Her mit der Deflation

Mit ihr wären Sparer und Verbraucher besser dran. Aber es wird Angst gegen sie geschürt, als sei sie eine Pest. Dabei ist sie für das Bewältigen der Euro- und Schuldenkrise ein notwendiges Durchgangsstadium

Inflation ist gut, jedenfalls ein bisschen davon. Deflation ist schlecht, aber noch nicht mal ein bisschen davon. Das ist die Haltung nahezu aller Politiker und Finanzakteure, auch die Haltung zu vieler Ökonomen. Was an der Deflation ist eigentlich so schrecklich? Mich hat schon lange aufgeregt, dass alle diese (geld- und finanzpolitisch nicht unmaßgeblichen) Experten für eine Inflation von bis zu 2 Prozent als „Ziel“ eintraten und eintreten und dies als Stabilitätspolitik ausgeben. Inflation als „Ziel“ ist wirklich irre. Aber warum?

Ein schmieriges Mittel: die Inflation

Kurz gesagt: Die genannten Herrschaften sehen Inflation als Schmieröl, um den Wirtschaftsmotor auf vollen Touren zu halten, also als Schmiermittel für das wirtschaftliche Wachstum. Und wie bewerkstelligen sie das? Die Geldmenge (die Ausstattung der Volkswirtschaft, ihrer Unternehmen und ihrer Menschen mit Geld) muss etwas stärker zunehmen als die Wirtschaftsleistung, das Bruttosozialprodukt. Dann, so die Vorstellung, hat das Volk Beschäftigung, also bezahlte Arbeit, die Wirtschaft steigende Nachfrage und der Fiskus steigende Einnahmen, nämlich aus den Steuern auf Umsatz, Einkommen und sonstigen Erträgen, die an eine Wirtschaftsleistung gekoppelt sind.

Woher das Geld kommt

Zur Verfügung gestellt wird das Geld von der Zentralbank und den Banken als Kredit. Jeder in Anspruch genommene Kredit weitet die Geldmenge aus. Es ist Schuldgeld, geschaffen aus dem Nichts, und es ist zu verzinsen: von Banken gegenüber der Zentralbank, von Unternehmen und Privatleuten gegenüber den Banken. Das Zinsniveau legt die Zentralbank fest. Doch kann die planmäßige Überversorgung mit Geld zwecks „Inflationsziel“ aus dem Ruder laufen; eine solche Steuerung der Geldmenge ist nicht immer perfekt möglich.

Wenn zuviel geschmiert wird

Wird die Geldmenge, gemessen an der Wirtschaftsleistung, zu stark ausgeweitet, also zu viel geschmiert wird, sind Preissteigerungen die Folge, zunächst nur an einigen Märkten (zum Beispiel Immobilien, Aktien). Es entstehen Preisblasen. Viele andere Märkte, vielleicht alle, ziehen allmählich nach. Das „Inflationsziel“ von 2 Prozent wird überschritten. Wenn dann, weil das nicht sein soll, die Zentralbank die Geldmenge entsprechend stark zurückfährt, der Wirtschaft also das überschüssige Geld wieder entzieht, um die zu hohe Inflationsrate wieder einzufangen, platzen die Blasen, die Preise an den Märkten fallen. Es kommt zur Deflation. Über den Zusammenhang von Deflation und Inflation hier.

Wie Angst geschürt wird

Die Verbraucher und Sparer freuen sich, wenn die Preise fallen, aber die besagten Experten schüren Angst davor. Deren Argumentation: Wenn die Menschen merkten, wie die Preise von Waren, Finanzprodukten und Dienstleistungen (Güterpreise) unter Druck gerieten, dann rechneten sie damit, dass diese Güter zu späterer Zeit noch billiger zu erwerben seien. Also hielten sie sich mit ihrer Nachfrage zurück, schöben geplante Käufe hinaus, warteten weitere Preissenkungen ab. Und die Unternehmen würden ebenfalls abwarten und Investitionen aufschieben. Folglich gerieten wegen mangelnder Nachfrage auch die Investitionsgüterpreise unter Druck. So werde eine schwer aufhaltbare Deflationsspirale in Gang gesetzt, das Wirtschaftswachstum breche ein, eine wirtschaftliche Depression sei die Folge.

