Die Verfassungsklage gegen die Griechenland-Hilfe

„Deutschland ist verpflichtet, die Währungsunion zu verlassen“

Bankenkrise, Schuldenkrise: Die Politiker brechen Gesetze. Alle lamentieren. Fünf handeln. Es sind die Professoren mit ihrer Verfassungsbeschwerde, das Fähnlein der fünf Aufrechten. Sie klagen gegen die deutschen Finanzhilfen für Griechenland. Nach eigenem Bekunden schlägt eine Welle von zustimmenden Zuschriften über sie zusammen. Eine Organisation, die mit solcher Fülle fertig wird, müssen sie erst noch aufbauen. Sie sind dabei, eine „Homepage“ einzurichten. Dann kann dort jeder nähere Informationen abrufen, zum Beispiel darüber, worauf sich die Verfassungsbeschwerde im einzelnen stützt. Doch für die Leser dieses Blogs kommt hier schon mal in Kurzfassung, was die Professoren verletzt sehen. Es sind wörtliche Ausschnitte aus ihrer Presseerklärung.

„Das Scheitern der Währungsunion ist jetzt offenbar“

Verfahrensbevollmächtigter ist Professor Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider. Unter der Überschrift „Die wichtigsten verletzten Grundrechte“ schreibt er in der Erklärung folgendes:

1. Die Finanzhilfen sind in den Unionsverträgen nicht vorgesehen und betreiben Inflationspolitik. Sie sind ultra vires, „ausbrechende Rechtsakte“, weil sie die Ermächtigungen der Union übersteigen. Darum sind sie nicht demokratisch legitimiert. Demgemäß greift der Grundrechtsschutz des Artikels 38, Absatz 1 GG. Dieses Grundrecht der Demokratie schützt nach dem Lissabon-Urteil auch den Kern der Verfassungsidentität. Dazu gehört insbesondere das Sozialstaatsprinzip. Dieses wird durch eine Inflationspolitik zutiefst verletzt, weil alle eigentumsmäßigen Rechte, wie Ansprüche auf Pensionen, Renten, Gehälter, Löhne, aber auch Ansprüche auf soziale Hilfen dadurch an Wert verlieren. Für die Finanzhilfen müssen Kredite aufgenommen werden, die den Schuldenstand Deutschlands erhöhen. Griechenland kann diese angesichts der erzwungenen Rezession und Depression keinesfalls zurückzahlen. Diese erhöhen die Inflationsgefahr. Die Europäische Zentralbank nimmt Schrottanleihen Griechenlands als Sicherheiten entgegen. Das ist offene Inflationspolitik.

2. Die Eigentumsgewährleistung des Artikels 14, Absatz 1 GG schützt ausweislich des Euro-Beschlusses von 1998 auch das Stabilitätsprinzip; denn Inflation entwertet die Eigentumsrechte. Das Scheitern der Währungsunion ist jetzt offenbar. Dementsprechend greift die Erkenntnis des Maastricht-Urteils, daß Deutschland die Union ultima ratio verlassen kann, wenn die Stabilitätserwartung nicht mehr besteht.

Deutschland wird durch den Euro selber zum Sanierungsfall

Unter der Überschrift „Vertrags- und Verfassungsverletzung“ heißt es in der Erklärung weiter:

„1. Das Haftungs- und Einstandsverbot für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten in Artikel 125 AEUV ist eindeutig. Diese No-bail-out-Klausel ist der Baustein der Währungsunion, die eine Stabilitätsgemeinschaft auf der Grundlage eigenverantworteter Staatshaushalte sein soll. Die Zinsen für die Staatsschulden werden unbezahlbar. Deutschland wird durch den Euro selber zum Sanierungsfall. Ausreichendes Wirtschaftswachstum ist Illusion. Deutschland ist verpflichtet, die Währungsunion zu verlassen.

Eine Verschuldung, um anderen Staaten Finanzhilfe zu geben, ist mit dem finanzverfassungsrechtlichen Staatsprinzip unvereinbar. Wenn die Union ein Staat wäre, käme ein Finanzausgleich in Betracht. Nur müßten dafür nicht nur die Verträge geändert werden, sondern auch das Grundgesetz nach Artikel 146 GG für einen solchen Bundesstaat geöffnet werden. Das aber setzt eine Volksabstimmung voraus, wie das Lissabon-Urteil erkannt hat.

