Das nicht erkannte Krisengebräu

Warum die meisten Ökonomen versagt haben

Die überwiegende Mehrheit der Ökonomenzunft, soweit sie sich mit Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Makroökonomie beschäftigt, hat die Krisengefahr nicht erkannt, also die größte Krise seit 1929 nicht kommen sehen oder nicht vor ihr gewarnt. Völliges Versagen wird ihnen vorgeworfen, und sie tun es auch selbst. „Die Ökonomen in der Sinnkrise“ las man in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS vom 5. April 2009).

Manche streuen nun Asche auf ihr Haupt, andere sind betreten und schweigen lieber. Zu den Zerknirschten gehören die Ökonomen Peter Bofinger, Clemens Fuest und Dennis Snower. Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Snower wird mit dem Bekenntnis zitiert: „Was wir in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gemacht haben, ist durch die Krise komplett über den Haufen geworfen worden.“ (FAS vom 5. April 2009). Auch die meisten Finanz- und Wirtschaftsjournalisten waren blind für die Gefahr. Offen und ehrenhaft eingeräumt und die Gründe dafür erläutert hat das in der Financial Times ihr Chefredakteur Lionel Barber unter der Überschrift „Die Blindheit der Journalisten“ (FTD vom 23. April 2009).

Realitätsferne, Keynes’ Erbe, Dogmatismus, Herdentrieb

„Warum die Ökonomen versagt haben“, hat der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty (Tübingen) in der FAZ mit zwei Gründen erklärt. Der eine: „Ökonomen nehmen immer weniger wahr, was um sie herum vorgeht. Sie reduzieren ökonomische Realität auf statistische Zeitreihen. Diese können uns helfen zu erklären, was passiert ist, nicht aber zu erkennen, was sich zusammenbraut.“ Der zweite Grund liegt für Starbatty im Erbe des seinerzeit dominierenden Ökonomen John Maynard Keynes: „Stimulierung des gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch Staatsdefizite und Billiggeldpolitik der Zentralbanken.“ *)

Der amerikanische Ökonom Robert Shiller erklärt das Versagen mit einem unheilvollen Hang zum Dogmatismus und dem Herdentrieb in seiner Zunft: “Menschen in Expertengruppen sorgen sich ständig um ihre persönliche Bedeutung und ihren Einfluss. Sie haben den Eindruck, wenn sie zu weit vom Konsens abrücken, werden sie in keine ernsthafte Position gelangen.” Dies zu verändern fordere mehr als neue Modelle (BlickLog vom 6. April.2009 unter: http://www.blicklog.com/tags/behavioral-economics/).

Blind geworden für Risiken

Dabei hat der Glaube an die Aussagekraft von Modellen und statistischen Analysen auch zur Blindheit für die Risiken geführt, die sich nur schwer oder auch gar nicht quantifizieren lassen oder die einfach unwahrscheinlich sind. Zu kurz kommen oder gar nicht mehr beachtet werden Zusammenhänge, die einst der Ökonom Wilhelm Röpke unter dem Begriff „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ zusammengefasst hat. Der analytische Blick hat sich auf Zählbares und Quantifizierbares, wie es theoretische Modelle so schön hergeben, verengt.

Vor einer Nebelwand

Viele fragen auch: Warum stochern die Ökonomen immer mehr im Nebel? Immer mehr sicher nicht, aber vor einer Nebelwand haben sie schon immer gestanden, wenn es um das Erkennen von Zukunft und um Prognosen ging. Das kann auch schwerlich anders sein. Die Nationalökonomie ist eine Sozialwissenschaft, keine Naturwissenschaft. Sie hat es mit Menschen und deren vielfältigen Interessen und Verhalten zu tun, muß mit zu vielen Variablen umgehen, die dann auch noch interdependent, also untereinander abhängig sind. Der ökonomische Blick in die Zukunft ist der Blick in ein Nebelfeld. Wesentlich ändern wird sich daran nichts.

Immerhin gibt es ein paar Ökonomen, die seit Jahren den Zusammenbruch des Finanzsystems vorhergesagt haben. Nassim Nicholas Taleb gehört dazu, Professor für Risikoforschung in New York, und Nouriel Roubini, der treffsicher die Finanz- und Wirtschaftskrise bis hin zu Details vorausgesagt hat und auch unter dem Spitznamen „Dr. Doom“ (Dr. Untergang) bekannt ist. (Focus Online vom 9. Februar 2009). Ebenso zu nennen sind der Wirtschaftswissenschaftler Eberhard Hamer und der Finanzfachmann Bruno Bandulet. Desgleichen der Wirtschaftsprofessor und Unternehmensberater Fredmund Malik (St. Gallen), wie es ein größeres Publikum in der Maybritt-Illner-Talkshow im ZDF am 30. April mitbekommen hat.**) Aber sie alle und andere waren Außenseiter, sie galten als Störenfriede, auf sie hören mochte niemand.

Doch an ihnen zeigt sich: Gesehen werden konnte die Gefahr durchaus, Warnen war ebenfalls möglich und damit auch ein rechtzeitiges Gegensteuern – wenn dieses denn gewollt gewesen wäre. Das war es nicht.

*) Nachzulesen ist der Beitrag unter:
http://www.faz.net/s/RubB8DFB31915A443D98590B0D538FC0BEC/Doc~EBDB1A14571A54DDB8BC4DEBB5CA46930~ATpl~Ecommon~Scontent.html

**) Ein lesenswertes Interview mit Malik aus diesem Jahr unter:
http://www.xecutives.net/content/view/163/80/

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2 Kommentare zu „Das nicht erkannte Krisengebräu“

  1. Lieber Herr Dr. Krause,
    Wie schön wäre es, wenn der Einstein nicht nur im Vorhersagen kosmologischer Vorgänge recht hätte, sondern auch dann, wenn es um die kleinen Dinge geht, aus denen sich aber alles entwickelt. Da ist man auf Max Planck angewiesen, und der sagte zusammen mit Heisenberg, dass man in diesem Bereich ziemlich viel Unschärfe vorfindet. Also selbst die Physik hat mit der Vorhersage der Zukunft Riesenprobleme, zumal auch der geniale Albert Einstein auf dem Weg zur Weltformel im Sumpf steckengeblieben ist. Was kann man daraus lernen: Wenn man schon das – Nichts Genaues weis man nicht – erkannt hat, dann sollte man mit wichtigen Dingen behutsam umgehen und handeln nach dem Motto: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Eine „Teilchenphysikerin“ müsste das allerdings wissen. .
    Ihr Justus

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