Zwischenruf – Das Rascheln von Zeitungspapier

Der amerikanische Internet-Unternehmer Jeff Bezos ist Gründer und Präsident des amerikanischen Unternehmens amazon.com. Gerade hat er die amerikanische Tageszeitung „The Washington Post“ gekauft und dafür 250 Millionen Dollar hingeblättert. Seit dem 5. August gehört sie ihm. Das ist einigermaßen merkwürdig, wird er doch mit folgendem Ausspruch zitiert: “In 20 Jahren wird es keine gedruckten Zeitungen mehr geben. Wenn doch, vielleicht als Luxusartikel, den sich bestimmte Hotels erlauben, als extravaganten Service für ihre Gäste. Gedruckte Tageszeitungen werden in 20 Jahren nicht mehr normal sein.“ Was mag ihn trotzdem zum Kauf bewogen haben? Dazu von Anonymus*) dieser Zwischenruf:

„Hat sich Jeff Bezos da ein Abschreibungsobjekt gekauft?

Mit der Erfindung des Radios wurde gedruckten Medien der baldige Tod vorausgesagt. Mit dem Aufkommen des Fernsehens (einem idealen Medium für Analphabeten) vor 60 Jahren läuteten viele Experten erneut das Totenglöcklein der Zeitungen. Und seit dem unaufhaltsamen Siegeszug des Internet prophezeien erneut angebliche Medienexperten den Tod des gedruckten Wortes. Mr. Bezos gehört offenbar dazu.

Als Verleger wird Herr Bezos vielleicht lernen, dass wichtiger als die Darreichungsform der Inhalt ist. Ein Sportbegeisterter, der bisher Konsument von gedruckten Sportinformationen war, wird wahrscheinlich (auch) elektronische Sportinformationen schätzen. Sporthasser, die sich bisher schon nicht für den gedruckten Sportteil in der Zeitung oder für Radio- oder TV-Übertragungen von Sportereignissen interessiert haben, werden sich auch nicht durch die neue Darreichungsform Internet zu Sportenthusiasten entwickeln. Gute Inhalte bestimmen, ob Medien Kunden finden.
In welcher Form auch immer.

Und wenn elektronische Medien als Stärke die Schnelligkeit haben, nutzen gedruckte Medien die komplementäre Aufgabe, Hintergrund und Analyse zu bieten – mit der Möglichkeit innezuhalten, nachzudenken und dann weiterzulesen.

Und was viele Propheten digitaler Lebenswelten übersehen: Das Rascheln von Zeitungspapier ist ebenso wie eine reale streichelnde Hand eines zärtlich liebenden Menschen durch keine virtuellen Dinge zu ersetzen.

*) Es gibt Berichte, Informationen, Geschehnisse, Beobachtungen, zu denen man sich zu äußern sofort neigt, was man von ihnen hält. Es sind spontane kurze Kommentare, die nicht unbedingt auf die Goldwaage zu legen sind, kleine Schnellschüsse, teils amüsant, teils ironisch, teils bissig, meist prägnant. So manches davon bekomme ich zugeschickt, habe es gelesen, mich dran erfreut, und das war’s dann. Aber warum nicht auch andere daran teilhaben lassen und sie als Zwischenrufe weiterreichen? Was hiermit geschieht. Nicht jeder allerdings möchte mit seinem Zwischenruf namentlich erwähnt werden. Er heißt dann einfach ‚Anonymus’ oder ‚Anonyma’, wenn es eine ‚Sie’ ist.“

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