Warum das Streben danach geradezu unausweichlich ist – Was Wirtschaftswachstum ist – Das Robinson-Beispiel – Wachstum wird bewirkt durch das Streben nach Wohlstand – Warum wir dem Wachstum nicht entgehen – Warum wir Wachstum brauchen – Mit Wachstum geht es vielen besser – Aber Wachstum allein ist nicht alles
Ständiges Wirtschaftswachstum ist Mist, sagen die einen. Ständiges Wirtschaftswachstum ist gut und muss sein, sagen die anderen. Zeitweilig immer wieder kommt das Wirtschaftswachstum ins Gerede. Die Wachstumskritiker verurteilen den Wachstumswillen der wahrscheinlichen Mehrheit als Tanz um das goldene Kalb, als Anbetung eines Götzenbildes. Sie warnen: Wir überfordern unsere Ressourcen, also die von der Natur bereitgestellten Produktionsmittel, unser natürliches Reservoir, unsere Quellen des Wohlstands, wir schädigen die Umwelt, wir machen die Erde kaputt, zerstören damit die Grundlage unserer Existenz. Leben können wir auch ohne Wachstum, sagen sie und wollen mit dem Wachstum schlussmachen. Die Wachstumsbefürworter sagen: Wachstum bringt die Menschen voran, es hat den Menschen Wohlstand gebracht, zwar noch nicht allen, aber hat für viele die Armut wenigstens vermindert, und: Wachstum befriedet, verringert Unzufriedenheit. Was sie meist nicht sagen, sondern nur denken: Wachstum erleichtert das Umverteilen, erleichtert Politikern und Regierungen das politische Leben und Überleben.
Muss es denn immer noch mehr sein?
In diesem Konflikt stellt sich immer wieder neu die Frage: Können und sollten wir uns nicht mit dem zufrieden geben, was wir erreicht haben? Hat nicht der „Club of Rome“ in seiner Studie „Grenzen des Wachstums“ schon 1972 vor einem Zuviel gewarnt und zur Bescheidenheit gemahnt? Geht es uns denn noch immer nicht gut genug? Muss es denn immer noch mehr sein? Offenbar muss es das. Brauchen wir Wirtschaftswachstum überhaupt? Nein, an sich nicht. Aber dann müsste sich jeder bescheiden mit dem, was er hat. Das werden die meisten nicht wollen. Aber warum ist das so? Warum ist der Wunsch, warum das Streben nach Wachstum geradezu unausweichlich? Und warum vielleicht sogar notwendig?
Was Wirtschaftswachstum ist
Was ist Wirtschaftswachstum überhaupt? Wirtschaftswachstum ist jede zusätzliche Investition über das bestehende Sachkapital hinaus, jede zusätzliche Produktion über das bestehende Güterangebot hinaus, jede zusätzliche Kaufkraft über die bestehende Kaufkraft und Nachfrage hinaus, jeder zusätzliche Konsum über den bestehenden Konsum hinaus. Zusätzlichen Anstoß für diese Kettenreaktion geben Entdeckungen und Erfindungen. Statistisch und rechnerisch in Zahlen erfasst, schlägt sich dieses Zusätzliche in einer volkswirtschaftlichen Gesamtgröße nieder, genannt Bruttoinlandsprodukt (BIP): Nimmt das BIP zu, haben wir Wirtschaftswachstum. Es entsteht, auch dann, wenn die Bevölkerung wächst. Die zusätzlichen Menschen müssen essen, trinken und wohnen, anschließend entwickeln sie Bedürfnisse, die über das reine Überleben hinausgehen.
Das Robinson-Beispiel
Wachstum hat gleichsam Zwangsläufigkeitscharakter, Wachstumsdenken ist den Menschen geradezu immanent. Nehmen wir dafür als (von Ökonomen gern bemühtes) einfachstes Beispiel den auf eine einsame Insel verschlagenen schiffbrüchigen Robinson: Damit er dort etwas in den Magen bekommt, fängt er Fische. Mit bloßen Händen ist er damit einen ganzen Tag beschäftigt und bringt es täglich auf nicht mehr als zwei. Das ist seine verspeiste Tagesration. Bald aber beschließt er, für den Fischfang ein Netz zu knüpfen. Das kostet Zeit, die ihm für den Fischfang fehlt. Um während des Netzknüpfens nicht zu verhungern, isst er eine Zeit lang nur eineinhalb Fische und hebt einen halben auf. Robinson spart also. Er spart sich so viel vom Munde ab, bis er so viele Fischhälften zusammenhat, dass er das Netzknüpfen ohne den Zwang zum täglichen Fischfang beginnen kann. Er spart, und er investiert das Ersparte in den Netzbau.
