Nur eine Beimischungsquote für „Ökostrom“ anstelle des EEG ist ebenfalls zu schlimm
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) handelt wider die Soziale Marktwirtschaft. Jüngst hat sie in einem Offenen Brief eine staatliche Beimischungsquote für sogenannten Ökostrom gefordert, also für Strom aus „Erneuerbaren Energien“, beigemischt dem Strom aus herkömmlicher Energie. Ist das etwa das „Neue“ an dieser Marktwirtschaft, für Staatseingriffe in den Markt und gegen Verbraucher einzutreten?
Eine Aufforderung an Merkel, Rösler und Altmaier
Für „erneuerbar“ steht Strom aus Wind, Sonne und vergärten pflanzlichen Stoffen („Biogas“), für „herkömmlich“ Strom aus Kohle, Kernkraft, Erdöl und Erdgas. Gerichtet ist der Brief an die Bundeskanzlerin und ihre Minister Rösler (Wirtschaft) und Altmaier (Umwelt), erschienen als ganzseitiges Inserat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Financial Times Deutschland (FTD) vom 15. Oktober. Darin fordert die INSM die drei Empfänger auf, der Staat solle gesetzlich einen bestimmten Anteil an Strom aus Erneuerbaren Energien festlegen, den zu beziehen die Energieversorger verpflichtet sein müssten. Auch will die INSM diesen Anteil jährlich heraufgesetzt sehen.
Was gut klingt und was nötig ist
Marktwirtschaftlich an dieser Aufforderung ist nur eins: Die Energieversorger können frei darüber entscheiden, ob sie den staatlichen Abnahmezwang mittels „Ökostrom“ aus Windkraft, Fotovoltaik, „Biogas“ oder aus Wasserkraft erfüllen. Und ferner: Diese Ökostromquellen sollen miteinander in Preiswettbewerb treten. Das klingt gut, denn so ein Wettbewerb fehlt bisher. Derzeit nämlich gibt es für den Ökostrom neben dem bestehenden Abnahmezwang auch eine staatliche Preisgarantie, festgeschrieben für schon errichtete Anlagen auf lange zwanzig Jahre und bestimmt im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Je nach Stromquelle ist dieser Garantiepreis unterschiedlich hoch, für Solarstrom am höchsten. Zahlen müssen ihn die Stromnetzbetreiber als sogenannte Einspeisevergütung. Diese wird als „EEG-Umlage“ auf den allgemeinen Strompreis aufgeschlagen, also auf die Stromverbraucher abgewälzt. Verbunden ist die INSM-Aufforderung damit, dass EEG abzuschaffen und es zum Jahresende auslaufen zu lassen. Das in der Tat ist nötig.
Das Wettbewerbsmodell ist keins, sondern weiterhin staatliche Befehlswirtschaft
Die INSM nennt, wozu sie auffordert, „ein marktwirtschaftliches Wettbewerbsmodell“ und „Wettbewerbsmodell Erneuerbare Energien (WEE)“ und „marktbasiertes Quotenmodell“. So ein Quotenmodell hat Anfang Juni auch Rainer Brüderle schon vorgeschlagen. Beim ihm heißt es „marktwirtschaftliches Mengenmodell“. Dem strebt auch seine FDP entgegen. Gewiss, gemessen an der gegenwärtigen staatlichen Regulierung, ist der Vorschlag weniger schlimm als jetzt das EEG und seine Auswüchse. Aber weniger schlimm ist immer noch schlimm genug und daher zu schlimm. Denn
– nach wie vor ist das physikalisch bedingte Manko nicht aus der Welt zu schaffen, dass Energie aus Wind, Sonne und Pflanzenmaterial eine zu geringe Leistungsdichte hat und der Leistungsdichte fossiler Energie hoffnungslos und unabänderlich unterlegen ist;
– nach wie vor bleibt es trotzdem beim staatlichen Diktat, den Ökostromanteil an der Stromerzeugung bis 2020 auf 35 bis 40 Prozent zu erhöhen;
