 6 B 11.6 – beck-online).“ Ob für eine bestimmte Gruppe eine Gefahr allein durch die Gruppenzugehörigkeit erwachsen könne, sei fraglich. Rechtsprechung hierzu ist im Hinblick auf bestimmte Gruppen von Politikern nicht ersichtlich. Entschieden habe das Gericht bisher nur in Bezug auf bestimmte Berufsgruppen, also nicht auf Politikergruppen, sprich Parteien.
Der Behörde reicht nicht aus, was an Straftaten schon geschehen ist
Die Stadt Lübeck argumentiert weiter: Wenn man diesen Maßstab auf die Gruppe der AfD-Wahlbewerber übertrüge, würde das bedeuten, dass eine gruppentypische Gefährdungslage durch statistische Angaben oder repräsentative Umfragen belegt werden müsste. Der vorgelegte Verfassungsschutzbericht 2016 reiche für eine solche Erhebung nicht aus, weil es sich nur um eine tabellarische Aufzählung einzelner Vorfälle in ganz Schleswig-Holstein handele. Dabei werde weder deutlich, wie verhältnismäßigen Häufigkeit diese Straftaten verübt wurden, noch könne ein Vergleich gezogen werden zu Vorkommnissen gegenüber Mitgliedern anderer Parteien. Laut Verfassungsschutzbericht habe es zwar Angriffe auf AfD-Politiker gegeben, es sei aber nicht nachvollziehbar, ob dies alle Politiker der AfD betroffen habe oder nur solche, die beispielsweise eine besondere Stellung in der AfD inne gehabt hätten.
Auch das Gericht sieht die Voraussetzungen für eine Sperre als nicht erfüllt an
Das Verwaltungsgericht Schleswig schließt sich dieser Ablehnungsbegründung im Wesentlichen an und sieht ebenfalls keine Anordnungsanspruch. Die Voraussetzungen für die Eintragung einer (vorläufigen) Auskunftssperre seien nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Grundsätzlich zwar könne es gefährdungsbegründend sein, wenn man AfD-Kandidat für ein Mandat sei, ohne dass eine individuelle konkrete Gefährdung geltend gemacht werden müsse. Aber dann beruft es sich ebenfalls wie die Stadt Lübeck auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2017, wonach die nötigen Voraussetzungen für die Sperre nach seiner Auffassung nicht erfüllt seien. Auf eben diesen Beschluss hatten sich auch die beiden Antragsteller berufen, ihn aber im gegenteiligen Sinn interpretiert.
Was das Gericht zwar einräumt, aber nicht für ausreichend hält
Das Verwaltungsgericht räumt anhand des Verfassungsschutzberichts zwar ein, dass es zu den dort geschilderten Vorfällen und Sachbeschädigungen gekommen ist, vertritt aber die Auffassung, deren Anzahl und Häufigkeit sei aber nicht so hoch, dass jeder einzelne Kandidat gefährdet sei. Das reiche nicht aus, „dass ausnahmsweise eine abstrakte Gefährdung für alle Kandidaten angenommen werden kann“. Gründe für eine konkrete und individuelle Gefährdung hätten die Antragsteller nicht vorgetragen. Allerdings ist das unter dem bestehenden Zeitdruck schnell genug gar nicht möglich gewesen.
Ein Gerichtsbeschluss, der zu weiteren Gewalttaten ermuntert und AfD-Aktive zu einer Art Freiwild macht
Ich selbst folgere daraus, dass AfD-Kandidaten so lange keinen rechtlichen Schutz für ihre Wohnanschrift bekommen, bis nicht noch mehr Gewalttaten gegen die AfD verübt worden sind und nicht auch sie selbst Opfer geworden sind, damit sie ihre „konkrete und individuelle Gefährdung“ begründen und belegen können. Ein Gerichtsbeschluss wie dieser muss für die extremistischen AfD-Gegner wie eine Ermunterung wirken, ihre Gewalttaten fortzusetzen. Damit werden AfD-Aktive – um es zugespitzt zu formulieren – für die politische Extremisten-Szene zu einer Art Freiwild gemacht. Dies umso mehr, als die Polizei der Täter in der Regel nicht habhaft wird und die Politiker der anderen Parteien zu diesem Treiben schweigen und den schweren Rechtsverletzungen eher mit heimlicher Genugtuung zusehen – treffen sie doch einen politischen Gegner, der ihnen Mandate und ansehnliche Einkünfte streitig macht sowie die deutsche Politik wieder vom Kopf auf die Füße stellen will.
