Ein Erbfall aus DDR-Zeit, eine schuldhafte Amtspflichtverletzung 1990 und das Erfurter Geschwisterpaar May als Opfer noch heute
Dieser Fall behördlicher Widerstände und Rechtswidrigkeiten gegen ein Erfurter Geschwisterpaar nimmt und nimmt kein Ende. Seine Opfer sind Claudia May und ihr Bruder Michael. Frau May kämpft um ein geerbtes Erfurter Grundstück, das ihr gesetzlich zusteht, das sie aber noch immer nicht bekommen hat. Die Stadt Erfurt hatte es 1990 veräußert, bevor das Landesamt für offene Vermögensfragen über eine Rückgabe an die Erbin entschieden hatte. Gerichtlich festgestellt ist das (und anderes) eine schuldhafte Amtspflichtverletzung gewesen, deren Folgen noch immer nicht behoben sind.
In 22 Jahren fast fünfhundert Verfahren
Beharrlich und unerschrocken kämpft Frau May um das Grundstück geradezu mit Löwenmut seit nun mehr 22 Jahren. Außerdem will sie den Schaden ersetzt haben, den die Täter ihr und ihrem Bruder in dieser langen Zeit zugefügt haben. Viele Niederlagen hat sie in nahezu fünfhundert Verfahren einstecken müssen, aber auch wesentliche Teilsiege erfochten. Doch jüngst vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Jena (am 9. Oktober) ist sie wieder ein Stück zurückgeworfen worden. In diesem Verfahren, einem Berufungsverfahren, ging es um ihre Schadensersatzklage. Das Gericht befand, einen Schaden habe sie nicht gehabt, jedenfalls keinen, den das Bundesland Freistaat Thüringen zu ersetzen habe. Doch beendet ist damit das Verfahren noch nicht.
Was die May-Gegner verbindet
Nach allem, was bisher geschehen ist, stellt sich diese unendliche Geschichte als Skandal dar. Frau Mays Gegner bekleiden überwiegend Ämter in Politik, Verwaltung und Justiz. Insofern handelt es sich um einen Politik-, Verwaltungs- und Justizskandal – teils der Stadt Erfurt, teils des Landes Thüringen. Viele der May-Gegner kennen sich noch und schon seit DDR-Zeiten. Das verbindet, zumal dann, wenn man einst auf SED-Seite stand und an der staatlichen Unterdrückung der Bürger mitgewirkt hat. Alter Korpsgeist setzt sich fort, man hält zusammen und man wehrt ab, wenn man wegen einstiger und neuer Untaten belangt zu werden droht. Man versucht, davonzukommen. Das inzwischen zwar abgegriffene, aber nach wie vor geläufige Wort dafür heißt Seilschaften. Nach der Wiedervereinigung sind Westler dazugestoßen und haben sich ins Netzwerk einbinden lassen. Frau May spricht von einem Sumpf.
Es geht um Grundbuchberichtigung und Schadensersatz
Die Einzelheiten des Falles und der Geschehnisse auszubreiten, würde hier den Rahmen sprengen. Den zum Verständnis notwendigen Hintergrund habe ich im Dezember 2006 in der Berliner Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (Ausgabe 50/2006) geschildert, nachzulesen hier: http://www.jungefreiheit.de/Archiv.611.0.html. Weiterer Sachverhalt ist meinem Bericht über das vorangegangene Schadensersatzverfahren vor dem Landgericht Erfurt vom November 2010 zu entnehmen: https://kpkrause.de/2010/11/25/wie-eine-erfurterin-um-ihr-recht-kampft/ Und zusätzliche Informationen hier: https://kpkrause.de/2012/06/03/im-unrechtsstaat-verfolgt-im-rechtsstaat-ebenfalls/ Soweit es um das geerbte Hausgrundstück geht – es liegt am Erfurter Stadtpark – verfolgt Frau May zweierlei. Erstens will sie endlich als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen werden (Anspruch auf Grundberichtigung); bisher steht sie dort nur als Erbberechtigte drin (seit dem 13. Juni 2012), aber wenigstens inzwischen das. Zweitens verlangt sie Ersatz des Schadens, der ihr und ihrem Bruder seit dem 18. Oktober 1991 durch gerichtlich festgestellte Rechtsverstöße des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen und der Stadt Erfurt und durch die dann folgenden langwierigen und kostspieligen Rechtsstreite entstanden ist.