Mit dem Investitionsgut Netz wächst Robinsons Sozialprodukt
Als das Netz fertig ist, hat Robinson ein Investitionsgut hergestellt. Der Preis dafür war sein Konsumverzicht. Die Investition erweist sich als erfolgreich; Robinson fängt statt zwei jetzt täglich zehn Fische. Die Fische sind sein kleines BIP (Bruttoinlandsprodukt). Dadurch, dass er investiert hat, hat er es von zwei auf zehn Fische vergrößert. Seine Investition hat ihm wirtschaftliches Wachstum eingebracht. Und das Netz ist Robinsons Kapitalgut, sein erstes Vermögen. Die überflüssigen Fische, die er täglich nicht verspeist, trocknet er.
Das Boot beschert Robinson weiteres Wirtschaftswachstum
Nach einiger Zeit ist sein Fischvorrat, seine neue Ersparnis so groß, dass er abermals investieren kann: Er baut ein Boot. Vom Boot aus ist der Fischfang leichter; er gewinnt Freizeit, kann sich Arbeitszeitverkürzung leisten. Mit dem Boot erreicht er auch eine Nachbarinsel. Dort findet er Früchte. Wiederum steigt Robinsons Sozialprodukt, wiederum hat ihm die Investition Wirtschaftswachstum beschert und sein Vermögen vermehrt. Robinson hat mit Netz und Boot Kapital gebildet, Sachkapital.
Wird gespart und investiert, wächst die Wirtschaft
Das Robinson-Modell lässt sich ausbauen. Freitag kann aufkreuzen, andere Schiffbrüchige können angespült werden, Frauen sind unter ihnen, es wird geheiratet, Kinder wachsen heran, Arbeitsteilung und Tauschhandel entwickeln sich, eine Währung kommt auf. Doch zum Verständnis für den engen Zusammenhang zwischen Sparen und Investieren, genügt bereits das einfache Beispiel. Wird gespart, kann investiert werden. Wird investiert – und zwar über die bloßen Erhaltungsinvestitionen hinaus (bei Robinson: Ersatz des verbrauchten Netzes durch ein neues) – steigt das Sozialprodukt, die Wirtschaft wächst. Diese Investitionen, Netto-Investitionen genannt, sind also für Wachstum eine notwendige Voraussetzung. Ihre Bedeutung liegt dabei vor allem darin, dass mit einer zusätzlichen Investition, die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, Güter zu produzieren, größer geworden ist. Der Volkswirtschaft stehen nach der Investition, nach der Anschaffung von Produktionsmitteln, zur Versorgung mehr Güter zur Verfügung als vor der Investition.
Wachstum wird bewirkt durch das Streben nach Wohlstand
Doch damit ist noch nicht erklärt, ob und warum Wachstum notwenig ist. Hat Robinson Wachstum gebraucht? Nein, gebraucht hat er es nicht, aber er wollte es. Mit nur zwei Fischen hätte er sein tägliches Leben bis an sein Lebensende fristen können, doch das hat ihm nicht genügt, er wollte mehr: seinen Lebensstandard erhöhen. Freilich auf bescheidene Weise, und seine Umwelt ist bei diesem Wachstum unbeschädigt geblieben. Das Wachstumsstreben heute dagegen gefährdet die Umwelt oder hat sie schon zerstört. Doch nach wie vor steht hinter diesem Streben der Wille nach Wohlstand und noch mehr davon.
Wann Nicht-Wachstum möglich wäre – theoretisch
Unbedingt notwendig freilich scheint Wachstum in unserer Welt heute genauso wenig zu sein wie in der idyllischen Welt von Robinson auf der Insel. Leider allerdings ist Nicht-Wachstum, also Stillstand, nur unter einer höchst heroischen Annahme möglich: dass sich jeder auf dem Erdball mit dem zufrieden gibt, was er hat. Es ist eine weltfremde Annahme; sie verkennt die menschliche Natur. Zu viele Menschen, vor allem in der Dritten Welt, haben zuwenig, um bereit zu sein, diesen Zustand festzuschreiben. Selbst in den hochentwickelten, wohlhabenden Industrieländern, wo Verzicht auf Wachstum noch am leichtesten fallen sollte, gibt es zu viele Menschen, die nach mehr streben, nach einem höheren Einkommen, mit dem sie sich mehr leisten können, also nach Wachstum. Sie alle, dort wie hier, könnte man vielleicht zwar mit einer großen Umverteilung zufriedenstellen. Man könnte ihnen mehr geben von dem, was andere an Mehr haben, und sich auf diese Weise um das Wachstum herummogeln. Doch das wäre ebenfalls unrealistisch.