– nach wie vor werden daher die bestehenden herkömmlichen Kraftwerke immer tiefer in die Unrentabilität geschickt, obwohl gerade sie mit der sehr leistungsdichten fossilen Energie (an der Spitze Uran) produzieren;
– nach wie vor aber werden diese Kraftwerke gebraucht, um schnell einzuspringen, wenn Sonne und Wind ausfallen;
– nach wie vor wird auf diese Weise in Deutschland eine überflüssige und unwirtschaftliche Doppelkapazität der Stromerzeugung aufgebaut;
– nach wie vor gaukelt die Ökostrom-Kapazität die stets genannte Stromerzeugung nur vor, denn ihre Nennkapazität wird nie erreicht, weil Wind und Sonne den Strom nur unbeständig liefern;
– nach wie vor werden daher Stromnetz und Regeltechnik derart belastet, dass Stromausfälle zu einer großen Gefahr geworden sind;
– nach wie vor sollen deshalb tausende von Kilometern neue Stromleitungen durchs Land gezogen werden;
– nach wie vor verteuern diese neuen Stromtrassen die Ökostromerzeugung zusätzlich. Nach wie vor werden auch diese Kosten den Stromverbrauchern aufgeladen werden;
– nach wie vor macht auch das „marktbasierte Wettbewerbsmodell“ den Strom teurer als ohne Abnahmezwang und staatliche Vorgaben für „Ökostrom“;
– nach wie vor ist daher auch dieses Modell unsozial, denn willkürlich und unnötig belastet es eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung zugunsten einer Minderheit von Profiteuren;
– nach wie vor ist das alles staatliche Befehlswirtschaft, aber nicht soziale Marktwirtschaft. Das „Wettbewerbsmodell“ der INSM ist ein Wettbewerbsbeschränkungsmodell;
Der Vorschlag ist Etikettenschwindel
„Wir brauchen einen Markt für alternative Energien“, heißt es im INSM-Brief. Wenn wir wirklich einen brauchen, dann einen freien Markt für diese Energienutzung, keinen von staatlichen Subventionsgnaden. Dann wird sich zeigen, ob Ökostrom einen Markt hat, ob er sich behauptet und weiterentwickelt. Der Staat darf mit Steuergeldern notfalls der Forschung und Entwicklung unter die Arme greifen, beim Unterbringen der entwickelten Produkte am Markt darf er das nicht, schon gar nicht ewige zwanzig Jahre. Den Vorschlag als „marktwirtschaftliches Wettbewerbsmodell“ auszugeben, ist Etikettenschwindel: Die Stromverbraucher zu zwingen, eine staatlich diktierte Menge „Ökostrom“ abzunehmen, weil sie ihn freiwillig nicht nehmen und teurer zu bezahlen hätten, ist alles andere als marktwirtschaftlich.
Was schmerzt
Umso schmerzlicher ist es für mich, dass sich sehr namhafte und von mir im Übrigen hochrespektierte Nationalökonomen dazu hergegeben haben, diesen INSM-Brief ebenfalls zu unterzeichnen, darunter die Professoren Norbert Berthold, Charles B. Blankart, Juergen B. Donges, Rolf Peffekoven und Roland Vaubel. An möglichen Beweggründen lässt sich manches ausmalen, doch mag ich darüber nicht spekulieren.
Was geschehen müsste, aber nicht geschehen wird
Marktwirtschaft ist, dass sich die Stromerzeugung mit Wind, Sonne und Pflanzenmaterial allein durchsetzt, ohne staatliche Dauersubventionierung, mit eigenständiger Wirtschaftlichkeit, im Wettbewerb untereinander und mit der herkömmlichen Stromerzeugung. Das EEG muss verschwinden. Anlagen, die neu entstehen, dürfen nicht mehr subventioniert werden – weder bei ihrer Finanzierung, noch bei ihrer Herstellung und Errichtung, noch beim Stromabsatz. Bestehende Anlagen werden Vertrauensschutz genießen, rechtlich wohl unumgänglich – leider, denn es sind schon jetzt viel zu viele.