Auf Schadensersatz verklagt ist das Land Thüringen
Verklagt auf Schadensersatz hat Frau May der Freistaat Thüringen (Amtshaftungsklage). Beim Landgericht Erfurt war sie 2010 mit ihrer Klage gescheitert. Folglich ging sie in die Berufung. Jetzt am 9. Oktober fand im OLG Jena vor dessen 4. Senat die Berufungsverhandlung statt. Der Vorsitzende Richter Wolf Philipp Müller beginnt sie, indem er ausführlich und in juristisch geschliffener Form Sachverhalt und Rechtslage erläutert, wie sie sich ihm aus seiner Sicht darstellen. In dessen Verlauf wird für die 21 Zuhörer schnell klar, dass er die Klage zurückweisen will. Kern seiner Darlegungen: Einen Erbanspruch habe Frau May eigentlich nicht, nur nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz), das Bundesverwaltungsgericht habe ihr diesen Anspruch bestätigt. Daher muss der Richter einräumen: „Diese formaljuristische Erbberechtigung ist auch für uns die Grundlage.“
Wie der Richter die Erblage vor 1990 beschreibt
Erlassen hat das Vermögensgesetz die (erste und letzte freigewählte) Volkskammer der Noch-DDR am 23. September 1990. Vorher – so sind Richter Müllers Ausführungen zu verstehen – habe sie einen solchen Anspruch überhaupt nicht gehabt. Der Erblasser Werner Graslaub sei nämlich Eigentümer des Grundstücks gar nicht gewesen, denn die gemeinschaftlichen Erben des anfänglichen Erblassers, des Vaters Rudolf Graslaub hätten das Erbe ausgeschlagen, und daher sei das Grundstück in Staatseigentum („Volkseigentum“) übergegangen, sei also 1987 in Werner Graslaubs Erbmasse für Frau May nicht enthalten gewesen. Folglich habe es dieser an Frau May auch nicht vererben können.
Nur Vorkaufsrecht statt Rückgabeanspruch?
Gleichwohl kommt Richter Müller nicht darum herum, den „formaljuristischen“ Anspruch Frau Mays als („nur testamentarische, nicht gesetzliche“) Erbin nach dem Vermögensgesetz gleichsam zähneknirschend anzuerkennen. Aber das bedeute nicht, dass sie Anspruch auf Rückgabe des Grundstücks habe – trotz des rechtswidrigen Verhaltens der Stadt Erfurt. Das Grundstück sei weg, die Veräußerungen seien rechtswirksam, das Grundstück bestehe in der ursprünglichen Form nicht mehr, das Haus sei aufgeteilt in Eigentumswohnungen. Ohnehin sei Frau May nur Miterbin gewesen und habe als solche nur ein Vorkaufsrecht gehabt, also kein Eigentumsrecht, also auch keinen Schaden. Die Begründung ihrer Leistungsklage sei unschlüssig, ihre Berufungsklage habe keine Aussicht auf Erfolg.
Dann ergreift Frau May das Wort
Frau May widerspricht der richterlichen Sachverhaltsdarstellung entschieden. Die Ausführungen seien nicht korrekt. Sie führt Tatsachen an, die im Gegensatz zu dem stehen, was Richter Müller vorgetragen hat. Sie nennt Urteile, die ihre Rechtsposition stützen, hat alle Aktenzeichen und Paragraphen parat, beherrscht ihren Stoff, spricht fünfzehn Minuten lang flüssig und konzentriert, zeigt, dass sie ihren Grips beisammen hat; die vielen, rechtlich komplizierten Auseinandersetzungen im Lauf der 22 Jahre haben sie gleichsam gestählt. Sie lässt sich vom Richter auch nicht unterbrechen, als er es versucht, sondern spricht weiter. Der Richter verdreht die Augen, schüttelt den Kopf, nennt, was Frau May äußert, „halbjuristischen Unsinn“, sagt, es gehe hier nur um eine Amtshaftungsklage, nicht um eine Grundbuchberichtungsklage. Und: „Wir sind hier im Zivilrechtsprozess, nicht im Verwaltungsrechtsverfahren.“
Der Richter droht mit einem Strafantrag
Richter Müller wird ungehalten: „Ich bin 41 Jahre Richter. Diesen Unsinn muss ich mir nicht anhören. Wir entscheiden über den Inhalt des Klageantrags, über den Berufungsantrag Ihres Rechtsanwalts, über eine konkrete Leistungsklage. Wir sind hier im Anwaltsprozess. Was Sie sagen, ist außerhalb des Klageantrags. Halten Sie mir keine ZPO-Vorlesungen. Solchen Schwachsinn habe ich lange nicht gehört.“ Aber er sagt auch: „Dass Ihnen Unrecht geschehen ist, hat mein Senat nie in Abrede gestellt.“ Als Frau May ihm Rechtsbeugung vorwirft, droht er ihr mit einem Strafantrag und sagt: „Ich muss mir diese Vorwürfe nicht gefallen lassen. Ich verwahre mich gegen solche Vorwürfe, sie sind einfach unverschämt. Ich muss mir solche Frechheiten nicht anhören.“ Und später: „Diese Halbjuristen immer.“ Gesprochen hat fast nur Frau May, nicht ihre beiden Anwälte. Kein Äußerungen auch von den beiden Prozessvertretern der Gegenseite, der Richter hat ihnen die Arbeit abgenommen.
