Ratschlag für den Fiskus

Vertrauen schaffen durch weniger und bessere Steuern

Im Vertrauen der Bürger zu ihrem Staat schlägt sich auch ihre Einstellung zur Steuerhinterziehung nieder. Im Idealfall ist ihr Vertrauen so groß, dass sie mit den Steuergesetzen im Einverständnis leben, sie daher befolgen und ihrer Pflicht zur Steuerzahlung voll nachkommen. Steuerhinterziehung gibt es dann also nicht. Aber so groß ist das Vertrauen nirgends. Folglich wird die Steuerzahlungspflicht nur zum Teil erfüllt. Je geringer das Vertrauen zum Staat, um so weniger an Steuererfüllung wird ihm zugestanden, desto geringer ist in der Regel die Steuerehrlichkeit und desto größer das Ausweichen in die Schattenwirtschaft.

Steuerhinterziehung ist die Folge von Vertrauensschwund

Wenn also Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und andere gegen die Steueroasen zu Felde ziehen und die Steuerhinterzieher geißeln, dann verkennen sie, dass Steuerhinterziehung eine Folge davon ist, dass Bürger ihrem Staat nicht mehr durch und durch vertrauen, und dass das Ausmaß der Steuerhinterziehung belegt, wie stark das Vertrauen geschwunden ist. Oder anders gesagt: Der Staat hat es selbst in der Hand, ob es Steuerhinterziehung gibt und wie stark oder gering sie ausfällt. Also sollte Steinbrück und allen anderen Politikern daran gelegen sein, alles zu tun, um das Vertrauen in den Staat zu stärken statt zu vermindern. Dann nämlich würde die Bereitschaft zur Steuererfüllung zunehmen.

Kundig machen über diese Zusammenhänge können sich Steinbrück & Co. im jüngsten Ordo-Band.* ) Dort finden sie einen Beitrag des Schweizer Ökonomen Charles B. Blankart mit der Überschrift „Wege zu mehr Steuerehrlichkeit“. Der Autor, der an der Humboldt-Universität Berlin lehrt, beschreibt positive und negative Anreize für die Bürger, ihre Steuerpflicht zu erfüllen. Die positiven sind solche, die Vertrauen in den Staat schaffen, die negativen solche, die die volle Steuerzahlung mit Fahndung und Bestrafung herbeiführen sollen.

Wie der Staat Steuerehrlichkeit maximieren könnte

Wenn das Vertrauen in den Staat ganz groß ist, erreicht die Steuerehrlichkeit seiner Bürger hundert Prozent. Verdient der Staat weniger Vertrauen, können seine Bürger dafür einen Preis verlangen. Diesen Preis bestimmen sie selbst, nämlich in Form ihrer Steuerehrlichkeit. Zu bezahlen hat ihn der Staat, indem er, wenn die Steuerehrlichkeit seiner Bürger sinkt, Steuereinnahmen verliert. Je geringer das Vertrauen in den Staat und somit die Steuerehrlichkeit wird, um so höher fällt dieser Preis für den Staat aus. Ein kluger Staat müsste also daran interessiert sein, das volle Vertrauen seiner Bürger zu erreichen, um deren Steuerehrlichkeit zu maximieren.

Die Anfälligkeit zur Steuerhinterziehung zumindest verringern

Vertrauen bildet sich (oder auch nicht) schon aus der Art, wie Steuern beschlossen werden. Auch wie sie begründet und gestaltet werden. Steuern, so Blankart, können schon aus ihrer Konstruktion hinterziehungsgefährdet und so dem Vertrauen abträglich sein. So ist es dem Vertrauen zuträglicher, wenn über Steuern mittels direkter statt mit repräsentativer Demokratie beschlossen wird. Auch Objektsteuern anstelle von Subjektsteuern tragen dem Staat mehr Vertrauen ein. Und eine Rückkehr der EU bei der Umsatzsteuer zum Ursprungslandprinzip mit Vorumsatzabzug anstelle des heutigen Vorsteuerabzugs und nach dem Bestimmungslandprinzip würde, wie Blankart darlegt, ebenfalls in diesem Sinn wirken und daher die Anfälligkeit zur Steuerhinterziehung verringern.

Strafmaßnahmen ein vergleichsweise stumpfes Schwert

Nicht vertrauensbildend sind die negativen Anreize. Wer sich Steuerfahndung und harten Strafandrohungen ausgesetzt sieht, wird schwerlich, wie Blankart schreibt, den Staat als Hort des Vertrauens ansehen. Allerdings gebe es auch im besten Staat notorische Freifahrer, die keine Steuern bezahlen wollten. Daher seien Strafmaßnahmen unausweichlich. Aber sie seien auch ein vergleichsweise stumpfes Schwert. Sie könnten die Einstellung zum Staat nicht verbessern und die Freifahrer zur Steuerzahlung nicht bewegen.

Aber wo ist der kluge Staat?

Manche neuen Praktiken der Beweisbeschaffung seien dazu geeignet, das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat sogar zu unterhöhlen statt zu stärken. Unsicherheit über den Rechtsstaat könne die Steuerhinterziehung begünstigen. Kontraproduktiv für die Steuererfüllung sei es auch, solche Einkommen, die sich relativ leicht hinterziehen ließen, mit hohen Sätzen zu belasten. Blankart empfiehlt, dass Regierungen bei jeder Steuer abwägen sollten, „ob sich die erforderlichen Durchsetzungskosten gegenüber dem erzielten Steuerertrag, den Effizienzkosten und dem möglicherweise hingenommenen Vertrauensverlust die Waage halten“. Wo freilich ist dieser kluge Staat?

*) Ordo. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Lucius & Lucius, Stuttgart 2008. 593 Seiten. 108 Euro.

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Ein Kommentar zu „Ratschlag für den Fiskus“

  1. Es ist die Frage, ob die bisherige Steuerhinterziehung von 2 Billionen Euro – identisch mit der Staatsschuld – Ausdruck des fehlenden Vertrauens in die Regierungen von Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel war.
    Das Gegenteil ist der Fall: Steuerhinterzieher konnten bisher immer Vertrauen in jede Regierung haben, daß diese auf eine Besteuerung gerne verzichtet, solange sie künftigen Generationen Schulden hinterlassen kann.

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