Folge des Beschlusses: Kandidatur zurückgezogen, AfD-Wahlchancen in Lübeck verringert
Nach diesem Gerichtsbeschluss haben sechs Kandidaten der AfD Lübeck ihre Kandidatur zurückgezogen, darunter auch die beiden Antragsteller, die vor dem Verwaltungsgericht unterlagen. Damit kann die AfD Lübeck von den 25 Wahlkreisen nur 19 besetzen, sodass ihre Wahlchancen damit verringert werden. Demokratie im Deutschland von heute. Auch wenn weit Schlimmeres als dieser Gerichtsbeschluss zu beanstanden ist.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe regelmäßig nicht ausreichend, um die Eintragung einer Auskunftssperre nach § 51 Abs. 1 BMG zu begehren. Vielmehr kommt es auf die individuellen Verhältnisse des Antragstellers an, z.B. eine konkret ausgeübte berufliche Tätigkeit und die damit für ihn verbundenen Gefährdungen. Ausnahmsweise, so das Gericht in seinem Beschluss von 2017, kann bereits die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe – hier der AfD – abstrakt die Eintragung einer Auskunftssperre rechtfertigen, wenn “aufgrund von in Einzelfällen verwirklichten Gefährdungen der Schluss gezogen werden kann, dass alle Angehörigen der Berufsgruppe sich in einer vergleichbaren Gefährdungslage befinden. Hierzu reicht die Feststellung einzelner Vorfälle nicht aus. Die Vorfälle müssen in einer Anzahl und Häufigkeit auftreten, das der Schluss berechtigt ist, jeder Angehörige der jeweiligen Berufsgruppe sei einer berufstypischen Gefährdung ausgesetzt.”
Insoweit ist die Schlussfolgerung des Autors, dass die Zahl der bislang verübten Gewalttaten gegen AfD-Politiker bislang offenbar nicht ausreichend sei, um einen abstrakten, aus der bloßen (aktiven) Mitgliedschaft in der AfD abgeleiteten Gefährdungstatbestand i. S. d. § 51 Abs. 1 BMG abzuleiten, durchaus zutreffend.
Die Hürden für die Eintragung einer Auskunftssperre sind im deutschen Melderecht schon immer sehr hoch gewesen. Das galt bereits unter der Ägide des bis 31.10.2015 einschlägigen Melderechtsrahmengesetzes und den daraus abgeleiteten Meldegesetzen der Länder.
Es gibt neben dem § 51 Abs. 1 BMG aber eine weitere Anspruchsgrundlage, die im vorliegenden Fall geltend gemacht werde könnte, und zwar § 8 BMG. Hier heißt es:
“Schutzwürdige Interessen der betroffenen Person dürfen durch die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten nicht beeinträchtigt werden. Schutzwürdige Interessen werden insbesondere beeinträchtigt, wenn die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung, gemessen an ihrer Eignung und ihrer Erforderlichkeit zu dem vorgesehenen Zweck, die betroffene Person unverhältnismäßig belastet.”
Wichtigstes Anwendungsfeld der Norm ist die Melderegisterauskunft nach § 44 Abs. 1 BMG bzw. § 49 Abs. 2 BMG (Melderegisterauskunft via Internetabruf). Diese Vorschrift wird von den Meldebehörden gerne unter den Teppich gekehrt. Es wird argumentiert, dass bei etwa 60 Millionen Melderegisterregisterauskünften, die im Jahr bundesweit erteilt werden, keine Einzelfallprüfung möglich sei.
Die Pflicht zur Prüfung trifft die Meldebehörde aber jedenfalls dann, wenn ihr konkrete Hinweise vorliegen, dass schutzwürdige Interessen eines Einwohners durch die Erteilung einer Melderegisterauskunft gefährdet sein können. Im vorliegenden Fall hätte der AfD-Politiker also auf seine Kandidatur für die Partei sowie Angriffe von Extremisten auf andere AfD-Mitglieder in der Vergangenheit hinweisen können. Die Meldebehörde müsste dann Anträge auf Erteilung einer Melderegisterauskunft zu seiner Person besonders prüfen, dürfte seine Daten also nicht einfach schematisch an einen Antragsteller übermitteln.
Die Anforderungen, die eine Prüfpflicht nach § 8 BMG auslösen, sind deutlich niedriger als bei der Auskunftssperre nach § 51 BMG, weil § 8 BMG jedes schutzwürdige Interesse des Einwohners umfasst und nicht nur besonders hochrangige wie Leben, Gesundheit und persönliche Freiheit.
