Das Sonnenfeuer auf die Erde holen

Strom erzeugen durch Kernfusion statt durch Kernspaltung – Die Kernenergie, die als sicher gilt – In Greifswald ist jüngst ein wichtiger Schritt gelungen – Teil des internationalen Iter-Projekts – Aber ehe Strom aus Kernfusion fließen kann, wird es noch lange dauern

Es geht um eine Energiequelle der Zukunft. Ist Stromerzeugung mit Kernfusion möglich, was mit Kernspaltung schon lange alltäglich geworden ist? Der Antwort auf diese Frage ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald jüngst einen Schritt näher gekommen. Dort hat man mit dem Zünden des ersten Plasmas am 10. Dezember die Kernfusionsanlage Wendelstein 7-X offiziell in Betrieb genommen. Was hat es damit auf sich?

Was die Vorteile sind

Das Schöne an der Kernfusion ist: Der Brennstoff ist nicht nur so gut wie unerschöpflich vorhanden, sondern auch (anders als Kohle, Erdöl, Erdgas, Uran) gleichmäßig über den Erdball verteilt, Das Schöne ist ferner die Sicherheit, die in dem Verfahren selbst liegt, weil es sich bei Störung selbst abschaltet. eine Kernschmelze oder was ihr vergleichbar wäre, ist hier physikalisch nicht möglich. Eine gefährliche, unkontrollierbare Kettenreaktion, wie sie bei der Kernspaltung (vom Kugelhaufenreaktor abgesehen) theoretisch passieren kann, ist damit ausgeschlossen. Auch gibt es keine Emissionen, und der radioaktive Abfall ist (als eine Folge der Aktivierung der Reaktorgefäßwände) deutlich geringer als bei Kernspaltungsreaktoren. Ferner sind die Halbwertzeiten in einem Fusionskraftwerk sehr viel niedriger als bei der Stromerzeugung durch Kernspaltung.

Eine irdische Kopie der Sonne, nur kleiner

Das beste Beispiel für die Kernfusion bietet die Sonne. Sie ist ein „gewaltiger Kernfusionsreaktor“, in der riesige Mengen Wasserstoff zu Helium verbrannt werden. Was in der Sonne stattfindet, soll auf der Erde gleichsam kopiert werden, um mit Hilfe dieser irdischen Kopie den künftigen Energiebedarf sicherzustellen. Es geht also, wie gern gesagt wird, darum, „das Sonnenfeuer auf die Erde zu holen“. Brennstoffe dafür sind die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium.

Warum die Kernverschmelzung so schwer ist

Der Fusionsreaktor Sonne allerdings verwendet normalen Wasserstoff. Im Aggregatzustand als heißes Plasma wird er dort durch den ungeheuren Druck wegen der Schwerkraft der Sonne zusammengehalten. In einem Fusionskraftwerk auf der Erde dagegen muss die Verschmelzung kontrolliert in einem geschlossenen Behälter ablaufen und das heiße Brennstoffgemisch in einen Magnetfeldkäfig eingeschlossen werden, um es von den Wänden des Vakuumsgefäßes fernzuhalten. Doch um die beiden Brennstoffe in diesem „Ofen“ zur Fusion, zur Verschmelzung ihrer Kerne zu bringen, muss die aus ihnen bestehende Plasma-Masse mehr als höllisch-heiß erhitzt werden, nämlich auf rund 100 Millionen Grad der Kelvin-Skala.

Mikrowellen als „Zündholz“ für die Fusion

Um sie auf diese Hitze zu entzünden, verwendet man als „Streichholz“ zum Beispiel elektromagnetische Wellen – das Prinzip entspricht dem des Mikrowellenherdes – und strahlt sie mit einem starken Sender auf das Wasserstoffgas-Brennstoffgemisch ein, wo sie dieses rasch ionisieren und auf hohe Temperaturen aufheizen. Um den Kernfusionsprozess zu starten, bedarf es eines solchen „Zündungsimpulses“ von nur wenigen Sekunden Dauer mit einer Heizleistung von typisch 10 Mega-Watt. Die Energie dafür liefert elektrischer Strom. Diese einmaligen 10 Mega-Watt stoßen dann einen Prozess an, der kontinuierlich 3000 Megawatt (3 Gigawatt) als thermische Leistung liefert und so lange läuft, bis man den Reaktor – zum Beispiel für Wartungsarbeiten – abschaltet. . Auch Radiowellen könnte man als Zündholz benutzen und ins Plasma hineinstrahlen. Oder beschleunigte Wasserstoffteilchen ins Plasma hineinschießen.

Deuterium und Tritium sollen zu Helium verschmelzen

Das Fusionskraftwerk soll Energie dadurch erzeugen, dass Deuterium- und Tritium-Kerne, zwei schwere Isotope des Wasserstoffs, zu Helium verschmelzen, so dass aus der Reaktionshitze die gewünschte Energie gewonnen wird. Von allen möglichen Verschmelzungsreaktionen, die für ein Fusionskraftwerk in Frage kommen, ergibt die Reaktion zwischen den beiden Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium die größte Energieausbeute bei der vergleichsweise niedrigsten Temperatur. Deuterium lässt sich aus Meerwasser gewinnen. Tritium wird aus dem Metall Lithium gewonnen, wobei geplant ist, es im Fusionskraftwerk selbst zu erzeugen.

