So bekommt der Euro Schwindsucht

Der Vertragsbruch im Fall Griechenlands ist ein weiterer Schritt dahin

Der Euro leidet an Vertrauensschwindsucht. Großes Vertrauen in dieses Geld haben nur noch 30 Prozent der Deutschen. 61 Prozent trauen ihm nur noch wenig oder gar nicht mehr über den Weg. Den Vertrauensschwund beschleunigt hat die griechische Finanzkrise und wie die EU-Politiker mit ihr umgehen.

Verlieren die Menschen das Vertrauen in die Währung ihres Landes, flüchten solche, die Geld übrig haben, in Sachwerte – auch in den besonders knappen Sachwert Gold. Am Preisanstieg für Gold zeigt sich, wie groß der Vertrauensverlust ist. Auch den Wertverlust einer Währung spiegelt er wider. In Euro zum Beispiel ist Gold von 2000 bis 2009 um 181 Prozent teurer geworden, im Durchschnitt dieser zehn Jahre also um jährlich 18 Prozent.

Euro-Wertverlust jährlich 18 Prozent – bezogen auf Gold

Oder anders formuliert: Die Inflationsrate für Gold belief sich auf 18 Prozent im Jahr. Andere Währungen sind allerdings noch viel schlechter dran, der Dollar zum Beispiel. Er verlor im gleichen Zeitraum gegenüber dem Gold 292 Prozent an Wert. Beim britischen Pfund betrug der Wertverlust 298, beim Rubel 310 Prozent. Spitzenreiter (unter den siebzehn in dieser Statistik erfassten Währungen) mit 434 Prozent war der mexikanische Peso.

EU-Hilfe für Griechenland ein Rechtsbruch

Aber bleiben wir bei Griechenland und dem Euro. Matthias Ruffert (Professor für Europarecht an der Universität Jena) hatte eine Hilfe der EU für Griechenland einen Rechtsbruch genannt. Andere sahen und sehen das ebenso. Die Europäischen Verträge verbieten eine Rettung. Aber entgegen allen einstigen Schwüren und den Stabilitätskriterien im Maastricht-Vertrag, mit denen die Euro-Währungsunion – gegen den Willen zumindest der meisten Deutschen – politisch durchgepaukt und erzwungen wurde, haben die Euro-Staaten der EU beschlossen, Griechenland gleichwohl herauszuhauen (bail out). Mit politischer Trickserei natürlich.

Jonglieren der Bundeskanzlerin

Auf welche Weise das geschieht, das war und ist überall zu lesen und muss hier nicht wiederholt werden (Stichwort: bilaterale Darlehen). Die Kurzformel lautet: Die EU hilft erst, wenn es nicht mehr anders geht. Und Auszahlung der bilateralen Kredite nur durch einstimmigen Beschluss der Euro-Gruppe. Und nur und erst dann, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland beispringt. In der Zeit davor war von der Bundesregierung viel Widersprüchliches zu hören gewesen. Die FAZ schrieb: Täglich eine neue Haltung der Bundesregierung zu Griechenland.“ Klar, Bundeskanzlerin Merkel, die einen Rechtsbruch nicht begehen will, jonglierte – einerseits gegen ihren Finanzminister Schäuble, andererseits gegen die EU-Kommission und die anderen Euro-Mitgliedsländer.

Wie sich die Non-bail-out-Klausel noch anders umgehen lässt

Neben dieser Umgehung und damit Verletzung der Non-bail-out-Klausel, kann man sich vorstellen, wie die Klausel auch auf andere Weise umgangen wird. Banken kaufen griechische Staatsanleihen, die ihnen Griechenland beispielsweise mit 6 Prozent verzinst. Dann bringen sie die Papiere als Pfand zur Europäischen Zentralbank (EZB)und bekommen dafür frisches Geld zum Leitzinssatz von 1 Prozent. Mit dem frischen Geld kaufen sie weitere Anleihen, tragen sie wieder zur EZB, erhalten auch dafür frisches Geld, kaufen dafür abermals … und so weiter. Die Geldmenge wird größer und größer, die Inflationsspirale in Gang gesetzt.

Defizit-Sünder sind fast alle Euro-Länder

Für den Rechtswissenschaftler Karl Albrecht Schachtschneider ist die Notfall-Hilfezusage der Euro-Länder ein verbindliches Versprechen, für Griechenlands Schulden zu haften, und damit der Anfang vom Ende des Euro. Aber schon Anfang April 2009 – da ging es um Griechenland noch gar nicht – las man „Wie lange hält der Euro durch?“ Defizit-Sünder waren und sind nämlich fast alle Euro-Staaten. In 13 dieser 16 Länder ist das Staatsdefizit größer als die erlaubten 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts.

Deutsche Banken zittern nicht nur wegen Griechenland

Dabei wurde die Staatsverschuldung schon schöngerechnet; die EU-Staaten mußten ihre Ausgaben für die Bankenrettung nur noch begrenzt ausweisen, konnten ihre Schuldenlage damit also aufhübschen. Griechenland lag damals im Mittelfeld; Frankreich, Spanien und Irland zum Beispiel sündigten stärker. Später stellte sich heraus: Griechenland hatte seine wahre Schuldenlage verschleiert – und das auch noch mit Bankenhilfe. Mit dieser Offenbarung wurde es dramatisch. Deutsche Banken haben Griechenland Milliarden geliehen, zittern aber auch um ihre größeren Kredite an Spanien, Irland und Portugal. Folglich haben sie am Herauspauken Griechenlands ein starkes Eigeninteresse, haben in diesem Sinn auch politisch agiert.