Die INSM steht mit ihrem Quotenmodell nicht allein
Die INSM stützt sich mit ihrer Aufforderung an die Kanzlerin und ihre beiden Minister auf eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), betitelt „Marktwirtschaftliche Energiewende“. Sie hatte sie dort in Auftrag gegeben. Ähnliche Quotenmodelle gibt es auch von der Monopolkommission, dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Das macht den Vorschlag nicht besser und adelt ihn nicht. Diese Institutionen können sich dem, was gegen ihr Modell spricht, ebenso wenig entziehen wie die INSM. Wenn sie sich darüber hinwegsetzen und in Kauf nehmen: Was sind sie mit ihren Fachleuten dann wert?
Nur ein Herumdoktern an den Symptomen
An Frau Merkels „Energiewende“ klebt die INSM fest wie alle anderen, biedert sich dem Mainstream und Zeitgeist an. Aber sie will die Wende „besser und bezahlbar machen“, wie es die Überschrift im Inserat verheißt. Sie sieht sonst die „Akzeptanz für die Energiewende“ gefährdet. Ja, gefährdet ist die Akzeptanz. Doch das Übel wird nicht an der Wurzel gepackt. Um die ursächliche politische Fehlentscheidung, nämlich CO2 als schädliches Treibhausgas hinzustellen und das Klima schützen zu wollen, macht die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (wie alle anderen Drückeberger) einen großen Bogen. Dabei müsste gerade diese politische Fehlentscheidung angegriffen werden, nicht bloß ihre Symptome und das Herumdoktern an ihnen. Die INSM doktert weiter und doktert mit. Stattdessen sollte sie sich auf die Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard sel. besinnen. Dieser selbst liegt zwar schon lange im Grab und kann sich nicht mehr äußern, aber er hat Schriften hinterlassen und Äußerungen. Aus ihnen lässt sich herauslesen, was er von dieser Energiewende halten würde. Nämlich nichts.
Weiteres zum Quotenmodell siehe hier: http://www.naeb.info , dort Menüpunkt Quotenmodell
Ihrem Artikel kann ich nur voll und umfassend, bis auf eine kleine Ausnahme, zustimmen.
Unter „Was geschehen müsste, aber nicht geschehen wird“ schreiben Sie „Bestehende Anlagen werden Vertrauensschutz genießen, rechtlich wohl unumgänglich- leider, denn es sind schon jetzt viel zu viele.“
Das muss nicht so bleiben. Wir wissen doch beide, dass die Verlässlichkeit von Aussagen der Polit- Aristokraten in Berlin einem relativ niedrigen Verfallsdatum unterliegen. Im Zusammenhang mit der Gier nach zusätzlichen Steuereinnahmen ist über Herrn Trittin am 14.10.2012 in der „Welt am Sonntag“ folgendes zu lesen:
„Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin will Reiche auch rückwirkend mit einer Vermögensabgabe besteuern. So sei eine Steuerflucht aus Deutschland zu verhindern, sagte Trittin der „Welt am Sonntag“. Auch unter einer rot-grünen Bundesregierung würden Unternehmer so das Land nicht verlassen: „Die werden alle hierbleiben. Wir werden den Stichtag für die Steuer nämlich rückwirkend festlegen“, sagte Trittin. „Es nützt dann nichts, abzuhauen.“
Demnach dürfte es doch kein so großes Problem sein, auch die Zwangsabgabe für ineffiziente, regenerative Energien nicht erst nach 20-jähriger Laufzeit zu beenden oder sofort einzustellen oder noch besser, den Stichtag rückwirkend festzulegen.