Warum wir dem Wachstum nicht entgehen
Aber selbst dann, wenn die Umverteilung ohne Aufstand und Blutvergießen gelänge: Würde das Bevölkerungswachstum etwa aufhören? Könnte man verbieten, technische Neuerungen zu erfinden und anzuwenden? Beides geht nicht. Entdeckungen und Erfindungen, die zusätzliche Investitionen anstoßen und damit Wirtschaftswachstum auslösen, lassen sich – wie Denken – schwerlich verbieten; sie finden statt auch unter Verboten. Verbieten lässt sich allenfalls deren Anwendung. Aber solange es keinen Eine-Welt-Staat gibt, sondern viele Einzelstaaten, wird das Verbieten nicht funktionieren: Was der eine Staat unterbindet, heißt der andere willkommen. Von Bevölkerungswachstum und technischen Neuerungen gehen meist Anstöße zu wirtschaftlichem Wachstum aus. Nur theoretisch und allenfalls vorübergehend ginge es ohne Wachstum, doch in der Lebenswirklichkeit können wir ihm nicht entgehen.
Warum wir Wachstum brauchen
Können wir Wirtschaftswachstum überhaupt verhindern? Und sollten wir es verhindern? Nein, es wird nicht funktionieren. Das Sozialprodukt auf seinem heutigen Stand „einfrieren“ zu wollen, Wachstum zu unterbinden, scheitert an der menschlichen Natur. Das gilt für Robinson, das gilt erst recht für die heutige Nicht-Robinson-Welt, das gehört zu den Gesetzmäßigkeiten, in denen und mit denen wir leben. Wir brauchen Wachstum sogar. Solange sich die Bevölkerung auf der Erde vermehrt, sind zusätzliche Mäuler zu stopfen. Vermehrte sie sich nicht, wären zumindest zusätzliche Wünsche zu befriedigen. Wenn es uns in den hochentwickelten Ländern einigermaßen gut geht, aber vielen Menschen in unterentwickelten Ländern noch nicht, werden sie haben wollen, was wir haben. Und was wir an allem schon haben und was also möglich ist, bekommen diese anderen Menschen heute allerorten mit: Die Medien und die Möglichkeiten des Internet sorgen dafür, haben die einstige Abgeschlossenheit unterentwickelter Gesellschaften von Informationen aus „der anderen Welt“ beseitigt. Jenen Menschen, die bei uns und in der Dritten Welt nach mehr verlangen, mehr zu geben, fällt leichter, wenn die Wirtschaft wächst, wenn zur Verteilung ein Sozialprodukt zur Verfügung steht, das steigt.
Mit Wachstum geht es vielen besser
Eine offene Frage ist, wie lange sich die Menschheit immer weiteres und weiteres Wachstum erlauben kann – wie lange das auch immer sein mag. Aber wenn die Wirtschaft wächst, geht es vielen besser: Unternehmen prosperieren, die Beschäftigten verdienen mehr Geld, die Menschen können sich mehr leisten (zum Beispiel besseres Essen, bessere Autos, besseres Wohnen), die Steuereinahmen steigen, der Staat hat mehr Geld zum Umverteilen für politisch wichtige Wähler-Gruppen, für die Unzufriedenen, für die Bedürftigen, und alle fühlen sich wohl.
Aber Wachstum allein ist nicht alles
Vielleicht aber auch nicht. Denn Wachstum allein ist nicht alles. Es profitieren von ihm nicht alle Menschen, es geht an manchen Gruppen vorbei, es wird auch erkauft mit Lärm, mit schlechter Luft, mit Verschmutzung und Verknappung von Wasser, mit zuviel Verkehr, mit anderer Umweltzerstörung, mit Stress und auf diese Weise mit Unbehagen, Ärger und Frust über alles dieses und weiteres. Wohl ist Auswüchsen, Übertreibungen und Zerstörungen als Folgen von Wachstum gegenzusteuern, mit Erfolgen auch schon geschehen: durch Information, durch gute Beispiele, durch private und staatliche Maßnahmen, durch gesetzliches Regelwerk für den Umweltschutz. Der vorgebliche Klimaschutz freilich mit dem grotesken CO2-Wahn gehört dazu nicht, er ist verkappte Wachstums- und Umverteilungspolitik. Er ist Ausbeutungspolitik gegen eine übergroße Mehrheit zugunsten einer kleinen Minderheit.