In der Verhandlungspause Richtergespräch mit dem Publikum
Der Richter unterbricht die Verhandlung. Es ist zwölf Uhr. Frau May soll sich mit ihren Anwälten besprechen können. Um die Pause nicht schweigend zu überbrücken, wendet sich der Richter mit Erläuterungen zum Verfahren an die „Galerie“. Er meint damit die vollbesetzten Reihen des zuhörenden Publikums, das allerdings nicht oben auf einer Galerie sitzt, sondern auf gleicher Ebene wie die drei Richter und die Prozessparteien. Jemand aus dem Publikum,durch die Erläuterungen ermuntert, meldet sich zu Wort und sagt, die Gegenäußerung von Frau May stehe doch zu einem guten Teil in Widerspruch zum Tatbestandsvortrag des Richters. Er fragt, ob dies für die richterliche Entscheidung denn nun auch eine entsprechende Rolle spielen werde. Der Richter sagt, er sei nicht verpflichtet, auf solche Frage zu antworten, und verweist auf das richterliche Beratungsgeheimnis. Wohl lässt er sich dann doch noch zu ein paar weiteren Sätzen herbei, geht aber nicht weiter auf die Widersprüchlichkeiten ein und beantwortet die eigentliche Frage nicht.
Berufung zurückgewiesen, aber das Verfahren geht weiter
Fortsetzung der Verhandlung zehn Minuten später. Der Richter will hören, ob sich die Anwälte mit Frau May Anträge überlegt haben. Anwalt Lomberg greift zu einem Verfahrenstrick: „Wir stellen keine Anträge.“ Der Richter stutzt und scheint aus allen Wolken zu fallen. Ohne Antrag der May-Anwälte kann er nur ein sogenanntes Versäumnisurteil sprechen. Ein solches Urteil kann mit Einspruch angegriffen werden. Das bedeutet: Das Verfahren geht weiter, es muss neu verhandelt werden. Die Anwälte wissen das. Die wussten auch, was der Richter nun sagt: „Dann ist hier ein anderer Richter. Ich scheide Ende des Monats aus. Ich werde 65.“ Erhoffen sie sich von dem anderen Richter eine andere Entscheidung als die von Richter Müller? Der hat verkündet: „Die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts wird zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“ Frau May schreibt später per E-Mail an ihre Freunde: „Ich bin gerade nicht gescheitert, dass Staatshaftungsverfahren ist nur unterbrochen. Es ergeht ein Versäumnisurteil, weil die mandatierten Anwälte keine Anträge gestellt haben. Gegen das Versäumnisurteil wird dann fristwahrend Beschwerde eingelegt.“
Der Richter behauptete mit 65, „41 Jahre Richter gewesen zu sein“, wie kann das angehen?
War er in der DDR mit 24 schon Richter geworden? In der BRD wäre das frühestens mit 27 möglich gewesen, weil man erst mit 27 verbeamtet werden kann.
Auf jeden fall ist er ein unsäglicher Feigling, gerade in seinem letzten Amtsmonat hätte er doch der Gerechtigkeit genüge tun können, wenn auch bei Berufung der Staatsanwaltschaft das moralisch einwanfreie urteil hätte wieder kassiert werden köönen. Aber, so bis zum Ende an Täuschung u. Lüge festzuhalten, ist moralisch besonders verwerflich.