Das Oberleitungsabenteuer auf der Autobahn – Nur sechs LKW nutzen die Teststrecken statt der geplanten sechzehn – 154 Millionen Euro Steuergeld verbraten – Eine politisch motivierte unsinnige Verirrung – Was mit Personen funktioniert, funktioniert mit LKW-Ladegut offensichtlich nicht
Kennen Sie Investitionsruinen? Klar, wer kennt sie nicht: alte Fabriken, die langsam vor sich hin verfallen, Brücken, die nicht zuende gebaut worden sind, Überbleibsel aus dem DDR-Sozialismus, über die sich die Natur wieder hermacht, einstige Maschinenhallen, die sich überlebt haben, Fördertürme von aufgegebenen Schachtanlagen …. Aber kennen Sie auch Investitionsruinen, die fünf Kilometer lang sind – die längsten zumindest in Deutschland?
Wenn nicht, dann fahren Sie mal mit Ihrem Auto auf der A1 von Lübeck nach Hamburg und auf der A5 von Frankfurt nach Darmstadt. Oder die umgekehrte Richtung. Dann sehen Sie zwei Teststrecken mit elektrischen Oberleitungen für Lkw. Jeweils fünf Kilometer lang auf dem rechten Fahrstreifen. Fast noch nagelneu, aber so gut wie nicht benutzt – jedenfalls nicht für den vorgesehenen Zweck. Glaubwürdige Zeugen, darunter ich selbst, bekunden, sie würden dort zwar viele Lkw fahren sehen, aber keine „Hybrid-Lkw“ mit Stromabnehmergestänge, die dieses Energieangebot nutzen. Nur sehr gelegentlich soll dort ein solches Gefährt zu sichten sein.
Nur sechs LKW nutzen die Teststrecken statt der geplanten sechzehn
Ein Bundestagsabgeordneter namens Torsten Herbst (FDP) aus Sachsen*) hatte die famose Idee, bei der Bundesregierung mal nachzufragen.**) Die musste in ihrer Antwort einräumen, nicht die geplanten sechzehn Oberleitungs-Lkw seien dort gefahren, sondern nur sechs. Insgesamt hätten sie eine Strecke von13 405 Kilometern zurückgelegt, davon 9 525 Kilometer auf der hessischen zwischen Langen/Mörfelden und Weiterstadt sowie 3 880 auf der schleswig-holsteinischen zwischen dem Autobahnkreuz Lübeck und Reinfeld – je LKW im Jahr also gerade einmal 2 234 Kilometer. Die Strecke in Hessen ist seit Mai 2019 in Betrieb, die im nördlichsten Bundesland seit Januar 2020.
154 Millionen Euro Steuergeld verbraten
Kommentar Torsten Herbst (hier): „154 Millionen Euro Steuergeld kosten zwei Projekte für das Testen von Oberleitungs-Lkw auf Autobahnen. Die bisherige Bilanz ist erwartungsgemäß völlig ernüchternd: Ganze sechs (!) Lkw nutzen die Infrastruktur. Dies hat meine Anfrage an die Bundesregierung ergeben. Das wäre es deutlich besser gewesen, dieses Geld in die Elektrifizierung der Schiene zu investieren.“ Drastischer formuliert: Das Geld ist verbraten.
„Höchste Zeit, dem Unsinn den Strom abzustellen“
Kommentar der FAZ, die sonst beim Klimaschutz und bei der „Energiewende“ unbelehrbar mitmacht: „Teststrecken sind zum Testen da, sagen die Befürworter. Aber auch zum Erkenntnisgewinn. Das Angebot wird nicht angenommen, zu teuer, zu kompliziert, zu nutzlos. Schon 154 Millionen Euro habe der Bund für die Förderung bereitgestellt, heißt es. Höchste Zeit, dem Unsinn den Strom abzustellen.“ (Holger Appel in: FAZ vom 25. Mai 202, Technik und Motor, Seite T1).