Jubel der Wissenschaftler, als jetzt die Zündung gelang

Was Sie zur Erläuterung bis hierher gelesen haben, habe ich an dieser Stelle so bereits am 24. März 2011 dargestellt. Schon einige Jahre zuvor hatte ich Greifswald besucht und mir dort von einem leitenden Wissenschaftler (Prof. Dr. Hans-Jürgen Hartfuß) alles erklären lassen. Er hat mir damals auch bestätigt, dass ich das dort Erfahrene zutreffend wiedergegeben habe. Seinen wissenschaftlichen Vortrag „Wie misst man 100 Millionen Grad?“ finden Sie hier. Hartfuß ist inzwischen emeritiert, war aber am 10. August dabei, als die Zündung des ersten Plasmas gelang. In einem Zeitungsbericht war zu lesen: „Die Forscher haben die Sonne imitiert – jedenfalls für 50 Millisekunden.“ Wissenschaftler aus ganz Europa, aus Asien und den Vereinigten Staaten waren zu diesem Ereignis nach Greifswald gekommen, hatten gemeinsam gejubelt und die Sektgläser klingen lassen, als gelungen war, was gelingen sollte. Denn was in Greifswald gebaut und erforscht wird, ist Teil eines internationalen Vorhabens.

Das riesige Iter-Projekt

Es handelt sich um das riesige Projekt International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER). Gemeinsam betrieben und finanziert wird es von sieben Partnern gemeinsam: China, Europäischer Union, Indien, Japan, Russland, Südkorea und den Vereinigten Staaten und durch deren Forschungskapazitäten ins Werk gesetzt. Kanada ist seit 2004 nicht mehr dabei (hier). Europa soll nach den Vereinbarungen 45 Prozent der Investitionskosten tragen, die übrigen Partner je 9 Prozent. Nach Auskunft seinerzeit aus Greifswald stellen die Partner diese Beiträge nicht in Form von Barmitteln zur Verfügung, sondern als Sachleistung, als fertige Bauteile. ITER steht auch für das lateinische Wort für Weg (iter) – als der oder ein Weg in eine sichere Versorgung mit elektrischem Strom.

Den Anstoß zu Iter gaben Gorbatschow und Reagan

Initiatoren für Iter sind 1988 nach dem Ende des Kalten Krieges gemeinsam die Präsidenten Gorbatschow (Sowjetunion) und Reagan (Vereinigte Staaten) gewesen. Die erste „Design-Phase“ lief von 1992 bis 1998. An ihr waren die Vereinigten Staaten, Russland, Japan und die Europäische Union beteiligt. 1998 haben sich die Vereinigten Staaten zunächst von der weiteren Zusammenarbeit zurückgezogen. Dann kam es zu einer Um- und Neukonstruktion, verbunden mit einer deutlichen Kostensenkung. Nach einer weiteren Einigung 2006 übernahm die EU 45 Prozent der Kosten. Dafür durfte der Reaktor in Europa, in Cadarache, errichtet werden, gleich neben dem französischen Kernforschungszentrum. 2008 fand der erste Spatenstich statt.

Aber ehe Strom aus Kernfusion fließen kann, wird es noch lange dauern

In einem anderen Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, im bayrischen Garching, wird die Fusionsanlage Tokamak Asdex Upgrade betrieben. Sie ist 1991 in Betrieb gegangen (siehe hier). Im Greifswalder Institut handelt es sich mit Wendelstein 7-X um den Bautyp Stellarator. International ist dies nach Institutsangaben – neben einer Anlage in Japan – die größte und modernste Konstruktion dieses Typs. Ihr Leiter ist Prof. Dr. Thomas Klinger (hier). Doch ehe Strom aus Kernfusion wirklich fließen kann, wird es noch dauern. Sibylle Günter, wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts mit Hauptsitz in München, schätzt, bis dahin würden noch rund 35 Jahre vergehen. Das entspricht der bisherigen Planung – falls alle bis dahin noch nötigen Experimente und Vorstufen ohne Rückschläge geglückt sind.. Konkrete Planungen für die kommerzielle Nutzung von Kernfusionsstrom gibt es noch gar nicht.

PS. Einen Bericht der FAZ-Online zur Fusionsanlage Wendelstein X-7 siehe hier. In ihrer Druckausgabe hat die FAZ am 11. Dezember hier berichtet.

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Ein Kommentar zu „Das Sonnenfeuer auf die Erde holen“

  1. Der Physiker Dr. Ulrich Steiner hat mich zur Ergänzung auf Folgendes aufmerksam gemacht:

    „Sie machen dazu keine Aussage, aber nach meinen Kenntnissen wird nie versucht werden, im Wendelstein Energie zu erzeugen, weil diverse bauliche Vorrichtungen fehlen. Ob ITER das je bringen wird, bezweifle ich. Schon damals, bei meiner Diplomarbeit Anfang der 1970er Jahre, war die Kernfusion „30 Jahre entfernt“. Und so ist es Jahr für Jahr geblieben. Ihr letzter Absatz bestätigt das noch einmal.

    Ihre Aussage, dass allein der Kugelhaufenreaktor SuperGAU-sicher ist, ist aber eine Aussage, die man so nicht machen kann. In der neuen „Generation IV“ der Spaltungsreaktoren gibt es zumindest mehrere (sogar alle?) die prinzipbedingt nicht durchgehen können. Das Berliner Institut für Festkörper Kernphysik (http://dual-fluid-reaktor.de) – wurde auf der kürzlichen EIKE-Klimatagung in Essen als Vortrag präsentiert – hat Konzepte zum DualFluid Reaktor entwickelt, die funktionieren könnten. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass man bisherigen nuklearen Abfall ’nuklear verbrennen‘ kann, und das Lagerproblem von Millionen Jahren auf hunderte Jahre reduziert. Vermutlich scheitert das aber an exorbitanten Entwicklungskosten (die aber nur ein Bruchteil der ITER-Kosten und ein noch kleinerer Bruchteil der EEG-Kosten wären).“

    Klaus Peter Krause

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