Warum die Zinssätze so extrem niedrig sind

Jetzt, in der Finanz- und Schuldenkrise von Banken und Staaten in der Euro-Währungsunion, stellen die Europäische Zentralbank (EZB) und in ihrem Gefolge die Banken dieses Kreditgeld besonders billig zur Verfügung (extreme Niedrigzinspolitik, bis dicht an die Nullgrenze). Das billige Geld soll zu Investitionen ermuntern, dadurch die realwirtschaftliche Güternachfrage steigern, also die Konjunktur ankurbeln und die überschuldeten Staaten retten helfen, nämlich vor zu hoher Zinslast bewahren und ihnen, wenn das Konjunkturankurbeln gelingt, zu steigenden Steuereinnahmen verhelfen.

Wie die Geldmenge hochgetrieben wurde

Verschafft haben sich die Staaten das Geld durch die Ausgabe von Staatsanleihen und sich damit überschuldet. Die Staatsanleihen gekauft haben Banken, institutionelle Geldanleger (z.B. Versicherungen, Altersversorgungwerke, Fondsgesellschaften) und Privatleute (Sparer). Banken, die bedroht sind von Zahlungsunfähigkeit, müssen sehen, dass sie die Staatsanleihen wieder loswerden. Aber bei wem? Und vor dem bankrott stehende Staaten, die Geld brauchen, begeben neue Staatsanleihen. Aber wer kauft sie? Es ist die Zentralbank. Um Banken und Staaten vor Zahlungsunfähigkeit und Bankrott zu bewahren, hat die EZB diese mit neuem Kreditgeld versorgt und dafür massenweise deren Schuldpapiere in Zahlung genommen. Diese Liquiditätsflut hat die Geldmenge in die Höhe getrieben.

Deflation beschworen, als sei sie eine Pest

Noch schlägt sich das Fluten mit Geld in den deutschen Verbraucherpreisen, jedenfalls gemessen an der amtlichen Inflations- und Teuerungsrate,*) nicht nieder, nur in den Preisen für Vermögensgüter. Doch das wird noch kommen, wenn die EZB die überschießende Geldmenge nicht zurückholt und mit der Niedrigzinspolitik Schluss macht, denn Niedrigzinspolitik ist (wie Inflation) ein schleichender Vermögensraub (siehe hier). Das aber will und wird die EZB noch lange nicht tun, denn auch sie beschwört die Gefahr der Deflation geradezu als sei sie eine Pest. Sie tut es, weil das auch die Staaten, die Banken und die anderen Finanzakteure tun.

Inflation versus Deflation: Wer gewinnt und wer verliert

Warum Pest? Weil die drei genannten Gruppen bei Deflation einiges verlieren. Denn wie eine Inflation hat auch eine Deflation stets Gewinner und Verlierer. Bei Inflation steht der Staat, stehen die Banken und die anderen Finanzakteure auf der Gewinnerseite, die Verbraucher und Sparer auf der Seite der Verlierer. Bei Deflation ist es umgekehrt. In beiden Fällen kommt es zur Umverteilung von Vermögen: bei Inflation von Verbrauchern und Sparern zum Staat und zur „Finanzindustrie“, bei Deflation wiederum umgekehrt. Das erklärt auch, warum IWF-Chefin Christine Lagarde die EZB neulich aufgefordert hat, noch mehr Geld in die Märkte zu pumpen, um der Gefahr einer Deflation entgegenzuwirken. Sie befürchtet eine wirtschaftliche Stagnation wie in Japan (siehe hier). Aber Verbraucher und Sparer sind politisch die Schwachen, die anderen die Starken. Folglich wird die Deflation verteufelt.