Eine politisch motivierte unsinnige Verirrung
Mein Kommentar: Wir haben genug Strecken mit Oberleitungen zum Antrieb mit Strom, die zu nutzen sinnvoller wären. Man nennt das Eisenbahn. Bringt daher die LKW-Ladungen mehr auf die Schiene, weniger auf die Autobahn. Auch die Klimaschutzpolitik rechtfertigt einen Lkw-Verkehr mit Strom in Oberleitungen nicht, denn diese Politik ist selbst nicht gerechtfertigt, sondern nur eine politisch motivierte unsinnige Verirrung, die ihr Ziel, eine klimatische Erwärmung der Erde aufzuhalten oder zu begrenzen, nicht erreichen kann. Wann werden diese Ruinen wohl wieder verschwinden?
Was mit Personen funktioniert, funktioniert mit LKW-Ladegut offensichtlich nicht
Elektrotechnisch ist die Beförderung mittels Strom in Oberleitungen auf Schienen oder auf Straßen ein uralter Hut. Für die von Personen verrichtet es zuverlässig in den großen Städten die gute alte Straßenbahn seit 140 Jahren. Die erste fuhr 1881 in Berlin. Auch Busse mit elektrischem Oberleitungsantrieb (kurz: O-Bus, Obus, Trolley-Bus) hat es in Deutschland schon gegeben. Sie dienten ebenfalls nur der Personenbeförderung, sind aber alle wieder verschwunden. Das hat seine Gründe (siehe hier). Da sind einige dabei, die auch für Oberleitungs-Lkw gelten. Was mit Personen funktioniert, funktioniert mit LKW-Ladegut offensichtlich nicht – trotz massiver staatlicher Subventionierung. Irrwege beschreiten Politiker nur, weil sie selbst dafür nicht geradestehen müssen, schon gar nicht finanziell.
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*) Zu seinem politischen Profil äußert sich Torsten Herbst selbst hier. Was er dort zu den Stichworten Soziale Marktwirtschaft, Recht und Einwanderung äußert, findet sich so auch im Programm der AfD. Anders formuliert: ein Mann mit politischer Vernunft.
**) Herbst hat nachgehakt. Denn zusammen mit FDP-Fraktionskollegen hatte er umfängliche Fragen an die Bundesregierung schon zuvor gestellt, und zwar in einer Kleinen Anfrage zum „Maßnahmenpaket des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für klimafreundlichere Lkw bis 2030“ – nachzulesen in der Bundestagsdrucksache 19/2577 vom 12. Januar 2021 hier.
Frage 4 dort lautet: „Wie viele Lkws mit alternativen Antrieben sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell (Stand: November 2020) auf dem Markt und in Serie erhältlich (bitte nach Antriebsform auflisten)?“
Die Antwort der Bundesregierung: „Am 1. Oktober 2020 sind nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) 29 707 rein elektrisch angetriebene Lastkraftwagen und Sattelzugmaschinen (also Fahrzeuge zur Güterbeförderung in den EG-Fahrzeugklassen N1, N2 und N3 sowie den entsprechenden nationalen Fahrzeugklassen) in Deutschland zugelassen. Weitere 838 Fahrzeuge haben einen elektrischen Hybrid-Antrieb, darunter sind 136 Fahrzeuge extern aufladbar (Plug-in). 32 910 Lastkraftwagen und Sattelzugmaschinen sind gasbetrieben (CNG, LNG und LPG).“
Frage 8: „Wie lautet die Auswertung der Bundesregierung zum Oberleitungs-LkwFeldversuch auf der A 5 und A 1 durch Scania bzw. das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit?“
Die Antwort: „Die Bundesregierung hat im Rahmen des „Aktionsprogramms Klimaschutz 2020“ drei Feldversuche für den Infrastrukturaufbau für Hybrid-OberleitungsLkw in Hessen (A 5), Schleswig-Holstein (A 1) und Baden-Württemberg (B 462) initiiert. In diesen Feldversuchen sollen u. a. die Alltagstauglichkeit von Oberleitungs-Hybrid-Lkw sowie deren Wirtschaftlichkeit geprüft und die im Praxiseinsatz realisierbaren Emissionseinsparungen ermittelt werden. Auf den beiden Teststrecken A 5 und A 1 wurden inzwischen ca. 3 000 Fahrten mit Oberleitungs-Lkw durchgeführt. Die Ergebnisse der Realerprobung bilden eine Entscheidungsgrundlage für weitere Planungen beim Infrastrukturaufbau für Hybrid-Oberleitungs-Lkw.“
Also mir fehlt da jetzt das Verständnis für das experimentelle. Man probiert was aus und schaut ob es läuft. Immerhin sind ein paar 1000 Fahrten gemacht worden. Als Bedenkenträger der Generation 1900 +x kann man natürlich dagegen wettern. Die Zukunft liegt ja hinter einem.