Wachstum wird derzeit anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder Bruttosozialprodukts (BSP) gemessen. In die Bestimmung beider Größen fließen u.a. alle Dienstleistungen ein, welche Einkommen generieren. Dazu gehören z.B. auch die im Zusammenhang mit der Immigration stehenden Einkommensströme im Helferbereich. Mit anderen Worten: höchst unproduktive Unternehmungen, die keinen Fortschritt bringen und keine Abbildung von Innovationen sind, können nach herrschender Definition Wachstum sein.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bruttonationaleinkommen
https://de.wikipedia.org/wiki/Bruttoinlandsprodukt
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/wachstum.html#definition
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/bruttoinlandsprodukt-bip.html
Solches Wachstum ließe sich –theoretisch- ins Unendliche steigern; erst recht dann, wenn die Geld-Druckerpresse vollständig in staatlicher Hand wäre. Mit aus dem Nichts geschöpften Geld (Fiat-Money) ließen sich noch mehr Konsum, Bürokratie und unproduktive Tätigkeiten finanzieren. Selbst Helikoptergeld wird in Kreisen der herrschenden ökonomischen „Experten“ seit geraumer Zeit –erneut- diskutiert.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/geldpolitik-mit-helikopter-geld-wenn-es-geld-vom-himmel-regnet-14101989.html
Apologeten solcher Wirtschafts- und Gesellschaftsklempnerei finden dabei allenfalls bedauerlich, daß deutsche Untertanen mit dem –vermeintlich geschenkten- Geld sparen oder Schulden abtragen würden;
http://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/helikoptergeld-effekt-wuerde-am-deutschen-verpuffen/
was ja nach den Empfehlungen der Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge
http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/86710-alterssicherungsbericht-im-alter-am-abgrund
eine höchst vernünftige Verhaltensweise wäre. Nur war es eben die Bundesregierung, welche die Null- bis Negativzinspolitik der EZB-Zentralplaner unterstützte und damit z.B. Lebensversicherungen bei der individuellen Absicherung zu einem untauglichen Mittel machte. F. Bastiat (Was man sieht, was man nicht sieht http://bastiat.de/bastiat/schriften/was_man_sieht_und.html) läßt grüßen.
Kurz und gut: Wachstum nach dem Verständnis der herrschenden ökonomischen Lehren nützt nicht den Untertanen, sondern insbesondere den Politfunktionären und anderen Profiteuren des Fiat-Money-Systems.
Gesellschaften höheren technischen Standes als dem, auf dem sich sog. Naturvölker befinden, brauchen aber Fortschritt. Mittels dessen läßt sich die Produktivität steigern. Vielleicht läßt sich gar das angeblich so schädliche CO2 bald in diesem Sinne nutzen?
https://www.wired.de/collection/science/us-forscher-haben-aus-versehen-co2-treibstoff-umgewandelt
Vermutlich wäre es auch möglich gewesen, bei einer schrumpfenden Zahl von Einwohnern Deutschlands an Überalterung eben nicht zu scheitern, wie es jetzt unausweichlich zu sein scheint. Dazu hätten aber geeignete Rahmenbedingungen (z.B. Abschaffung der über Umlagen finanzierten Rente, werterhaltendes Geldsystem) zugelassen werden müssen.
Nach der heute gängigen Definition kann selbst Wachstum nicht nur Stillstand, sondern –viele spüren es noch nicht schmerzlich genug, um das, was sie mit ihren Fahrradhelmen zu schützen trachten, auch mal in Benutzung zu nehmen- Rückschritt bedeuten. Ich hoffe, daß sich die Untertanen die Gewalt, die nötig wäre ihnen beizubringen, daß sie sich mit noch weniger begnügen sollen, als die Herrschenden ihnen z.Z. noch belassen, nicht zu dulden bereit sein werden. Die Nagelprobe könnte bald anstehen.
Umverteilung, die Allzweckwaffe der Sozialisten gleich welchen Anstrichs, die Standardlösung besonders tumber Politfunktionäre, wird nichts zu Besserem wenden, sondern in die allgemeine Armut und Verelendung führen. Das fand ich bislang nirgends anschaulicher beschrieben als bei Bertrand de Jouvenel in seinem Buch „ Die Ethik der Umverteilung“
http://www.buchausgabe.de/public_products/die-ethik-der-umverteilung-hardy-bouillon-gerd-habermann-karen-ilse-1176
PS:
Das Robinson-Beispiel ist noch überzeugender, wenn man an die Stelle der Fische Kokosnüsse setzt. Fische nähern sich bzgl. der Dauer werterhaltender Lagerung zu sehr dem Fiat-Money-Falschgeld. Wirklich sparen/horten kann man mit beidem nicht. 😉