Warum Deflation so schlimm gar nicht ist

Doch ist sie nur ein Schreckgespenst. Warum sie mit ihren fallenden Preisen keineswegs zwangsläufig zu Verlusten und wirtschaftlicher Depression führt, hat der Ökonomieprofessor Philipp Bagus unter anderem so beschrieben:

„Bei allgemein fallenden Preisen sinken nicht nur die Verkaufspreise, sondern auch die Einkaufspreise, die Kosten. …. Gesamtwirtschaftlich ist die Preisdeflation unproblematisch. Wichtig ist, dass positive Gewinnspannen erzielt werden, und das ist bei höheren und tieferen Preisniveaus möglich.“ Einzelwirtschaftlich jedoch könne die Deflation Probleme bringen, weil sie zu einer Umverteilung führe: „Denn nicht alle Preise fallen gleich schnell. Konsumenten, deren Einnahmen schneller fallen als die Preise der von ihnen gekauften Produkte, verlieren. Umgekehrt gilt: Konsumenten, deren Einnahmen langsamer fallen als die Produktpreise, profitieren von der Preisdeflation. Gleiches gilt für Unternehmen. Fallen Einkaufspreise schneller als Verkaufspreise, erhöht sich die Gewinnspanne. Unternehmen werden dann tendenziell sogar mehr investieren. Fallen die Einkaufspreise eines Unternehmens hingegen langsamer als seine Verkaufspreise, weil beispielsweise die Löhne relativ starr sind, verringert sich die Gewinnspanne. Dafür haben die Arbeitnehmer dank eines Reallohnanstiegs relativ mehr Kaufkraft und können mehr konsumieren und sparen. Was der eine in einer Preisdeflation verliert, gewinnt der andere. Gesamtwirtschaftlich gleicht es sich aus.“ Der ganze Beitrag von Bagus hier, zusätzlich Erhellendes hier.

Warum extrem niedrige Leitzinsen nicht bringen, was sie sollen

Aber die Angst vor Deflation wird weiterhin geschürt und mit ihr verbunden die Angst davor, dass die Wirtschaft einbricht. Daher versucht die EZB, mit ihren extremen Leitzinssenkungen um immer weitere Bruchteile die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und die damit erhoffte zusätzliche Nachfrage in der Gesamtwirtschaft anzukurbeln oder zumindest bei Laune zu halten. Aber die Vorstellung, dass sich die Unternehmen in Industrie, Handel und Gewerbe zusätzlich verschulden, um bei einem um nur Prozentbruchteile niedrigeren Zinssatz Investitionen vorzunehmen, die sie sonst nicht vorgenommen hätten, ist geradezu abwegig. Dies deswegen, weil sie die Risiken einer Investition weit höher bewerten (müssen) als die winzigen Vorteile einer minimalen Verbilligung des Kredits, mit dem sie diese Investition finanzieren. Ob eine Investition betriebswirtschaftlich erfolgreich ist, hängt nicht davon ab, ob der Kredit mit 2,7 oder nur 2,5 Prozent verzinst werden muss – schon gar nicht in unsicheren Zeiten, denn die Euro- und Überschuldungskrise ist noch längst nicht ausgestanden.