2. Andere Rechtsgrundlagen, welche die Finanzhilfen rechtfertigen könnten, irgendwelche Notkompetenzen, greifen nicht. Autonome Vertragsänderungen bedürfen nach dem Lissabon-Urteil der Zustimmung auch von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit. Sie dürfen den Schritt über die Grenze zum Bundesstaat nicht überschreiten. Die Notklausel des Artikels l22, Absatz 2 AEUV greift nicht. Sie gilt nicht für selbst verschuldete Finanzkrisen, nur weil diese von den Finanzmärkten genutzt werden. Das Bail-out-Verbot bleibt unberührt. Ein höheres Prinzip Währungsunion und europäische Integration, das die Mißachtung der Verträge und der nationalen Verfassungen zu rechtfertigen vermag, gibt es nicht. Illusionen dieser Art schaffen kein Recht. Sie zerstören die Lebenschancen unseres Volkes.“

Beschwerde angenommen, Eilantrag abgelehnt

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde zur Entscheidung angenommen (Aktenzeichen 2 BvR 987/10), nur den Eilantrag abgelehnt. Dieser Antrag zielte darauf ab, dem Bundespräsidenten und der Bundesregierung durch einstweilige Anordnung das Ausfertigen und Ausführen des Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz vom 7. Mai 2010 zu untersagen. Zur Ablehnung schreibt Schachtschneider:

„Es hat sich hinsichtlich der Einschätzung der Gefahren der griechischen Finanzkrise für die Währungsunion und für die Euro-Gruppe auf den Standpunkt der Bundesregierung gestellt, nicht auf den der Beschwerdeführer. Das ist im Eilverfahren, in dem die Tatsachen nicht ermittelt werden und werden können, in Ordnung und prozeßrechtlich nicht zu rügen. Die Schäden für die Grundrechte der Beschwerdeführer durch die Ausführung des angegriffenen Gesetzes hätten offenkundig und zudem augenfällig großer gewesen sein müssen als die Schäden, die zu befürchten sind, wenn das Gesetz nicht ausgefertigt und ausgeführt wird. Das ist zwar der Fall, aber nur wirklichen Fachleuten ohne weiteres einsichtig. Dennoch war es richtig, den Eilantrag zu stellen, um den Versuch zu machen, Schaden von Deutschland, Griechenland und Europa abzuwenden. Hätte die Bundesregierung dem Bundesverfassungsgericht die wirkliche Lage geschildert, wäre anders entschieden worden. Dafür wäre eine mündliche Verhandlung in Frage gekommen, die aber wegen der außerordentlichen Eilbedürftigkeit nicht angesetzt worden ist und im übrigen auf Grund einer Verfassungsbeschwerde von Bürgern ganz ungewöhnlich wäre.

Das Bundesverfassungsgericht wird sich also mit der Hauptsache befassen und Grundrechtsschutz gegen die Verletzung des Währungsrechts und des Stabilitätsprinzips durch die offene Inflationspolitik und die Verschleuderung deutscher Finanzmittel prüfen. Wenn das auch beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen wird, ist das zu begrüßen und gibt die Chance, daß demnächst die groben währungspolitischen Rechtsverletzungen nicht mehr möglich sind. Freilich werden bis dahin die Finanzmärkte die ökonomischen Gesetze genutzt und auch den politischen Akteuren klargemacht haben, daß der Euro gescheitert ist und ihre Rettungsversuche den Schaden vergrößern. Die ökonomischen Gesetze stehen nicht zur Disposition der Politik.“

Ferner heißt es in der Presseerklärung: „Eine Verfassungsbeschwerde ist ein schwacher Rechtsbehelf, aber die Bürger haben kein anderes Mittel –außer der medialen Öffentlichkeit und Demonstrationen. Die Bürger sind im Parteienstaat weitgehend entmündigt.“

Die fünf Beschwerdeführer sind Prof. Dr. rer. pol. Wilhelm Hankel, Dr. rer. pol. Wilhelm Nölling, Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider, Prof. Dr. iur. Dr. ing. h.c. Dieter Spethmann und Prof. Dr. rer. pol. Dr. h.c. Joachim Starbatty. Sie hatten bereits 1998 die Verfassungsklage gegen die Einführung des Euro erhoben.

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