Athen ist pleite, soll aber Rüstungsgüter kaufen

Mit auch anderen Interessen als nur den Euro und die Währungsunion stabilisieren zu wollen sind mit Hintergedanken bei der Griechenland-Hilfe zwei Euro-Länder am Werk. Deutschland und Frankreich dringen in Athen auf neue milliardenschwere Rüstungsaufträge. Griechenland liegt zwar finanziell darnieder, soll aber trotzdem Militärgüter kaufen. Paris will dort 6 Fregatten an den Mann bringen, Berlin 60 Eurofighter-Kampfflugzeuge – im Auftragswert von zusammen 7,5 Milliarden Euro. Statt also mit den geplanten Nothilfe-Geldern die Not durchzustehen, soll Griechenland das Geld verpulvern für noch mehr Rüstung. Dabei ist sein Verteidigungsetat relativ ohnehin schon außerordentlich hoch: Er entspricht 4,3 Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 1,5 und in Frankreich: 2,6 Prozent.

Darf der IWF überhaupt helfen?

Bundeskanzlerin Merkel hat sich – anstelle eines von Finanzminister Schäuble anvisierten Europäischen Währungsfonds (EWF) – für den Internationalen Währungsfonds (IWF) als Schuldenhelfer erwärmt. Aber darf der IWF Griechenland überhaupt helfen? Den Regeln nach ist es nicht seine Aufgabe, Haushaltsdefizite eines Mitgliedslandes zu finanzieren, sondern dessen Zahlungsbilanzschwierigkeiten lösen zu helfen und dazu beizutragen, zeitweiligen Fremdwährungsbedarf zu decken. Doch im Fall Griechenland klaffen zu deckende Haushaltslöcher, und es geht um das Tilgen fälliger Schulden. Hier einzuspringen, ist mit dem IWF-Auftrag nicht vereinbar. Aber der IWF ist offensichtlich trotzdem zur Hilfe bereit.

Doch wenn, kann der IWF nur mit wenig helfen

Allerdings könnte der IWF, gemessen an dem, was Griechenland an Geld benötigt, mit nur sehr begrenzten Mitteln beitragen. Die Ausleihungen des Fonds richten sich nach der Kapitalquote des IWF-Mitgliedslandes. Als Regel für Beistandskredite gilt, dass ein Mitgliedsland jährlich bis zu 200 Prozent seiner Quote und bis zu 600 Prozent insgesamt vom Fonds leihen kann. Für Griechenland wären das für 2010 rund 1,8 Milliarden Euro und bis zu 5,5 Milliarden Euro insgesamt. Bei außergewöhnlichen Umständen allerdings kann der IWF von seinen Regeln abweichen, wie 2008/2009 gegenüber Ungarn, Lettland und Rumänien geschehen.

Allein für 2010 braucht Athen 50 Milliarden Euro

Allein im laufenden Jahr 2010 hat Griechenland (zum Ausgleich seines Haushaltsdefizits) einen Finanzierungsbedarf und (für die Tilgung fälliger Schulden) einen Refinanzierungsbedarf von knapp 50 Milliarden Euro. Bis Mai sind rund 20 Milliarden fällig, bis Juni weitere 10 Milliarden. 2011 und in den Folgejahren sieht seine Lage auch nicht besser aus. Wieviel Sparmaßnahmen die griechische Regierung politisch durchzusetzen vermag, wie stark sie greifen und wieviele steuerlichen Mehreinnahmen zu erzielen sind, ist ungewiß.

Die nächsten Hilfebedürftigen

Das heißt, eine IWF-Hilfe reicht bei weitem nicht, den Löwenanteil müssten die Euro-Länder übernehmen, und der Löwenanteil davon wiederum entfiele auf Deutschland. Und Griechenland ist kein Einzelfall. Die nächsten Hilfebedürftigen sind Italien, Irland, Spanien, Portugal, aber auch Großbritannien. Wie soll das alles geschultert werden, vor allem von Deutschland, dem bevölkerungsreichste Euro- und EU-Land, das daher auch als das finanzstärkste gilt und dem daher immer die Hauptlast aufgebürdet wird.

Merkels Rauswurf-Drohung nicht überzeugend

Das treibt auch Angela Merkel um. Am 17. März im Bundestag hat sie gefordert, aus der Griechenland-Krise Konsequenzen für die Währungsunion zu ziehen. Die Europäischen Verträge müssten weiterentwickelt werden. Reformunwillige Krisenstaaten will sie künftig aus der Währungsunion ausgeschlossen sehen – allerdings erst dann, wenn der betreffende Staat immer wieder und wieder gegen Auflagen verstoße. Was aber ist „immer wieder und wieder“? Vom wievielten Mal an genau? Beim vierten, fünften, zehnten? Eine überzeugende Drohung ist das nicht. Und wir wissen doch: Papier ist geduldig. Siehe die Stabilitätskriterien und die Non-bail-out Klausel im EU-Vertrag.

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