Warum zusätzliche Zinssenkungen auch bei Privatleuten kaum noch wirken

Aber müssen sich nicht wenigstens die vielen Privatpersonen ermuntert fühlen, die extrem niedrigen Zinsen für private Investitionen zu nutzen: neues Auto, neuer Kühlschrank, Instandhaltungen, neues Dach, Hauskauf und dergleichen? Zwar sind die Zinssätze für Verbraucherkredite höher als für Investitionskredite von Unternehmen, doch sofern die Privatleute noch kreditwürdig sind, finden diese Investitionen durchaus statt. Am Markt für Eigentumswohnungen, Ein-Familien-Häuser und Miethäuser äußert sich das im dort zu beobachtenden Preisanstieg. Zugleich ist darin eine Flucht aus den Geldwerten in die Sachwerte erkennbar. Aber die Zinsen für Privatkredite sind schon derart lange so günstig, dass sie längst wahrgenommen worden sind. Daher richten hier die minimalen Leitzinssenkungen zusätzlich ebenso wenig aus wie bei den Investitionen der Unternehmen. Zusätzliche Kreditaufnahmen für Investitionen stoßen sie nicht mehr an.

Auch andere Euro-Staaten können auf Pump kein Wachstum kaufen

Das jedenfalls ist die Lage in Deutschland. Aber in den Euro-Staaten, die tief in der Krise stecken, richten die Leitzinssenkungen der EZB bis an die Null-Linie erst recht nicht mehr das Gewünschte aus. Unternehmen und Private, die schon hochverschuldet sind, verschulden sich nicht noch weiter, nur weil der Zinssatz abenteuerlich niedrig ist. Auch die Staaten selbst schaffen es nicht, durch noch mehr Verschuldung (Begeben von Staatsanleihen), ihre Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Holger Steltzner hat es in der FAZ jüngst in diese Worte gefasst: „Könnte man mit Staatsausgaben auf Pump Wachstum kaufen, wäre Griechenland das wachstumsstärkste Land der Erde. Ginge die Gleichung ‚Mehr Schulden gleich mehr Wachstum’ auf, wäre Italien die Lokomotive und nicht das Schlusslicht der Währungsunion.“ (FAZ vom 20. Juni 2014, Seite 17). Gerade hat EZB-Präsident Mario Draghi angekündigt, die Geldmengenausweitung noch ungehemmter voranzutreiben und den Investoren durch neu aus dem Nichts geschaffenes Geld  Risiken abzunehmen: „Eine quantitative Lockerung kann nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Kredite des privaten Sektors umfassen“, sagte er. Weiteres hier.

Wie es sein müsste, aber nicht kommen wird

Dies alles vor Augen wäre es nötig, sich auf das zurückzubesinnen, was einmal war und solides Wirtschaften kennzeichnet und auszeichnet: Um Geld für Investitionen zu haben, muss Geld zuvor gespart worden sein. Nicht alles Geld, das man verdient hat, wird konsumiert, sondern ein Teil wird zurückgelegt, auf die Bank gebracht, und die Banken reichen die Spargelder als Kredit weiter an alle jene, die damit Investitionen finanzieren wollen, geschäftliche und private. Die Geldschöpfung aus dem Nichts ist schrittweise zurückzufahren, das Schuldgeldsystem aufzugeben, die in den Verkehr gebrachte Geldmenge auf das Wirtschaftswachstum abzustellen, was dieses tendenziell verstetigen wird. Das freilich setzt die Einsicht aller (oder zu vieler) voraus, und die wird kaum zu erreichen sein. Das breite Publikum dürfte sich überfordert fühlen, die Zusammenhänge zu verstehen, und weiterhin jenen nachlaufen, die ihm scheinbar Bequemeres zu versprechen wissen.

Was pervers schon ist und was noch droht

Dann werden wir zum Beispiel erleben, was unlängst schon zu lesen war: Ein enger Vertrauter von Angela Merkel habe die Enteignung der deutschen Sparer als notwendig bezeichnet, um die Euro-Zone zu stabilisieren (siehe hier). Das ist doch geradezu pervers. Wer spart, wird bestraft, wer sich überschuldet, kommt davon. Bei Deflation wäre es umgekehrt. Aber die Sparerenteignung ist erst der Anfang, wenn man liest, was hier vor Augen geführt wird. Auch ich habe auf die Weiterungen schon hingewiesen, zum Beispiel hier. Und das alles, um Staaten und Banken zu retten, andere Finanzakteure vor Spekulationsverlusten zu bewahren und diese Euro-Währungsunion zu erhalten, der Staaten angehören, die ihr nicht gewachsen sind. Doch gesagt wird, es gelte, die schreckliche Deflation zu vermeiden. Und mit den Worten von Philipp Bagus: „Eine nicht fundierte Deflationsangst wird dazu instrumentalisiert, um eine großangelegte Umverteilung über die Notenpresse zu rechtfertigen; zum Nachteil eines Großteils der Bevölkerung.“