Mich würden eher die Ergebnisse interessieren, mehr jedenfalls als die der 1-2 Personen Ubahn von Mr. Musk.
Erinnern Sie sich noch an Growian (Großwindanlage). Hat nie richtig gefunzt, Dagegen zu wettern war genau so billig. Ist aber die Grundlage aller heutigen Windkraftanlagen die Gigawatt an Strom erzeugen.
@ Trebon – Ja, natürlich erinnere ich mich. Aber auch wenn der Growian die Grundlage aller heutigen Gigawatt-Windkraftanlagen ist, macht das diese Anlagen doch nicht edel und sinnvoll. Auch sie laufen auf irriger Grundlage (vorgeblicher Klimaschutz). Ich muss das sicher nicht näher erläutern, das ist auf dieser Blog-Seite schon häufig genug geschehen. Die Ergebnisse der beiden Autobahn-Teststrecken? Die endgültigen liegen noch nicht vor. Ein Zwischenergebnis habe ich zitiert (Fußnote ** letzter Absatz).
Sehr geehrter Herr Krause,
E-Personen- und Güterverkehr wurde bis in die späten 50er-Jahre von der Iserlohner Kreisbahn betrieben. In Solingen fahren heute noch E-Busse und in Dresden gibt es noch E-Güterverkehr – wenn auch nur sehr eingeschränkt und wenig sinnhaft.
Habe Ihnen ein Papier dazu über e-mail zugesandt.
Mein Hintergrund: Schüler von Hans K. Schneider am Münsteraner Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen und – bis 2003 – Hochschultätigkeit u.a. an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.
Also ich meinte jetzt Ergebnisse, nicht PolitBlaBla.
Seit dem Ende der Dampflokomotiven fahren alle nahezu alle Schienenfahrzeuge mit E-Antrieb. Auch sog. Dieselloks werden elektrisch angetrieben, aus gutem Grund. Die Idee ist alles andere als schlecht.
Aus Sicht der Regionalökonomie kann man sowohl über Krause`s als auch über Trebon`s Ansichten nur den Kopf schütteln. Natürlich gibt es noch Gütertransport mit Elektromotoren in Deutschland. Seit Jahren verschwinden aber die Güterbahnhöfe aus deutschen Städten und es kommt zu Stilllegung und massenhafter Umwandlung von Eisenbahnstrecken zu Rad- und Wanderwegen. Das zentrale Problem der „E-Mobilität“ liegt in den Verkehrsproblemen, die durch E-Mobile – egal, ob zum Personen- oder Gütertransport – innerhalb der Städte entstehen. Traditionelle Kraftfahrzeuge können Treibstoff an traditionellen Tankstellen innerhalb von wenigen Minuten tanken. Das E-Laden benötigt wesentlich längere Ladezeiten. Damit benötigt man auch wesentlich mehr Fläche. Diese Flächen liegen an Stellen, für die man wesentlich höhere Grundstückspreise zahlt. Mehr benötigte Fläche verbunden mit höheren Grundstückspreisen führt zu unkalkulierbaren Kosten, die entweder vom E-Nutzer oder – wie im Energiesozialismus zwangsläufig – vom Steuerzahler zu tragen sind. Das Problem lässt sich nicht auch noch dadurch lösen, dass man Benzin, Super und Diesel ver(s)teuert.
@Fischer
Es geht um ein Antriebskonzept, nicht um irgendwelchen Flächenverbrauch. Der Versuch ist halt die benötigte Energie per Oberleitung zu übertragen.
Das ist schlicht und ergreifend Forschung, mit dem Risiko das es so evtl. nicht funktioniert.Ein normales Procedere in einem Industriestaat.
Leider hat der Autor sich nicht die Mühe gemacht das ganze verstehen zu wollen und statt dessen ein journalistisches AllgemeinBlabla abgelassen