Davon unabhängig sollte man sehr viel grundsätzlicher der Frage nachgehen, ob die Melderegisterauskunft nach § 44 Abs. 1 BMG, also die praktisch bedingungslose Übermittlung der sogenannten melderechtlichen Grunddaten eines Einwohners (Name, Vorname, eventueller Doktortitel und aktuelle Anschrift) an private Einzelpersonen („jedermann“) noch dazu ohne Prüfung der Motive des Antragstellers, überhaupt mit dem Grundgesetz (Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art 2 Abs. 1 GG) sowie dem Europarecht (Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 7 Grundrechtecharta) vereinbar ist. Das gilt nicht nur mit Blick auf aktive Politiker, sondern alle Bürger, also 83 Millionen in Deutschland lebende Menschen. Das wäre auch politisch ein durchaus dankbares Thema für die AfD!
Hinweis an den Moderator: Versehentlich hatte ich meinen Beitrag zu früh abgeschickt, weshalb der Text unvermittelt abbrach. Deshalb mein Kommentar jetzt noch einmal und diesmal vollständig. Bitte das Erstposting löschen.
Das ist eine Methode um politsch Andersdenkende Mundtot zu machen. Das ist keine Demokratie sondern eine Diktatur. Die Freiheit der Andersdenkenden wird mit Füßen getreten. Was diese Leute immer der DDR vorwerfen, wird in Deutschland praktiziert.Hier wird bewußt linker Hass und Gewalt gefördert und die Bevölkerung gegeneinander aufgewiegelt.
@Dagmar Dümchen
Die Verweigerung von Auskunftssperren ist keine Methode, um politisch Andersdenkende mundtot zu machen. Das ist mir zu verschwörungstheoretisch. Auch für Polizisten und Mitarbeiter anderer Sicherheitsbehörden oder auch Bewährungshelfer wird, obwohl diese Personen aufgrund ihrer Tätigkeit regelmäßig Gefahr laufen, das Opfer von Anschlägen im Privatbereich zu werden, nur ausnahmsweise eine Auskunftssperre im Melderegister eingetragen, wenn der individuelle Nachweis einer persönlichen Gefährdung geführt wird. Diese Gefährdung muss zudem groß genug sein muss, um die hohe Schwelle des § 51 Abs. 1 BMG zu erreichen.
Der Grund für diese restriktive Handhabung, die übrigens nicht die Gerichte zu verantworten haben, sondern die der Gesetzgeber vorgibt, ist ein anderer: Es geht ums Geld! Pro Jahr werden in Deutschland etwa 60 Millionen Melderegisterauskünfte erteilt. Die Gebühr für eine Melderegisterauskunft ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich, im Bundesdurchschnitt sind es zwischen 5-6 Euro. Das macht also hochgerechnet Einnahmen von 300-360 Millionen Euro, die jährlich in die Kassen der Städte und Gemeinden fließen und zur Finanzierung der Kommunalverwaltungen beitragen. Um diese Einnahmen nicht zu gefährden, sollen die Anschriften möglichst aller Einwohner für jedermann frei abrufbar bleiben. Deshalb sind die Hürden für die Eintragung einer Auskunftssperre so hoch.
Trüge man beispielsweise für alle Politiker der AfD eine Auskunftssperre im Melderegister ein, dann würden natürlich auch Politiker anderer Parteien (z.B. Linke, Grüne) dasselbe für ihre Mitglieder fordern. Als nächstes kämen die bereits erwähnten Polizisten, Mitarbeiter von Sicherheiitsbehörden, der Justiz usw. Das wären dann Millionen von Personen, die durch eine Auskunftssperre geschützt wären und deren Anschriften von den Meldebehörden nicht mehr verkauft werden könnten. Die Einnahmeverluste wären erheblich. Das will der Staat im Interesse der Kommunen vermeiden. Nur darum geht es.
Die Melderegisterauskunft ist staatlicher Adressenhandel, der hinter schönfärberischen Floskeln versteckt wird. Dieser Adressenhandel wird auch unter der Ägide der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung weitergehen. Denn die legt zwar der Privatwirtschaft umfangreiche Pflichten zum Schutz personenbezogener Daten auf; Teile des öffentlichen Bereiches wurden aber mit Hilfe von Sonderklauseln ausgenommen, so auch das deutsche Meldewesen.
So viel zum Thema Datenschutz, der ja angeblich so wichtig ist, natürlich nur dann wenn es darum geht ein Drohpotential gegenüber harmnlosen Internetfirmen zu schaffen, damit deren Manager weniger bockig gegenüber der Umsetzung politisch korrekter Zensurmaßnahmen werden. Wenn Heuchelei tödlich wäre, hätte Deutschland die nächsten 100 Jahre kein Wohnungsproblem…