Also her mit der Deflation

Anders ausgedrückt: Die Sparer, die Verbraucher, die breite Bevölkerung wären mit Deflation besser bedient als mit dem, was stattdessen geschieht. Deflation ist Deflation ist für das Bewältigen der Euro- und Schuldenkrise ein notwendiges Durchgangsstadium, damit die Wirtschaft gesunden und wieder stabil werden kann. Also her mit der Deflation.

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*) Inflation (lateinisch inflare = aufblasen) bedeutet immer Preissteigerungen als Folge von Geldmengenaufblähung über das verfügbare Güterangebot hinaus. Es gibt auch andere Preissteigerungen. Die treten ein, wenn sich ein Gut verknappt hat, die Nachfrage danach aber unverändert ist. Oder wenn die Nachfrage nach einem Gut zunimmt, die Anbieter dieses Gutes die höhere Nachfrage aber nicht oder nicht gleich zu bedienen vermögen. Wenn beispielsweise der Rohölpreis steigt, weil weniger Rohöl angeboten wird, die Nachfrage nach Rohöl aber unverändert ist, dann ist das kein inflationärer Vorgang, sondern eine marktbedingte Teuerung.

Aber dieser Preisanstieg ist keine Inflation (obwohl fälschlich ebenfalls als solche bezeichnet), das ist nur Teuerung. Ebenfalls nicht schön, aber sinnvoll, denn sie signalisiert den Nachfragern, sich zurückzuhalten, den Anbietern, sich ins Zeug zu legen, und führt dazu, dass sich Angebot und Nachfrage der Menge nach früher oder später wieder die Waage halten, also – wie die Ökonomen sagen – ins Gleichgewicht gebracht werden. Daher sind die Begriffe Inflationsrate und Teuerungsrate zweckmäßigerweise auseinanderzuhalten. (Näheres dazu hier)

Aber so, wie Güterpreise steigen, wenn Güter knapp geworden sind (= Teuerung), können sie auch sinken, wenn bei ihrer Herstellung als Folge technischen Fortschritts die Produktivität gestiegen ist, ihre Herstellungskosten sich also verringert haben. Dann können sich mehr Menschen diese Güter leisten, ihre Nachfrage nimmt zu, die Wirtschaft wächst. Prima, so soll es sein. Aber Deflation sind solche Preisrückgänge natürlich nicht.

Hält dagegen die Geldmenge mit dem Wirtschaftswachstum nicht Schritt, dann ist die Wirtschaft mit Geld unterversorgt, und es kann zu jener Erscheinung kommen, die man Deflation nennt. Dann ist die Geldmenge gegenüber dem Güterangebot relativ knapp. Dann kann es, um das Angebot unterzubringen, tendenziell zum Druck auf die Preise und zu Preissenkungen kommen.

 

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3 Kommentare zu „Her mit der Deflation“

  1. Ein (wieder einmal) sehr guter Artikel von Ihnen, Herr Krause.
    Leider steht zu befürchten, daß die Schwachen (Sparer, Lohn-/Gehaltsempfänger, „Otto Normalverbraucher“ also) den Kürzeren ziehen werden in diesem (zum wiederholten Male!) „Spiel“ der gigantischen Enteignung der breiten Masse des Volkes.
    Das „Komitee der 300“, wie sie Reichsaußenminister Walter Rathenau (Initiator des Vertrags von Rapallo, der ein am 24. Juni 1922 auf ihn verübtes Attentat nicht überlebte) damals nannte, die wirklich Reichen dieser Erde also, werden wieder einmal unermeßliche Geldwerte an sich bringen.

  2. Ein sehr schöner Artikel, bis auf zwei Punkte, die ich ergänzen möchte:

    1. Zwar kann ein Unternehmen auch innerhalb einer Deflation noch profitabel sein, aber die Investitionsentscheidung wird viel schwieriger, da auch erfolgreiche Investitionen je nach Preisgefüge negative Kapitalrenditen aufweisen können. Damit wird auch Aktienanlage einmal mehr zum Roulette-Spiel.

    2. Im Zusammenspiel von Deflation und demographischem Wandel kommt es über kurz oder lang zu einem Überangebot an Wohnraum. Der Erwerb von nicht selbst genutzten Immobilien als Kapitalanlage scheidet daher meist aus und selbst genutzte Immobilien sollten nur noch mit sehr geringem Kreditanteil finanziert werden.

    Gewinner einer Deflation sind die Besitzer von Tagesgeld und Staatsanleihen, denn diese Gelder werden auch bei Mini-Zinsen von alleine mehr wert. Grundsätzliche Verlierer sind dagegen Aktionäre, Besitzer von Firmenanteilen und Schuldner — und damit natürlich auch der Staat.

  3. “Der Sparer erzeugt mehr Ware, als er selbst kauft, und der Überschuß wird von den Unternehmern mit dem Geld der Sparkassen gekauft und zu neuen Realkapitalien verarbeitet. Aber die Sparer geben das Geld nicht her ohne Zins, und die Unternehmer können keinen Zins bezahlen, wenn das, was sie bauen, nicht wenigstens den gleichen Zins einbringt, den die Sparer fordern. Wird aber eine Zeitlang an der Vermehrung der Häuser, Werkstätten, Schiffe usw. gearbeitet, so fällt naturgemäß der Zins dieser Dinge. Dann können die Unternehmer den von den Sparern geforderten Zins nicht zahlen. Das Geld bleibt in den Sparkassen liegen, und da gerade mit diesem Geld die Warenüberschüsse der Sparer gekauft werden, so fehlt für diese jetzt der Absatz, und die Preise gehen zurück. Die Krise ist da.”

    (aus “Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld”, 1916)

    20 Jahre später bezeichnete der “Jahrhundertökonom” J. M. Keynes in seiner “Allgemeinen Theorie (der Beschäftigung der Politik)” dieses Phänomen, das sich zwangsläufig aus der Verwendung von hortbarem Geld mit Wertaufbewahrungs(un)funktion (Zinsgeld) ergibt, als “Liquiditätsfalle” – und beschrieb zwei Mittel, um sie hinauszuzögern: Erhöhung der Staatsverschuldung mit Ausgabe des Geldes für Projekte, die den Zinsfuß nicht senken (Löcher graben und wieder zuschaufeln, Kriegsrüstung, etc.), und Geldmengenausweitung.

    Also: Je sinnloser der Staat Geld ausgibt, desto länger lässt sich der endgültige wirtschaftliche Zusammenbruch (deflationäre Abwärtsspirale) hinauszögern! Das klingt völlig verrückt und ist auch völlig verrückt. Es ist aber in einer Zinsgeld-Ökonomie (zivilisatorisches Mittelalter) die einzig verbleibende Option der “hohen Politik”, wenn der Krieg – zur umfassenden Sachkapitalzerstörung, um den Zinsfuß hochzuhalten – aufgrund der atomaren Bedrohung keine Option mehr ist.

    Selbstverständlich kann man auch mit dem Denken anfangen, was aber die Befreiung von der Religion (Erkenntnisprozess der Auferstehung) voraussetzt:

    Glaube Aberglaube Unglaube

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